Fristwahrung bei Einlegung des Rechtsmittels beim sachlich unzuständigen Gericht

  • Der Insolvenzschuldner hat gegen einen Beschluss, durch den ich den Antrag auf Freigabe eines Geldbetrages zurückgewiesen habe, Klage zum Verwaltungsgericht erhoben. Das Verwaltungsgericht hat das Verfahren durch Beschluss an das Landgericht verwiesen. Das Landgericht hat mir jetzt die Akte formlos durch Verfügung des Kammervorsitzenden zwecks Abhilfeprüfung übersandt.

    Nach hiesiger Praxis ist Gegenstand der Abhilfeprüfung auch die Zulässigkeit der sofortigen Beschwerde.

    Wie wirkt sich dieser Ablauf auf die Frage der Einhaltung der Beschwerdefrist aus? Ich habe mir § 17b Abs. 1 GVG zu Gemüte geführt, bin aber nicht schlauer geworden. :gruebel:

  • Nach hiesiger Praxis ist Gegenstand der Abhilfeprüfung auch die Zulässigkeit der sofortigen Beschwerde.

    Das Ausgangsgericht prüft nur die Begründetheit der Beschwerde, nicht die Zulässigkeit, § 572 Abs. 1 ZPO. Das Gericht hat auch einer unzulässigen, aber begründeten Beschwerde abzuhelfen, da in der sofortigen Beschwerde jedenfalls auch eine Gegenvorstellung liegt (Musielak-Ball § 572 ZPO Rn. 2-4).

    Die Zulässigkeit wird lediglich vom Beschwerdegericht geprüft, § 572 Abs. 2 ZPO.

    Gruß
    Peter

  • Ich habe den in #2 zitierten Hinweis extra angebracht, da die Dinge hier in diesem Punkt anders gesehen werden. ;)

    Hier auch :daumenrau.
    Aber diesen Strauß habe ich mit FdS an anderer Stelle mal ausgefochten ( ich meine, es wäre im PKH-Forum gewesen )

  • War wohl das, hilft aber in der Ausgangsfrage nicht weiter. Da bin ich leider auch überfragt.

    Beginne den Tag mit einem Lächeln. Dann hast Du es hinter Dir. (Nico Semsrott)

    "Das Beste an der DDR war der Traum, den wir von ihr hatten." Herrmann Kant in einem Fernsehinterview

  • Was spricht gegen den Zeitpunkt der Rechtskraft des Verweisungsbeschlusses des Verwaltungsgerichts?

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  • Danke für die Fundstelle.

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  • Ich hänge mich mal dran, weil ich da seit geraumer Zeit drüber grübel: Wie FdS ja oben ausführt, helfe ich einer unzulässigen, aber begründeten Beschwerde ab.

    Das würde bei mir dazu führen, dass ich einer verspäteten, aber begründeten PKH-Beschwerde abhelfen müsste. Warum stell ich dann eigentlich noch zu ? Oder erachte ich die aus welchen Gründen auch immer für unbegründet, damit dat Rechtsmittelgericht die als unzulässig zurückweisen kann ? Ist doch irgendwie unlogisch dat ganze..

  • Sobald das Rechtsmittel unzulässig ist, dürfte es unstatthaft sein ihm abzuhelfen. Damit könnte man ja ständig die Rechtskraft durchbrechen.

    Sinn und Zweck der Prüfung durch das Beschwerdegericht dürfte sein, dass niemand auf die Idee kommt, dass Rechtsmittel von sich aus als unzulässig zurückzuweisen.

    Ob man jetzt unter Bezugnahme auf die Unzulässigkeit nicht abhilft oder das Rechtsmittel mit einem entsprechenden Vermerk an das Beschwerdegericht weiterleitet, dürfte sich nichts nehmen.

  • Btw. Die Abhilfepflicht/-befugnis des Ausgangsgerichts für unzulässige (verfristete) Beschwerden gilt nur bei nicht der materiellen RK fähigen Entscheidungen, z.B. PKH-aufhebung. Alles was mat. rechtskräftig werden kann, z.B. KfB (103ZPO) darf bei Unzulässigkeit erstinst. nicht abgeändert werden.

    Es ist immer besser, die Figuren des Gegners zu opfern.

