Nachlasspflegschaft § 81 AO

  • Das Finanzamt beantragt die Bestellung eines Nachlasspflegers gem. § 81 AO i.V.m. § 1961 BGB, damit Steuerbescheide wirksam bekannt gegeben werden können und um feststellen zu lassen, dass der Fiskus nunmehr Erbe ist. Es liegen lediglich Erbausschlagungserklärungen vor.

    Mein erstes Problem ist, bestelle ich jetzt als Nachlassgericht einen Nachlasspfleger, oder ist das Betreuungsgericht zuständig ?
    Lt. § 81 AO ist das Betreuungsgericht zuständig, aber in der Kommentierung zu § 81 AO finde ich folgendes dazu:

    Nr 1 erfasst den unbekannten Beteiligten und gilt insbes für Fälle, in denen nicht sicher ist, wer Stpfl oder Erstattungsberechtigter ist. Die Bestellung eines Vertreters von Amts wegen kommt zB auch in Betracht, wenn der Erbe nicht feststellbar ist. Das FA kann dann beim Nachlassgericht die Bestellung eines Nachlasspflegers beantragen, um feststellen zu lassen, dass der Fiskus Erbe geworden ist (OFD Nds v 2. 3. 10, ErbSt-Kartei ND Anhang Verfahren, Statistik, Karte 6 a).

    Im Palandt steht bei § 1961 BGB: Der auf Antrag des Finanzamtes bestellte Pfleger nach § 81 AO hat die Stellung eines Nachlasspflegers nach § 1961 BGB.
    Im Mü-KO bei § 1961 BGB: [h=2]VI. Parallelvorschriften[/h]Randnummer 13Nach § 81 Abs. 1 Nr. 1 AO (ähnlich § 16 Abs. 1 Nr. 1 VwVfG, s. auch Vor § 1909 Rn. 15) ist vom Betreuungs- oder Familiengericht auf Antrag der Finanzbehörde ein Vertreter für den unbekannten Beteiligten zu bestellen. Dies umfasst auch die Fälle, in denen der Erbe unbekannt ist. zur Fussnote 48 Für die Vollstreckung von Steueransprüchen gegen die Erben sind nach § 265 AO die §§ 1958, 1960 Abs. 3, § 1961 BGB, §§ 747, 748, 778, 779, 781 bis 784 ZPO entsprechend anzuwenden.

    Sofern ich als Nachlassgericht zuständig wäre, ist mir nicht ganz klar, ob ich den Nachlasspfleger als berufsmäßigen Pfleger bestelle.
    Gem. § 81 Abs. 3 AO erhält der Pfleger seine Vergütung vom Finanzamt. Gilt dies auch für einen so bestellten Nachlasspfleger ?

    Kommentierung hierzu:
    Die Regelung über die Vergütung des Vertreters in Abs 3 weicht von der entsprechenden Regelung des § 1836 BGB ab. Nach § 1836 I 1 BGB hat der Betreuer oder Pfleger keinen Anspruch auf Vergütung. Dagegen kann der gem § 81 bestimmte Vertreter nach Abs 3 eine angemessene Vergütung und die Erstattung seiner baren Auslagen verlangen. Das FA kann wiederum von dem Vertretenen Ersatz seiner Aufwendungen verlangen. Gegen die Festsetzung der Vergütung und der Auslagen und Aufwendungen ist der Einspruch gegeben.

  • Im Falle von unbekannten Erben dürfte der § 1961 BGB der AO vorgehen.

    Die Bestellung eines NLP aufgrund Antrages eines Nachlassgläubigers setzt voraus, dass die Erben unbekannt sind und der Gläubiger den Antrag stellt.

    Die Frage ist nun also lediglich, ob man eine NLP anordnet oder gleich das Fiskuserbrecht feststellt. Ich halte es für vertretbar, dass man ohne weitere Ermittlungen das Fiskuserbrecht feststellt, wenn die bekannten näheren Verwandten die Erbschaft wegen vermuteter Überschuldung ausgeschlagen haben und anzunehmen ist, dass alle weiteren evtl. ermittelten Erben dies ebenso tun werden.

    -------------------------:aktenEine wirklich gute Idee erkennt man daran, daß ihre Verwirklichung von vorn herein ausgeschlossen erschien. (Albert Einstein):gruebel: ------------------------------------

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  • Steht im 81 irgendwas von unbekannten Erben?

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  • Ich stelle eigentlich nie das Fiskuserbrecht fest, wenn nur Ausschlagungserklärungen vorliegen, da ich hierfür kein Rechtsschutzbedürfnis sehe.

    Hat jemand schon mal einen Vertreter nach § 81 AO bestellt ?

