Beratungshilfeschein erteilen? Kundschaft sehr aggressiv

  • Hallo!

    Mich quält ein Beratungshilfegesuch von einem sehr unangenehmen Herren, der sich heute noch dazu als ziemlich aggressiv erwiesen hat. Meine Kollegin musste sogar Angst haben, dass ihr der Typ ein Ohrfeige verpasst. Ja, ja- so geht es uns hier im Übrigen öfters...

    Also, der Herr hat im Dezember 2004 (!!!) bei seiner Bank einen Scheck seines früheren Arbeitgebers eingelöst. Zwei Tage später hat er das Geld vollständig abgehoben und verbraucht. Auf dem Kontoauszug ist bei der ersten Buchung des Geldes - wie üblich - vermerkt "Eingang vorbehalten". Er sagt nun, dass der Scheck nicht gedeckt gewesen sei. Belegen kann er das nicht. Aktuell schreibt ihn eine Rechtsanwaltskanzlei im Auftrag der Bank an und verlangt Bezahlung einer Forderung, die mit dem Betrag des Schecks nicht übereinstimmt. Ursache für die offene Forderung sei der ungedeckte Scheck aus dem Jahr 2004. Auch das geht aus den Unterlagen nicht hervor. Mündlich habe ich dem Herren schon gesagt, dass ich nicht beabsichtige ihm einen Schein zu erteilen. Für mich sieht es so aus, dass er - aus welchen Gründen auch immer - sein Konto bei der Bank überzogen und diese daraufhin die Geschäftsverbindung mit ihm gekündigt hat. Er hatte auch eine Gegenleistung - nämlich das ausgezahlte Geld. Er kann nun nicht auf Kosten des Staates die Klärung seiner Finanzen verlangen. Er will übrigens einen Schein für eine Beratung, um gegen die Bank vorzugehen. Diese habe ihm ja das Geld gegeben ohne zu prüfen, ob der Scheck gedeckt ist... Was meint Ihr dazu? Ich beabsichtigte den Antrag im Rahmen der Mutwilligkeitsprüfung abzulehnen. Oder steige ich zu sehr in die Thematik ein, was ich ja nach dem Beratungshilfegsetz eigentlich nicht darf.
    Ich hätte im Übrigen keine Bedenken einen Schein zu erteilen, wenn er gegen den früheren Arbeitgeber wegen des geplatzen Schecks vorgehen will. Aber so...

    Meine Kollegin und ich haben übrigens mit unserer Kundschaft enorme Probleme. Ich bin nun seit sechs Monaten auf der Rechtsantragstelle und musste mir schon Sachen anhören... Das mag auch an der Region liegen: Hohe Arbeitslosigkeit, hoher Ausländeranteil. Aber es ist manchmal wirklich zum Verzweifeln. Leider sind wir beide noch von der jüngeren Sorte und werden noch dazu als Frauen nicht wirklich ernst genommen. Und an Selbstbewusstsein fehlt es uns nicht!!!!!

    Beratungshilfe nimmt sehr viel Zeit in Anspruch und wird seitens der Bürger und auch diverser RAe wegen jedem Sch... beantragt. Der Umgangston ist auch seitens der Rechtsanwälte richtig übel. Das kenne ich von meinen früheren Stationen beim Landgericht und Verwaltungsgericht überhaupt nicht. Beim Amtsgericht scheint man doch öfters mit einem Fußabtreter verwechselt zu werden, was für uns oftmals nur schwer verdaulich ist.

    Zum Glück habe ich meine tolle Kollegin ohne die ich hier schon untergegangen wäre! Grüße an K.!

    Also, ich wäre dankbar für jeden Rat. Der Typ steht mit Sicherheit wieder auf der Matte. Nach der heutigen Situation muss ich ernsthaft mit was rechnen, wenn ich den Schein ablehne. Die Begründung muss also mehr als gut und überzeugend sein...

  • Christiane, ich finde es traurig, dass die Bürger und Anwälte :eek: versuchen, so mit Euch umzuspringen. Getreu dem Motto: "Was uns nicht umbringt, macht uns stark" würde ich aber keinen Deut nachgeben und schon gar nicht, Beratungshilfe nur deshalb gewähren, weil die Leute agressiv sind. Mit der Zeit wird es besser, ich weiß, wovon ich rede. Deshalb Kopf hoch.

    "Für das Universum ist die Menschheit nur ein durchlaufender Posten."