    Savielly Tartakover

  • Würde mich auch interessieren. Ich habe es bisher wie DHT gemacht und wollte daran auch eigentlich festhalten, aber der Gesetzeswortlaut ist wohl gegen mich..:confused:

  • Nach der Ne bis in idem-Lehre entfaltet die mat. RK Bindungswirkung, wonach über den Streitgegenstand auch bei Beschlüssen, nicht abermals entschieden werden kann, dies ist negative Prozessvorauss. und in jeder Lage des Verfahrens zu beachten. Zwar verweist § 567 I 2 nur auf § 318, also Zwischen -und Endurteile, dies muss aber auch für die ansonsten geltende Bindungswirkung anwendbar sein, vgl. LAG RP, 1 Ta 139/09, "... Eine Abhilfeentscheidung des Erstgerichts entfällt nur, wenn es aus rechtlichen Gründen eine angefochtene Entscheidung nicht mehr abändern darf, z. B. bei einem unzulässigen Eingriff in die materielle Rechtskraft einer gerichtlichen Entscheidung (vgl. dazu Schwab/Weth/Schwab, a.a.O., Rdnr. 110)....".


    Ich hab nochmal kurz die Begründung (BT-Drucks. 14/4722 S. 114) gelesen und kann nur den Kopf schütteln, dem Gesetzgeber war diese, nach dem Wortlaut des Gesetzestextes offensichtliche Folge nicht einmal ansatzweise bewusst. Vor allem steht diese dem selbst gesetzten Ziel entgegen. S. 68 "... Die einfachen Beschwerden,
    die bereits nach geltendem Recht in der Minderzahl
    sind, ziehen das Verfahren unangemessen in die Länge
    und lassen die Verfahrensbeteiligten hinsichtlich der Endgültigkeit
    der gerichtlichen Entscheidung im Ungewissen. Dieser
    Zustand gefährdet die Rechtssicherheit...", daher generelle Befristung wird geschaffen !

    Und nun wird die eben erst gesetzte Frist wieder völlig ausgehebelt und das schafft Rechtssicherheit. :eek:

    Liest man genau, wird klar, dass der Gesetzgeber nur die Abhilfe trotz Befristung überhaupt einräumen wollte, diese war früher generell ausgeschlossen und daher !, d.h. keine Abhilfe trotz Zulässigkeit und Begründetheit, die RM-gerichte unnötig belastet. Mit keinem Wort wird erörtert, dass das Ausgangsgericht trotz Unzulässigkeit wegen Fristversäumnis ! u.ä. abhelfen sollte/ müsste. Dem Gericht sollte eine einfache Möglichkeit gegeben werden, eine Selbstkorrektur vornehmen zu können, z.B. wegen Verstoß rechtl. Gehör etc., aber nicht, den Verfahrensgegenstand bis ultimo in der Schwebe zu lassen. Für mich ein klares Versehen bei der Formulierung, vgl. S. 69, 114.

    Es ist immer besser, die Figuren des Gegners zu opfern.

    Savielly Tartakover

  • Hallo,

    dass Entscheidungen, die der materiellen Rechtskraft fähig sind, nach Ablauf der Beschwerdefrist nicht mehr abgeändert werden können, ist klar. Die von Störtebeker angesprochenen Prozesskostenhilfebeschlüsse sind jedoch nicht der mat. Rechtskraft fähig (BGH MDR 2004, 961 m.w.N.).

    Der Meinung von wobder kann ich nicht folgen. Der Wortlaut von § 572 Abs. 1 ZPO ist eindeutig. Gesetzesauslegung findet seine Grenze bekanntlich bei dem Wortlaut der Norm. Dies gilt hier umso mehr, da der Gesetzgeber im Gesetzestext explizit zwischen "Zulässigkeit" und "Begründetheit" differenziert hat.

    Zitat

    Und nun wird die eben erst gesetzte Frist wieder völlig ausgehebelt und das schafft Rechtssicherheit. :eek:

    Man braucht eben bei Prozesskostenhilfeentscheidungen keine so strenge Rechtssicherheit. Insbesondere gibt es keinen verfahrensrechtlichen Gegner, den man vor einer unklaren Rechtslage schützen müsste. Gerade aus diesen Grund sind PKH- Entscheidungen ja auch nicht der materiellen Rechtskraft fähig (vgl. BGH MDR 2004, 961)!

    Wie vom Beschwerdegericht richtigerweise vorzugehen ist, wenn der Rechtspfleger aufgrund Unzulässigkeit der Beschwerde nicht abhilft, zeigt die Entscheidung des LAG Rheinland-Pfalz vom 19.04.2010 - 1 Ta 65/10:

    "1. Auf die sofortige Beschwerde der Beschwerdeführerin wird die Vorlageverfügung des Arbeitsgerichts Trier vom 19.03.2010 -Az 4 Ca 1467/07- aufgehoben.

    2. Das Verfahren wird an das Arbeitsgericht Trier zur erneuten Entscheidung über eine Abhilfe der Beschwerde zurückverwiesen.

