Beschluss nach § 904 Abs.5 oder § 905 ZPO - Anhörung notwendig ?

  • Hallo,

    das Thema wurde in einem anderen Beitrag schon mal kurz behandelt. Auch da gab es wohl unterschiedliche Auffassungen, so dass ich mal nachhören wollte, wie der Erfahrungsstand dazu mittlerweile ist.

    Beschlüsse nach § 904 (Nachzahlung) oder § 905 (Bescheinigung durch Vollstreckungsgericht) haben ja, anders als ein Beschluss nach § 906 ZPO die "Wirkung einer Bescheinigung". Anders als bei § 906 ZPO ist bei § 904 ZPO auch immer das Vollstreckungsgericht zuständig, egal, welche Pfändungen und von welcher Stelle vorliegen. Dem Grunde nach kann ein solcher Beschluss (= Bescheinigung) auch beantragt werden, wenn noch keine Kontopfändung vorliegt.

    Vereinzelt scheinen Banken aber noch darauf zu bestehen, dass für jede Kontopfändung ein gesonderter Beschluss nach § 904 erfolgt.

    Ich denke, dies ist nicht notwendig und auch eine Anhörung der pfändenden Gläubiger ist nicht notwendig. Anders als bei einer individuellen Freigabe nach § 906 bei der gewisse Argumente durch Gläubiger denkbar sind, ist die Freigabe nach 904 ja abschließend geregelt. Auch die Tatsache, dass immer Zuständigkeit des Vollstreckungsgerichts gegeben ist, deutet ja darauf hin, dass die "Beschluss-Bescheinigung" nach 904 nicht Gläubiger/Pfändungs-spezifisch sein kann, sonst müsste das Vollstreckungsgericht ja z.B. spezifisch zu einer Pfändung von z.B. Finanzamt oder Kreiskasse entscheiden.

    Gibts da schon mehr Erfahrungen damit ?

  • Beide Entscheidungen wirken kontobezogen. Ein 904er pro Pfändung ist daher falsch.

    Zum Zwecke der Ausrottung der anderslautenden Rechtsansicht mancher Banken habe ich einen entsprechenden rechtlichen Hinweis in den Gründen untergebracht.

    Bei den § 904 III ern höre ich die mir bekannten Gläubiger an. Damit liege ich übrigens auch auf einer Linie mit dem Zöller. Die Entscheidung nach § 904 Abs. 3 ZPO gibt es nur im gerichtlichen Verfahren und über die Berechnung gibt es durchaus ab und an Diskussionen, daher erscheint mir die Anhörung geboten.

    Bei den § 905 ZPO höre ich in eindeutigen Fällen nicht vor der Entscheidung an. Würde der Schuldner eine geeignete Stelle finden, welche ihm die Bescheinigung erstellt, würde der Gläubiger auch ohne rechtliches Gehör vor vollende Tatsachen gestellt. Zudem könnte die Bank auch ohne Bescheinigung / Beschluss die Freibeträge anerkennen, wenn sie entsprechende Kenntnisse zu den Verhältnissen des Schuldners hätte (BeckOK ZPO/Riedel, 47. Ed. 1.12.2022, ZPO § 903 Rn. 2). Die Bescheinigung bringt ihr "bloß" ein Haftungsprivileg. Daher erscheint mir hier eine vorherige Anhörung entbehrlich (kann man aber auch anders sehen).

    Ich stelle aber sowohl die § 904er als auch die § 905er den bekannten Gläubigern zu.

  • Dem Grunde nach kann ein solcher Beschluss (= Bescheinigung) auch beantragt werden, wenn noch keine Kontopfändung vorliegt.

    Nein. Der Antrag wäre mangels Rechtsschutzbedürfnis unzulässig.

    Beide Entscheidungen wirken kontobezogen. Ein 904er pro Pfändung ist daher falsch.

    Ebenso

    Anders als bei einer individuellen Freigabe nach § 906 bei der gewisse Argumente durch Gläubiger denkbar sind, ist die Freigabe nach 904 ja abschließend geregelt.

    Eine Anhörung ist nicht deshalb entbehrlich, weil man sich keine gehaltvollen Einwendungen vorstellen kann.
    Das Erfordernis der vorherigen Anhörung des Gläubigers folgt aus dem Recht auf ein faires Verfahren und ist daher nur ausnahmsweise in besonderen Konstellationen entbehrlich (z.B. bei einstweiligen Anordnungen).

    Der Gläubiger könnte zudem z.B. vorbringen, dass die vorgelegten Unterlagen unvollständig oder gefälscht sind.

    Bei den § 905 ZPO höre ich in eindeutigen Fällen nicht vor der Entscheidung an. Würde der Schuldner eine geeignete Stelle finden, welche ihm die Bescheinigung erstellt, würde der Gläubiger auch ohne rechtliches Gehör vor vollende Tatsachen gestellt.