  • Christiane, ich finde es traurig, dass die Bürger und Anwälte :eek: versuchen, so mit Euch umzuspringen. Getreu dem Motto: "Was uns nicht umbringt, macht uns stark" würde ich aber keinen Deut nachgeben und schon gar nicht, Beratungshilfe nur deshalb gewähren, weil die Leute agressiv sind. Mit der Zeit wird es besser, ich weiß, wovon ich rede. Deshalb Kopf hoch.




    Das hätte jetzt auch von mir sein können :)

  • Ich stimme zu, man sollte die Aggressivität des ASt. nicht zur Grundlage der Entscheidung machen (was sich natürlich leicht sagt, wenn man weit entfernt in Sicherheit sitzt).
    Was ist denn mit Deinem Vorgänger? Hatte der auch solche Probleme? Oder hat er keine Anträge zurückgewiesen?

  • In solchen Fällen nehme ich den Antrag auf und sage, dass die Entscheidung schriftlich ergeht und in den nächsten Tagen zugestellt wird.
    Es steht nirgends, dass Du unmittelbar auf der RaSt. entscheiden musst.

    Du hast Zeit und Ruhe, genau zu formulieren und stehst nicht unter Druck!
    Und wenn der wiederkommt:
    Pech, RM gegen die eigene Entscheidung darf ich nicht aufnehmen, wenden Sie sich vertrauensvoll an meinen Kollegen! :teufel:

  • Tut mir auch sehr leid, mit was Du da zu kämpfen hast...
    In der Sache selbst:
    Wenn der Herr so aggressiv ist, würde ich, sobald er den Kopf zur Tür reinsteckt, ihn wieder hinausbitten und sagen, dass er gleich dran ist. Dann einen Kollegen (wenn körperliche Übergriffe erwartet werden, besser männlich, aber hauptsache 2. Person, wahlweise Wachtmeister vor der Tür positionieren und/oder Tür auflassen) hinzubitten, kann man ja schon vorher jemanden fragen (bzw. das würde ich bei so einer Abteilung grundsätzlich mal besprechen, wer kurzfristig als Hilfe zur Verfügung steht).
    Dann Antrag aufnehmen und ihm sagen, dass Du schriftlich entscheiden wirst und er sich die Entscheidung später abholen kann. Besteht er auf sofortige Entscheidung, trotzdem schriftlich abfassen!
    Ja nicht provozieren lassen! wenn er sich dann gegen den Beschluss wehren möchte, nach dem gleichen Prinzip wie eben (2. Person dabei) Erinnerung aufnehmen und dann bist Du ihn hoffentlich los.

    Zur 2. Person: Habe ich mit Kollegen schon ein-,zweimal gemacht. Hilft, um Deine Angst loszuwerden und schon allein die Anwesenheit lässt das Publikum auch ruhiger werden. Wenn gefragt wird, warum, kannst Du ja entweder die Wahrheit sagen, dass Du angesichts seines Auftretens jemanden dazugeholt hast oder einfach lügen, zu Weiterbildungszwecken oder der Kollege ist neu im Dezernat oder oder...

    Das alles kann man allerdings nur im Ausnahmefall veranstalten, in der Regel kann man ja nicht zu zweit dasitzen!

    Ansonsten kann ich Euch nur Mut zusprechen... Sch**tage hat jeder mal, aber wenn das zur Dauersituation bei Euch wird... Gerade wenn es Euch sonst nicht an Selbstbewusstsein mangelt, muss das ja echt heftig sein bei Euch. Aber irgendwann wird man sicherer und findet den richtigen Weg, sich nicht alles gefallen zu lassen.:(
    Frag mal ansonsten rum, ob nicht Seminare angeboten werden zum Thema schwieriges Publikum oder sowas - hatte ich mal und war ganz gut. Im Notfall kann man auch privat einen Kurs machen für sicheres Auftreten - mit der Kollegin zusammen macht das vielleicht sogar Spass, denn in so einer Abteilung muss man zusammenhalten, sonst ist man verloren!

    Wir taumeln durch die Straßen, so als wären wir jung und schön.


  • Ich hätte im Übrigen keine Bedenken einen Schein zu erteilen, wenn er gegen den früheren Arbeitgeber wegen des geplatzen Schecks vorgehen will. Aber so...