    Aus den Gründen:
    Die Beschwerde der Beschwerdeführerin ist gem. § 127 Abs. 2 S. 2 ZPO statthaft, aber verfristet, da die Beschwerdeführerin die gem. § 127 Abs. 2 S. 3 ZPO i.V.m. § 569 Abs. 1 S. 1 und 2 ZPO geltende Notfrist von einem Monat ab Zustellung der Entscheidung an ihren Prozessbevollmächtigten nicht eingehalten hat.

    Allerdings durfte der Rechtspfleger seine Nichtabhilfeentscheidung nicht auf die im Rahmen der Zulässigkeit der Beschwerde zu prüfende Verfristung der sofortigen Beschwerde und damit auch nicht auf die diese heilende ausstehende Entscheidung über eine Wiedereinsetzung in den vorherigen Stand stützen. Nach dem Wortlaut des § 572 Abs. 1 Halbsatz 1 ZPO hat das Gericht, dessen Entscheidung angefochten wird, der Beschwerde abzuhelfen, soweit es sie für begründet hält (vgl. Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz, Beschl. v. 16.07.2009 - 1 Ta 139/09; Zöller/Heßler, ZPO, 28. Aufl. § 572, Rn. 14; Baumbach/Hartmann, ZPO, 65. Aufl., § 572, Rn. 4). Denn ein als sofortige Beschwerde bezeichnetes Rechtsmittel ist jedenfalls als eine Art form - und fristfreie Gegenvorstellung anzusehen, so dass auch bei Unzulässigkeit einer Beschwerde nach § 569 ZPO eine Verpflichtung des Arbeitsgerichts besteht, seine Entscheidung in dem Maße abzuändern, in dem es die Beschwerde bzw. die Gegenvorstellung für inhaltlich gerechtfertigt hält. Diese Abhilfemöglichkeit verkürzt das Verfahren, dient der Selbstkontrolle des Arbeitsgerichts und erspart dem Betroffenen den Gang zum Beschwerdegericht. Mit einer Abhilfeentscheidung erledigt sich die sofortige Beschwerde im Umfange der Abhilfe und fällt insoweit nicht beim Beschwerdegericht an. Eine solche Abhilfemöglichkeit entfällt nur, wenn das Arbeitsgericht aus rechtlichen Gründen die angefochtene Entscheidung nicht mehr abändern darf, insbesondere bei einem unzulässigen Eingriff in eine eingetretene materielle Rechtskraft. Dann hat das Arbeitsgericht ohne Prüfung der Begründetheit der Beschwerde nicht abzuhelfen und sie dem Beschwerdegericht vorzulegen.

    Mit der ausschließlich zu prüfenden Begründetheit der eingelegten Beschwerde setzt sich der Nichtabhilfe"-Vermerk" des Rechtspflegers indes nicht auseinander. Hierzu bestand jedoch aufgrund der in der Beschwerdebegründung enthaltenen Erklärung i. S. d. § 120 Abs. 4 S. 2 ZPO Anlass. Nach der ständigen Rechtsprechung der Kammer muss im Bereich der Aufhebung einer Prozesskostenhilfeentscheidung neues Vorbringen, das in der Beschwerdeschrift enthalten ist, berücksichtigt werden. Gibt der Rechtspfleger dem in der Gegenvorstellung enthaltenen Begehren statt, erübrigt sich eine Entscheidung über den Wiedereinsetzungsantrag. Insofern unterscheidet sich die vorliegende prozessuale Situation nicht von einem verfristeten Rechtsmittel ohne Wiedereinsetzungsantrag.

    Die Vorlageverfügung des Arbeitsgerichtes waren somit aufzuheben."

    Zitat

    s.a. Lipp, NJW 2002, 1700, insbesondere der letzte Absatz

    Lipp stimmt in dem zitierten Aufsatz mit meiner Meinung überein: Wenn die Entscheidung bindend geworden ist (materielle Rechtskraft) darf nicht mehr abgeholfen werden, es findet nur noch der Rechtsbehelf der Gehörsrüge statt. Bei nicht der materiellen Rechtskraft fähigen Entscheidungen kann auch nach Ablauf der Beschwerdefrist abgeholfen werden: Es gibt hier keinen schützenswerten Gegner.


    Gruß
    Peter

  • Wie vom Beschwerdegericht richtigerweise vorzugehen ist, wenn der Rechtspfleger aufgrund Unzulässigkeit der Beschwerde nicht abhilft, zeigt die Entscheidung des LAG Rheinland-Pfalz vom 19.04.2010 ...

    Das Vorgehen des Beschwerdegerichts in diesem Fall dokumentiert nicht eine richtige Vorgehensweise, sondern allenfalls die eigene Entscheidungsfaulheit.

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