unbeglaubigte handschriftliche Vorsorgevollmacht und Erbausschlagung

  • Guten Abend,

    folgender Fall:

    Für die demente Erbin soll die Erbschaft ausgeschlagen werden. Das örtlich zuständige AG der Erbin weigert sich die Erbausschlagungserklärung der Vorsorgebevollmächtigten aufzunehmen, weil die Vorsorgevollmacht nicht beglaubigt ist. Beim Notar ebenfalls erfolglos, es wurde nunmehr eine Betreuung beantragt. Das Betreuungsgericht teilt mit, dass die Entscheidung zur Anordnung der Betreuung länger als 6 Wochen in Anspruch nehmen wird. Und nun?

    Frage: Unterbricht die Dauer der Anordnung einer Betreuung den Fristablauf zur Erbausschlagung für die demente Erbin?

    Schönen Feierabend!

    D.

  • Sie kann vom Anfall der Erbschaft bei Demenz keine Kenntnis haben -> Frist läuft nicht.

    Betreuer ist nicht bestellt -> kein gesetzlicher Vertreter -> keine zurechenbare Kenntnis -> Frist läuft nicht.

    Richter weigert sich, § 1945 Abs. 3 BGB zur Kenntnis zu nehmen und ordnet keine Betreuung an -> da würde ich als Betroffener mal über § 339 StGB nachdenken, denn der Wortlaut des § 1945 Abs. 3 BGB ist eindeutig. Wer vertritt denn bitte, dass eine privatschriftliche Vollmacht ausreichend sei?!

    "Allen ist alles egal, außer der Handyvertrag" - Kraftklub

  • Krasser Stoff. Tom hat 100% Recht.

    Ich wusste nichtmal, dass es dazu eine Mindermeinung gibt. Die kann man wohl getrost dann auch als Falschmeinung bezeichnen.

    -------------------------:aktenEine wirklich gute Idee erkennt man daran, daß ihre Verwirklichung von vorn herein ausgeschlossen erschien. (Albert Einstein):gruebel: ------------------------------------

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  • sogar zur Beantragung eines Erbscheins mit eV! ausreichend sind

    Der kritische Punkt beim Erbscheinsantrag ist die e.V., richtig. Der Bevollmächtigte wird die e.V. jedoch im eigenen Namen abgeben und die e.V. des Antragstellers, der keine mehr abgeben kann, kann erlassen werden. Würde man eine Betreuung ausschließlich für das ES-Verfahren einrichten, würde sicherlich der ohnehin schon bevollmächtigte zum Betreuer bestellt, alternativ evtl. ein fremder Berufsbetreuer, der die Verhältnisse überhaupt nicht kennt. Erkenntnisgewinn für die e.V. läge logischerweise bei null. Das alles hat aber keinerlei Einfluss auf die Formvorschriften für Vollmachten im Ausschlagungsverfahren. Eine Vollmacht im Ausschlagungsverfahren bedarf der o.g. besonderen Form, eine Vollmacht für einen ES-Antrag nicht.

  • Krasser Stoff. Tom hat 100% Recht.

    Ich wusste nichtmal, dass es dazu eine Mindermeinung gibt. Die kann man wohl getrost dann auch als Falschmeinung bezeichnen.

    Dazu Hanseatisches OLG Bremen vom 14.09.2021 Az.: 5 W 27/21 (findet man in juris)

    Dort wird die Abgabe der eV im Erbscheinsverfahren durch einen formlosen Vorsorgebevollmächtigten bejaht. I

  • Krasser Stoff. Tom hat 100% Recht.

    Ich wusste nichtmal, dass es dazu eine Mindermeinung gibt. Die kann man wohl getrost dann auch als Falschmeinung bezeichnen.

    Dazu Hanseatisches OLG Bremen vom 14.09.2021 Az.: 5 W 27/21 (findet man in juris)

    Dort wird die Abgabe der eV im Erbscheinsverfahren durch einen formlosen Vorsorgebevollmächtigten bejaht. Ich bin / muss daher der Meinung sein, dass diese Vertretungsform auch für das "schwächere" Erbausschlagungsverfahren möglich ist.

    Auch wenn ich grundsätzlich anderer Meinung bin, was will ich machen? Selbst ich habe vom hiesigen Betreuungsrichter hier einen Beschluss bekommen, indem er genau diese (Minder)Meinung vertritt und die Einrichtung einer Betreuung für Nachlassangelegenheiten ablehnt.

    Mag ja sein dass das im Erbscheinsverfahren geht. Bei der Ausschlagung geht es nicht WEIL DAS SO AUSDRÜCKLICH IM GESETZ STEHT.