    Das ist korrekt. Aber die Möglichkeit eines vereinfachten außergerichtlichen Verfahrens ohne Beteiligung des Gläubigers beseitigt aber nicht die gerichtlichen Verfahrensgrundsätze.
    Insbesondere hat der Gesetzgeber auch keine Ausnahme von Anhörungserfordernis normiert.

    Ich hatte bisher aber noch keinen Fall indem die Voraussetzungen des §905 ZPO glaubhaft gemacht wurden. Nach dem Hinweis auf die vorrangige Bescheinigung kam bisher nie wieder was.

  • Also wenn ich bisher zusammenfasse ist man sich aber schon einig, dass ein 904er Beschluss "kontobezogen" wirkt, also kein Beschluss pro Gläubiger, aber trotzdem alle Gläubiger bei Antragstellung zu nennen sind und angehört werden. Werden im Freigabebeschluss dann die Aktenzeichen der bekannten PfÜb zusammengefasst genannt oder wird der Freigabebeschluss "wie eine Bescheinigung" ohne Bezug zu den PfÜb-Aktenzeichen formuliert ?

    Wie wäre denn die Konstellation, wenn 904 V Antrag gestellt wird, alle bekannten Gläubiger werden gehört, Freigabe der Nachzahlung erfolgt, aber danach und vor Auszahlung der Nachzahlung eine weiter Kontopfändung eingeht. Wirkt der 904er Beschluss dann auch "kontobezogen" für diese Pfändung oder muss das komplette Verfahren wiederholt werden.

    Und: was ist mit Pfändung durch z.B. Finanzamt ? Zuständigkeit des Vollstreckungsgerichts ist für 904 V aber gegeben. Ist das formal überhaupt möglich, dass das Vollstreckungsgericht einen Beschluss erlässt, der Auswirkungen auf eine Pfändungsverfügung des Finanzamts hat ? Ähnlich müsste es ja bei den Verfahren nach § 907 ZPO sein ?

  • Kann jetzt nur für mich sprechen, aber wenn ich einen § 904er oder § 905er Beschluss mache, kommen in das Rubrum nur Schuldner und Drittschuldner. Diese Art der Beschlussfassung wähle ich schon damit niemand auf die Idee kommt, dass die Entscheidung nur die genannten Gläubiger betrifft und eventuell ungenannte nicht tangiert (für die ForumStar-Nutzer: Ich trage die bekannten Gläubiger als sonstige Beteiligte ein, dann tauchen die nicht im Rubrum auf). Die Entscheidung ergeht auch unter einem neuen Aktenzeichen und nicht in den alten PfüB Verfahren (geht ja auch gar nicht, da teilweise öffentlich rechtliche Pfändungen dabei sind). In ForumStar erfasse ich es als "sonstige Mobiliarvollstreckung".

    Da die Entscheidung gerade nicht pfändungsbezogen wirkt, hat der später hinzugekommene Gläubiger aus deinem Beispiel "Pech" gehabt, wurde nicht angehört und muss trotzdem mit den Folgen der Entscheidung leben. So etwas kann immer passieren. Man kann sich nur bemühen, die Anhörung nach bestem Wissen zu machen. Theoretisch kann auch während der Anhörung noch eine öffentlich rechtliche Pfändung hinzukommen, von der ich nichts mitbekomme.

    Aus eigener Erfahrung: Bei den § 904ern oder § 905ern ist immer ein öffentlicher Gläubiger dabei, meist eher die Stadtkasse als das Finanzamt, aber die werden auch angehört, reagieren meist etwas irritiert ("was soll ich Ihnen da jetzt schreiben?") und müssen die Entscheidung auch gegen sich wirken lassen. Ich kann keine pfändungsbezogenen Entscheidungen für fremde Pfändungen treffen, es kann aber durchaus sein, dass eine kontobezogene Entscheidung zufällig auch eine fremde Pfändung trifft. Der Vergleich mit § 907 ZPO / 850l ZPO a.F. passt da ganz gut, die Wirkungen sind im Grunde genommen gleich.

  • Muss gestehen, dass sowohl ich als auch sämtliche Kollegen hier bei Beschlüssen nach § 904 Abs. 5 ZPO "wie früher" vorgehen, sprich für jedes Verfahren einen Freistellungsbeschluss erlassen. Bei Pfändungen anderer Behörden lassen wir uns eine entsprechende Abschrift der Pfändungs- und Überweisungsverfügung vorlegen und legen eine entsprechende Ersatzakte an. Bisher hat die ortsansässige Bank auch immer zu jedem Verfahren einen Freigabebeschluss gefordert, wenn z.B. Rentennachzahlungen eingegangen sind.