    Meine Kollegin und ich haben übrigens mit unserer Kundschaft enorme Probleme. Ich bin nun seit sechs Monaten auf der Rechtsantragstelle



    Das würde ich an Deiner Stelle tun. Beim geplatzten Scheck liegt doch die Ursache des ganzen Problems. Damit dies erkannt werden kann, liegt doch die Beratungshilfe beim Amtsgericht und dort beim Rechtspfleger. Sonst könnte doch das Sozialamt solche Scheine ausstellen :oops: Zumindest haben die ein Personal, das die Eigenarten des Umgangs mit dieser Klientel gewohnt ist...;)
    Aber das allgemeine Problem mit Eurer Kundschaft ist bis heute nicht gelöst. Diejenigen, die die Beratungshilfe konzipiert haben und damit das Sozialstaatsgebot des Grundgesetzes erfüllen wollten, haben leider - wahrscheinlich aus Weltfremdheit - nicht bedacht, dass nicht nur wirklich Hilfsbedürftige, im übrigen aber ordentliche Bürger, sondern auch allerhand Querulanten und Rabauken mit schlechten Manieren die Gerichte frequentieren und haben es deshalb versäumt, Maßnahmen zum Schutze der betroffenen Bediensteten zu entwickeln und umzusetzen :(
    Auf jeden Fall sollten für Euch Seminare zum Theman "Umgang mit schwierigem Publikum" angeboten werden, auch sollte man eine gewisse Personalfluktuation einführen, damit niemand zum "Buhmann" abgestempelt werden kann.
    Schließlich noch ein Rat : lasst Euch nicht folgenlos beleidigen ! Euer Dienstvorgesetzter - Direktor oder Präsident des Gerichts - ist verpflichtet, Strafantrag gem. § 194 Abs. 3 StGB zu stellen, wenn "seine" Beschäftigten in Ausübung ihres Dienstes beleidigt werden. Dazu gibt es die Nr. 232 der RiStBV - nachzulesen auf der Website des BMJ - nach der in diesem Fall von der StA das öffentliche Interesse an der Strafverfolgung anzunehmen ist :oops:

    Einmal editiert, zuletzt von Jakintzale (24. Juni 2009 um 18:43) aus folgendem Grund: Schreibfehler

  • Zur menschlichen Seite: Es gibt überall Ar***löcher. Das gilt auch für meinen Berufsstand.

    In der Sache selbst ist das alles so wirr, dass ich dem schreiben würde, dass auf eine reine Verbalbehauptung hin keine Beratungshilfe erteilt wird. Keinerlei Unterlagen decken seinen Vortrag.

    Übrigens habe ich, passend hierzu, selbst eine Frage:

    Da jeder RA alle 10 bis 15 Jahre mal drankommt: in ein paar Monaten muss ich für die Anwaltskammer 1 Tag lang Beratungshilfe machen. Darf ich da auch hergehen und sagen: die Entscheidung ergeht schriftlich?

  • Da jeder RA alle 10 bis 15 Jahre mal drankommt: in ein paar Monaten muss ich für die Anwaltskammer 1 Tag lang Beratungshilfe machen. Darf ich da auch hergehen und sagen: die Entscheidung ergeht schriftlich?



    Kann man bei dieser "Frequenz" überhaupt ein Know-how für die Beratungshilfe-Klientel erwerben ? :gruebel:
    Da scheint mir das Modell einer ÖRA, das hier bei mir in Hamburg praktiziert wird, erheblich besser :daumenrau. Die ÖRA hat einen Stamm von ehrenamtlich tätigen Beratern - Richter und Rechtsanwälte in ihrer Freizeit - die regelmäßig die Sprechstunden der ÖRA abhalten.


  • Da jeder RA alle 10 bis 15 Jahre mal drankommt: in ein paar Monaten muss ich für die Anwaltskammer 1 Tag lang Beratungshilfe machen. Darf ich da auch hergehen und sagen: die Entscheidung ergeht schriftlich?

    Ich würd's tun:
    Sonst gibts wieder seitenlange Beschwerdebriefe von Star-Anwälten, weil ich in der Hektik der RASt. und einer 5-Minuten-Einzelfall-Entscheidung wieder eine Klitzekleinigkeit übersehen habe! :mad:
    Ich bin ja lernfähig: Die Entscheidung ergeht schriftlich!

    Im übrigen gehe ich nach der Maxime vor:
    Wie man in meinen Wald hineinruft, so schallt es wieder raus!