    Warum ist hier kein Rechtschutzbedürfnis dafür gegeben? Alle Erben haben ausgeschlagen, weitere würden ebenfalls ausschlagen, bleibt also der Fiskus.

  • TL: Im Gesetz nicht, aber im Kommentar:
    Randnummer 13Nach § 81 Abs. 1 Nr. 1 AO (ähnlich § 16 Abs. 1 Nr. 1 VwVfG, s. auch Vor § 1909 Rn. 15) ist vom Betreuungs- oder Familiengericht auf Antrag der Finanzbehörde ein Vertreter für den unbekannten Beteiligten zu bestellen. Dies umfasst auch die Fälle, in denen der Erbe unbekannt ist. zur Fussnote 48 Für die Vollstreckung von Steueransprüchen gegen die Erben sind nach § 265 AO die §§ 1958, 1960 Abs. 3, § 1961 BGB, §§ 747, 748, 778, 779, 781 bis 784 ZPO entsprechend anzuwenden.

    Bob Loblaw:
    Gerade weil ja alle Erben ausgeschlagen haben und der Fiskus nicht für die Schulden haftet, sehe ich kein Rechtsschutzbedürfnis für die Feststellung des Fiskuserbrecht.


  • Bob Loblaw:
    Gerade weil ja alle Erben ausgeschlagen haben und der Fiskus nicht für die Schulden haftet, sehe ich kein Rechtsschutzbedürfnis für die Feststellung des Fiskuserbrecht.

    Der Fiskus haftet wie jeder anderer Erbe auch für Schulden. Es gibt entgegen langläufiger Meinung keine Schuldenprivilegierung für den Staat. Abgesehen davon hat das Nachlassgericht Fiskuserbrecht festzustellen wenn kein anderer Erbe in angemessener Frist ermittelt wird.

  • Kannst du bitte die Fußnote 48 im Detail angeben?

    Die Feststellung des Fiskuserbrechts erfolgt unabhängig von der Werthaltigkeit des Nachlasses bzw. unabhängig von dem Umfang und der Art der Forderungen, die gegen den Nachlass gerichtet sind.

    Wenn ein Nachlassgläubiger bei unbekannten Erben die Geltendmachung seiner Forderung begehrt, ist diesem ein Nachlasspfleger zu bestellen.

    Die Bestellung kann aber "umgangen" werden, indem das Gericht das Fiskuserbrecht feststellt. Dies ist aber nur möglich, wenn die Voraussetzungen des § 1936 BGB iVm. § 1964 BGB vorliegen.

    Es gibt kein Antragsrecht auf Feststellung des Fiskuserbrechts. Für niemand. Von daher gibt es auch kein (fehlendes) Rechtschutzbedürfnis. Solche Überlegungen gehen an der Sache vorbei.

    Wenn sich nun das Finanzamt dazu entscheidet die Forderung nicht geltend zu machen sondern lediglich eine Person haben möchte, an die zugestellt werden kann, dann mag es sich (nicht an das NLG) gerne an das Betreuungsgericht wenden und auf § 81 AO verweisen. Was das dann aber dem FA im Falle von unbekannten Erben bringen soll, muss man mir noch erklären.

    -------------------------:aktenEine wirklich gute Idee erkennt man daran, daß ihre Verwirklichung von vorn herein ausgeschlossen erschien. (Albert Einstein):gruebel: ------------------------------------

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  • Ich denke, das FA ist sich bewußt, nichts zu bekommen. Es möchte nur das Verfahren ordnungsgemäß abschließen. Dazu braucht es den besonderen Vertreter nach § 81 AO wegen der wirksamen Bekanntgabe der Steuerbescheide. Nach der anschließenden Feststellung des Fiskuserbrechts kann es die endlich wirksam festgestellten Forderungen dann auch (endlich) ausbuchen. Meine Vermutung...

    Beginne den Tag mit einem Lächeln. Dann hast Du es hinter Dir. (Nico Semsrott)

    "Das Beste an der DDR war der Traum, den wir von ihr hatten." Herrmann Kant in einem Fernsehinterview


  • Bob Loblaw:
    Gerade weil ja alle Erben ausgeschlagen haben und der Fiskus nicht für die Schulden haftet, sehe ich kein Rechtsschutzbedürfnis für die Feststellung des Fiskuserbrecht.

    Der Fiskus haftet wie jeder anderer Erbe auch für Schulden. Es gibt entgegen langläufiger Meinung keine Schuldenprivilegierung für den Staat. Abgesehen davon hat das Nachlassgericht Fiskuserbrecht festzustellen wenn kein anderer Erbe in angemessener Frist ermittelt wird.