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  • Dazu Hanseatisches OLG Bremen vom 14.09.2021 Az.: 5 W 27/21 (findet man in juris)

    Dort wird die Abgabe der eV im Erbscheinsverfahren durch einen formlosen Vorsorgebevollmächtigten bejaht. Ich bin / muss daher der Meinung sein, dass diese Vertretungsform auch für das "schwächere" Erbausschlagungsverfahren möglich ist.

    Und weil wir gerade dabei sind:

    wo die Vorstellung herkommt, das Erbausschlagungsverfahren sei schwächer, würde mich auch mal interessieren. Die Ausschalgung ändert den Status - vorher ist jemand Erbe, danch nicht mehr. Beim Erbscheinsverfahren wird nur ein schon bestehender Status bezeugt (und dieses Zeugnis erwächst nicht mal in Rechtskraft - bei nachträglich festgestellter Unrichtigkeit kann es auch nach Jahrzehnten wieder eingezogen werden). Der Unterschied ist nur, dass man bestimmte Tatsachen an Eides Statt versichern muss, aber die strafrechtlichen Folgen der falschen e.V. treffen den, der sie abgibt, nicht den Vertretenen. Bei der Ausschlagung treffen die Rechtsfolgen der Erklärung unmittelbar den Vertretenen.

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  • Mir fehlen wirklich die Worte.

    Das zwingende Formerfordernis bezüglich der Ausschlagungsvollmacht ergibt sich unmittelbar aus dem Gesetz (§ 1945 Abs. 3 S. 1 BGB).

    Gesetzliche Ausnahmen hiervon gibt es nicht.

    Es gibt auch die besagte Mindermeinung nicht, sondern das Ganze ist eine - noch dazu in Beschlussform gekleidete - Schnapsidee des Betreuungsrichters, die augenscheinlich auf dem Fehlen profanen erbrechtlichen Grundwissens beruht.

    Manche Leute sollten sich nach einem anderen Betätigungsfeld umsehen (wo sie nichts oder nur wenig anrichten können), anstatt allgemein lästig zu fallen. Jeder blamiert sich eben, so gut er kann.

  • Das ist eine gute Frage. Sofern man sie bejaht müsste man dann natürlich sagen, dass es aktuell keine Person gibt, die eine formgerechte Vollmacht erteilen könnte. Allenfalls könnte der Bevollmächtigte eine Anregung auf Einrichtung einer Betreuung einreichen. Ab Eingang der Anregung könnte man vermutlich mit Fristhemmung wegen höherer Gewalt, §206 BGB, argumentieren.

    Was jedoch, wenn der Bevollmächtigte nichts macht.

  • Es kann doch nicht sein, dass es für den Fristbeginn auf die Kenntniserlangung eines Vertreters ankommt, der rechtlich nicht in der Lage ist, die Frist zu wahren.

    So auch Heinemann in: BeckOGK, 15.12.2022, BGB § 1944 Rn. 61

    Ja, das ist vernünftig. Wenn er nicht formgerecht für diesen Teilaspekt bevollmächtigt ist, hat er insofern keine Vollmacht und seine Kenntnis spielt keine Rolle.

  • Naja, die Erbschaftsannahme ist ja zum Beispiel nicht formbedürftig. Mit der vorstehenden Argumentation ließe sich die Erbausschlagungsfrist künstlich extrem verlängern, indem keine Betreuung beantragt wird. Die Erbausschlagungsfrist soll aber schnell Rechtssicherheit schaffen. Zudem ist eine Erbausschlagung nicht unbedingt nötig, da die Erbenhaftung auf den Nachlass begrenzt werden kann.

  • Das ist eben so. Ich vertrete auch die Auffassung, dass der Lauf der Ausschlagungsfrist solange gehemmt ist, bis zumindest der Vertreter wirksam ausschlagen könnte.

    Wo wollen wir sonst die Grenze ziehen? Was, wenn der Vertreter sich nicht auf eine privatschriftliche sondern mündliche Vollmacht beruft? Die ist ja genauso unnütz für die Erbausschlagung wie die privatschriftliche Vollmacht. Die Zurechnung der Kenntnis bedarf meines Erachtens darüber hinaus sogar noch des Entgegennahmewillens des Bevollmächtigten für diese Kenntnis. Wenn der Bevollmächtigte nicht weiß, dass er in Vollmacht für den Erben diese Kenntnis erlangt, läuft m.E. auch keine Frist.

    Anders gesagt: Solange auch für die Entgegennahme der Kenntnis über das Erbrecht nicht aktiv von der Vollmacht Gebrauch gemacht wird, kann dem Vollmachtgeber die Kenntnis des Bevollmächtigten nicht zugerechnet werden.

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    Einmal editiert, zuletzt von TL (1. Juni 2023 um 09:19)

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