  • [...es deshalb versäumt, Maßnahmen zum Schutze der betroffenen Bediensteten zu entwickeln und umzusetzen :(
    Auf jeden Fall sollten für Euch Seminare zum Theman 'Umgang mit schwierigem Publikum' angeboten werden, auch sollte man eine gewisse Personalfluktuation einführen, damit niemand zum 'Buhmann' abgestempelt werden kann.
    Schließlich noch ein Rat : lasst Euch nicht folgenlos beleidigen ! Euer Dienstvorgesetzter - Direktor oder Präsident des Gerichts - ist verpflichtet, Strafantrag gem. § 194 Abs. 3 StGB zu stellen, wenn "seine" Beschäftigten in Ausübung ihres Dienstes beleidigt werden. Dazu gibt es die Nr. 232 der RiStBV - nachzulesen auf der Website des BMJ - nach der in diesem Fall von der StA das öffentliche Interesse an der Strafverfolgen anzunehmen ist :oops:


    Und wenn euer Direktor/eure Direktorin da nicht zu euch steht und das denen egal ist, gäbe es bei mir nur eins:

    ---> an jeden, der komisch kommt, ungesehen einen Schein rausreichen. Die Zeit von 8 bis 16 Uhr geht auch so vorbei. Ich würde mich nicht zu Scheiße ärgern und mich anmachen lassen bzw. sogar Angriffe riskieren, wenn ich keine Unterstützung bekomme. Wenn mal was passiert, dankt es einem auch keiner. Womöglich wird man noch mit Maximalabschlägen in die Frühpension geschickt.

    ... denn in Gottes Auftrag handeln jene, die Steuern einzuziehen haben. Römer 13,6

  • @ Exec:

    Finde ich keine gute Idee, denn wenn sich rumspricht, dass man für einen Gutschein nur entsprechend auftreten muss, wird das Problem nur größer. Denn dann spielen auch die jetzt noch friedlichen Bürger "putzige Lust" (wie man bei uns zu Hause sagt).

    "Für das Universum ist die Menschheit nur ein durchlaufender Posten."

  • @ Exec:

    Finde ich keine gute Idee, denn wenn sich rumspricht, dass man für einen Gutschein nur entsprechend auftreten muss, wird das Problem nur größer. Denn dann spielen auch die jetzt noch friedlichen Bürger "putzige Lust" (wie man bei uns zu Hause sagt).

    Kriegt halt jeder einen Schein. :wayne: Du würdest deinen Hals riskieren, wenn du alleine da stehst und wenn ja, wofür?

    ... denn in Gottes Auftrag handeln jene, die Steuern einzuziehen haben. Römer 13,6

  • @ Exec:

    Finde ich keine gute Idee, denn wenn sich rumspricht, dass man für einen Gutschein nur entsprechend auftreten muss, wird das Problem nur größer. Denn dann spielen auch die jetzt noch friedlichen Bürger "putzige Lust" (wie man bei uns zu Hause sagt).



    Kriegt halt jeder einen Schein. :wayne: Du würdest deinen Hals riskieren, wenn du alleine da stehst und wenn ja, wofür?



    Hast schon Recht.

    "Für das Universum ist die Menschheit nur ein durchlaufender Posten."

  • @ Exec:

    Finde ich keine gute Idee, denn wenn sich rumspricht, dass man für einen Gutschein nur entsprechend auftreten muss, wird das Problem nur größer. Denn dann spielen auch die jetzt noch friedlichen Bürger "putzige Lust" (wie man bei uns zu Hause sagt).

    Kriegt halt jeder einen Schein. :wayne: Du würdest deinen Hals riskieren, wenn du alleine da stehst und wenn ja, wofür?

    Naja, als 20jähriges Mädchen, ok!
    Bei mir und meinem Kollegen wird das eher selten vorkommen!
    Eher gar nicht!
    :eek: :wechlach:

  • Zuerst würde ich den Sachverhalt der Verwaltung mitteilen. ( Wie war er aggressiv, was hat er gesagt, gedroht usw.)
    Das ist deshalb schon mal wichtig, damit man ggf. einschreiten kann. ( Ich kenne auch Schuldner, die Hausverbote haben)

    Ich weiß, dass es auch Schulungen diesbezüglich gibt, kommt auf das Bundesland an.

    In der Sache selbst würde ich den Antrag aufnehmen und ihm mitteilen, dass er -nach Prüfung- eine Entscheidung bekommt.

    Wie Du Dich entscheidest ist eh egal. Lehnst Du ab, gibt es vielleicht eine Beschwerde, gibst Du ihm einen Schein ist es auch irgendwie blöd.

    Wie sieht es eigentlich mit Verjährung aus (2004)?

    Ich weiß, dass es auch Schulungen diesbezüglich gibt, kommt auf das Bundesland an.


  • Demenz?! ;)

    Nds. bietet Schulungen zum Umgang mit Publikum an.

    Ich mache keine Fehler ... ich erschaffe kleine Katastrophen.

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