    Der Fiskus haftet nicht wie jeder andere, denn er kann seine Haftung wesentlich einfacher - praktisch obligatorisch -auf den Nachlass beschränken (Palandt, Rn. 1 zu § 2011 BGB).
    Und: Wenn kein anderer Erbe in angemessener Frist ermittelt wird und nach meinen Kenntnissen kein positiver Nachlass vorhanden ist, stelle ich das Fiskuserbrecht nicht fest, sondern lege meine Ausschlagungsakte weg und fertig. Nur bei postitvem Nachlass entspicht es dem Schutzzweck des § 1964 BGB, das Fiskuserbrecht festzustellen.

  • Wenn kein anderer Erbe in angemessener Frist ermittelt wird und nach meinen Kenntnissen kein positiver Nachlass vorhanden ist, stelle ich das Fiskuserbrecht nicht fest, sondern lege meine Ausschlagungsakte weg und fertig. Nur bei postitvem Nachlass entspicht es dem Schutzzweck des § 1964 BGB, das Fiskuserbrecht festzustellen.

    Es gibt keinen "Schutzzweck" des § 1964 BGB sondern lediglich eine Ordnungsfunktion des § 1936 BGB. Hierbei ist zu berücksichtigen das der Begriff Nachlass stets Aktiva und Passiva beinhaltet, weil nach § 1922 BGB das gesamte Vermögen (alle Aktiva und Passiva) als Erbschaft auf den Erben übergehen. Nachlass ist also nicht nur positives sondern auch negatives Vermögen.


    Aus Schulz/Lauk, Handbuch Nachlasspflegschaft, § 3 Rn 70+71:

    Rn. 70:
    Bei § 1936 BGB handelt es sich daher um eine Vorschrift, die in erster Linie Ordnungsfunktion hat. Es soll damit eine ordnungsgemäße Nachlassabwicklung gewährleistet und das Vorhandensein von herrenlosen Nachlässen vermieden werden.[1]


    [1]Mayer, ZEV 2010, 445.


    Rn. 71:
    Das Verfahren zur Feststellung des gesetzlichen Erbrechts des Staates ist z.B. dann durchzuführen, wenn infolge erfolgter wirksamer[1]Ausschlagungen vorrangiger Erben das Erbrech tdes Fiskus in Betracht kommt und dessen Feststellung durch einen Nachlassgläubiger zum Zwecke der Durchsetzung von Forderungen gegen den Nachlass angeregt wird. Die Werthaltigkeit des Nachlasses ist lediglich bedeutsam für die Frage des Umfangs der gebotenen Ermittlungen, ob Erbrechte Dritter gegeben sind, nicht aber für die Entscheidung selbst, ob überhaupt ein Feststellungsverfahren durchzuführen ist.[2]


    [1]Vom Nachlassgericht zu prüfen: OLGMünchen v. 25.2.2010 – 31 Wx 20/10, ZErb 2010, 121 = NJW-RR 2010, 1663 =Rpfleger 2010, 372.

    [2]OLG München v. 5.5.2011 – 31 Wx164/11, ZErb 2011, 173 = Rpfleger 2011, 669 = NJW-RR 2011, 1379.

    -------------------------:aktenEine wirklich gute Idee erkennt man daran, daß ihre Verwirklichung von vorn herein ausgeschlossen erschien. (Albert Einstein):gruebel: ------------------------------------

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  • Der Fiskus haftet nicht wie jeder andere, denn er kann seine Haftung wesentlich einfacher - praktisch obligatorisch -auf den Nachlass beschränken (Palandt, Rn. 1 zu § 2011 BGB).
    Und: Wenn kein anderer Erbe in angemessener Frist ermittelt wird und nach meinen Kenntnissen kein positiver Nachlass vorhanden ist, stelle ich das Fiskuserbrecht nicht fest, sondern lege meine Ausschlagungsakte weg und fertig. Nur bei postitvem Nachlass entspicht es dem Schutzzweck des § 1964 BGB, das Fiskuserbrecht festzustellen.

    Der Fiskus haftet grundsätzlich zunächst wie jeder andere Erbe auch. Die weit verbreitete Ansicht, das der Fiskus keine Schulden erbt ist so pauschal nun mal falsch. Mehr wollte ich nicht sagen. Der Fiskus muss wie jeder andere Erbe auch aktiv Haftungsbeschränkungsmaßnahmen ergreifen. Abgesehen davon, dass er diese nicht durch die Inventarfrist verlieren kann ist das identisch zu jedem 0815 Erben.
    Ich betreibe auch nicht nach jedem Ausschlagungsverfahren noch ein ein Verfahren zur Feststellung des Fiskuserbrechts, wenn aber wie hier ein Gläubiger Ansprüche stellen will und ich mich zwischen Nachlasspflegschaft und Fiskuserbrecht entscheiden muss, dann wird es in so einem Fall wo ausermittelt ist Fiskuserbrecht.

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