Liebe Kollegen, wie verhält es sich, wenn ein Sachverständiger, der das Grundstück geschätzt hat und aufgrund dessen Gutachten der Verkehrswert festgesetzt wurde, nun im zweiten Versteigerungstermin mitsteigern möchte. Im ersten Termin hatte ich § 77I ZVG. Das Gutachten wurde vor ca. 2 Jahren erstellt.
Sachverständiger als Bieter
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Ina-Maria Kreutzer -
7. März 2019 um 15:32
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Einen gesetzlichen Ausschluss gibt es nicht, der ist in § 450 BGB abschließend normiert.
Begeisterung würde das Anliegen bei mir aber auch nicht auslösen.
Es könnte eine Angriffsfläche gegen den Sachverständigen für künftige Verfahren geben, wenn vorgetragen wird, dass dass dieser aufgrund eines eigenen möglichen Erwerbsinteresses kein unabhängiges Gutachten erstellen würde und der Umstand des Ersteigerns als Glaubhaftmachung angeführt wird. -
Wie WinterM schon feststellte hat § 450 Abs. 1 BGB einen sehr engen Anwendungsbereich und ist daher für den Sachverständigen nicht einschlägig. So stellte schon das OLG Köln (Beschl. v. 24.05.2004 - 2 U 34/04) fest, dass diese Regelung "nicht das Zwangsversteigerungsverfahren in seiner Gesamtheit von dem Verdacht parteiischer Handhabung bzw. der Verwertung von Insiderwissen befreien [will]. Diese Vorschrift schließt nicht allgemein die Möglichkeit eines Kaufs im Wege der Zwangsvollstreckung für alle vom Zeitpunkt des Eingangs des Antrags auf Durchführung der Zwangsversteigerung bis zum Zuschlag an dem Verfahren in irgendeiner Weise beteiligten Personen (wie z.B. Wachtmeister, Mitarbeiter der Geschäftsstelle und Kanzlei, Richter, Sachverständige, Bevollmächtigte der Beteiligten etc.) aus."
Ein Geschmäckle hat es natürlich schon...
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Ein Geschmäckle hat es natürlich schon...
Und wie! Vorallem dann, wenn der SV nicht einmal den Wert bieten will,
den er selbst schätzte. War bei uns mal vor zig-Jahren, in den seligen Zeiten,
als die 7/10-Grenze noch fast in jedem Verfahren zur Anwendung kam.
Eine normenvertiefende Ansprache des Terminsvorsitzenden an den SV brachte dann
schnell Klarheit. -
Selbst wenn der Sachverständige nach § 450 BGB nicht vom Kauf ausgeschlossen ist, verstößt er dadurch aber möglicherweise gegen Berufsrecht.
Vgl. z.B. § 9 Abs. 5 2. Spiegelstrich der Sachverständigenordnung der IHK für München und Oberbayern:
ZitatInsbesondere darf die/der Sachverständige nicht
- Gutachten in eigener Sache oder für Objekte und Leistungen ihres/seines Dienstherren oder Arbeitgebers erstatten.
- Gegenstände erwerben oder zum Erwerb vermitteln, eine Sanierung oder Regulierung der Objekte durchführen, über die sie/er ein Gutachten erstellt hat, es sei denn, sie/er erhält den entsprechenden Folgeauftrag nach Beendigung des Gutachtenauftrags und ihre/seine Glaubwürdigkeit wird durch die Übernahme ihrer/seiner Tätigkeiten nicht infrage gestellt.Quelle: https://www.ihk-muenchen.de/ihk/documents/…igenordnung.pdf
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Vielen Dank liebe Kollegen für Eure Beiträge! Ich werde noch mal mit dem Sachverständigen telefonieren...
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Meine kurzen Gedanken:
- Standesrecht ist für mich (als Gericht) eher uninteressant.
- Soll ich wirklich den womöglich einzigen Interessenten ausschließen?
- Soll der SV daran gehindert werden, ein für ihn interessantes Objekt ersteigern zu können, und zwar zu Bedingungen (weit unter Wert), wie es JEDEM anderen auch möglich wäre?
- Was ist dann mit euch, wenn ihr mal suchen solltet und in eurem Verfahren etwas passendes finden würdet?
Würdet ihr freiwillig 100% zahlen wollen, auch wenn sonst niemand bieten sollte?
Würdet ihr euch selbst ausschließen? -
Was ist dann mit euch, wenn ihr mal suchen solltet und in eurem Verfahren etwas passendes finden würdet?
Würdet ihr freiwillig 100% zahlen wollen, auch wenn sonst niemand bieten sollte?
Würdet ihr euch selbst ausschließen?Das brauchen wir nicht, das hat der Gesetzgeber schon für uns getan, § 450 BGB.
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Nach Stumpe (Hk-ZV/Stumpe § 71 ZVG Rn ist wegen § 450 BGB neben Rechtspfleger und Protokollführer auch der Sachverständige von Geboten ausgeschlossen.
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Fällt bei ihm vermutlich unter "zugezogene Gehilfen"
BGH Urteil vom 06.02.2003, III ZR 44/02:
"Zwar werden gerichtliche (vom Gericht zugezogene) Sachverständige, auch wenn sie öffentlich bestellt oder Beamte im staatsrechtlichen Sinne sind, durch ihre Aufgabe, Gehilfen des Richters bei der Urteilsfindung zu sein, nicht Beamte im haftungsrechtlichen Sinne; ..."
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Was ist dann mit euch, wenn ihr mal suchen solltet und in eurem Verfahren etwas passendes finden würdet?
Würdet ihr freiwillig 100% zahlen wollen, auch wenn sonst niemand bieten sollte?
Würdet ihr euch selbst ausschließen?Das brauchen wir nicht, das hat der Gesetzgeber schon für uns getan, § 450 BGB.
Das betrifft doch aber nur den Fall, dass ich den Termin abhalte. Würde ich dann natürlich nicht.
Und falls es erforderlich wäre natürlich auch vorher schon die Sachbearbeitung. -
Ich habe eine Entscheidung vom LG Köln im Hinterkopf, wonach ein Rechtspfleger, der den 1. Termin durchgeführt hat, im 2. Termin ersteigern kann, Fundstelle habe ich aber nicht.
Trotz dieser Entscheidung: Ich würde mich in allen Fällen als ausgeschlossen ansehen, in denen ich jemals etwas in der Akte gemacht habe, und wenn es nur ein "zur Frist" war.
Ich bin bei einem kleinen Gericht, vermutlich würde ich auch in anderen Fällen nicht mitbieten. Solche Schnäppchen brauche ich nicht! -
OLG Köln, 24.5.04, 2 U 34/04
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samt OLG Köln, 24.5.04, 2 U 32/04 (Hinweisbeschluss; verlinkt leider nicht die richtige Entscheidung); s. schon #3
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verlinkt leider nicht die richtige Entscheidung
Das Az lautet auch richtig:
OLG Köln, 24.5.04,
2 U 34/04 (hinter dem Link verbergen sich mehrere Entscheidungen, der direkte Link lautet https://dejure.org/dienste/vernet…4#Entscheidung3) -
OLG Köln, 24.5.04,
In beck-online finden sich beide Aktenzeichen:
2 U 32/04 = BeckRS 9998, 05017
2 U 34/04 = BeckRS 2004, 6386
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