    Nach nochmaligem Lesen von § 904 Abs. 5 ZPO dürfte es jedoch eindeutig sein, dass der Beschluss die Bescheinigung ersetzt und kontobezogen wirkt. Man lernt nie aus. :S Ich werde das demnächst mal im Kollegenkreis thematisieren.

  • Kann jetzt nur für mich sprechen, aber wenn ich einen § 904er oder § 905er Beschluss mache, kommen in das Rubrum nur Schuldner und Drittschuldner. Diese Art der Beschlussfassung wähle ich schon damit niemand auf die Idee kommt, dass die Entscheidung nur die genannten Gläubiger betrifft und eventuell ungenannte nicht tangiert

    ...sehr sinnvoll...das dürfte es manchen Drittschuldnern erleichtern

    ...sieht aber leider (noch) nicht jedes Vollstreckungsgericht so....

    Muss gestehen, dass sowohl ich als auch sämtliche Kollegen hier bei Beschlüssen nach § 904 Abs. 5 ZPO "wie früher" vorgehen, sprich für jedes Verfahren einen Freistellungsbeschluss erlassen. Bei Pfändungen anderer Behörden lassen wir uns eine entsprechende Abschrift der Pfändungs- und Überweisungsverfügung vorlegen und legen eine entsprechende Ersatzakte an. Bisher hat die ortsansässige Bank auch immer zu jedem Verfahren einen Freigabebeschluss gefordert, wenn z.B. Rentennachzahlungen eingegangen sind.

    Nach nochmaligem Lesen von § 904 Abs. 5 ZPO dürfte es jedoch eindeutig sein, dass der Beschluss die Bescheinigung ersetzt und kontobezogen wirkt. Man lernt nie aus. :S Ich werde das demnächst mal im Kollegenkreis thematisieren.

    ....na dann bin ich mal gespannt, ob sich das bei allen Gerichten so thematisieren lässt, dass es irgendwann Standard wird, die Beschlüsse "kontobezogen" als "Bescheinigung" zu fassen.....

    ...dürfte allerdings auch ne Zeit dauern, bis eine Bank, die gesonderte Freigabebeschlüsse gewohnt ist, dann mit nur noch einem Beschluss zufrieden sein wird...

    2 Mal editiert, zuletzt von 305er (13. Januar 2023 um 11:24)

  • Ist das formal überhaupt möglich, dass das Vollstreckungsgericht einen Beschluss erlässt, der Auswirkungen auf eine Pfändungsverfügung des Finanzamts hat ?

    Ja klar, §910 S. 2 ZPO schreibt es ja vor.

    Die zentralen Zuständigkeiten des §910 S. 2 ZPO werden wohl auch daher kommen, dass in diesen Fällen eine Entscheidung zu treffen ist die für und/oder gegen alle Gläubiger wirkt.

    Werden im Freigabebeschluss dann die Aktenzeichen der bekannten PfÜb zusammengefasst genannt oder wird der Freigabebeschluss "wie eine Bescheinigung" ohne Bezug zu den PfÜb-Aktenzeichen formuliert ?

    Ich habe in derartigen Fällen (so sie denn schon vorkamen; insb. zu §907 und §850k Abs. 4 ZPO) ausdrücklich in den Beschluss geschrieben, dass die Entscheidung für und/oder gegen alle Gläubiger wirkt.
    Das Weglassen eines Gläubigers im Rubrum klingt aber auch nach einer guten Idee.

  • Aber in welcher Akte bearbeitet ihr solche Anträge nach § 904 ZPO dann? Wird ein neuer Vorgang angelegt und die bisher laufenden Pfändungen werden als Beiakten dazu genommen?

    Ich lege jeweils ein neues Akteneichen an (in ForumStar passt nur "sonstige Mobiliarvollstreckung", ob es in Eureka usw. was besseres gibt, weiß ich nicht).

    Sofern möglich verlange ich vom Schuldner, dass er eine Pfändungsaufstellung der Bank beibringt (also eine Liste mit allen Kontopfändungen mit Gläubiger, Aktenzeichen und Verfahrensbevollmächtigten). Die trage ich dann im System ein.

    Die bisherigen Vollstreckungsakten beizuziehen nützt meiner Meinung nach wenig, da du nicht weißt, ob die Pfandrechte überhaupt noch bestehen. Zudem siehst du aus deinen Akten nur die normalen Pfändungen und keine öffentlich rechtlichen Vollstreckungen.

  • Sofern möglich verlange ich vom Schuldner, dass er eine Pfändungsaufstellung der Bank beibringt (also eine Liste mit allen Kontopfändungen mit Gläubiger, Aktenzeichen und Verfahrensbevollmächtigten).

    Aus den mir bekannten Pfändungsübersichten gehen aber meistens nicht die Gläubigervertreter, geschweige denn deren Adressen hervor.

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