Keine ordnungsgemäß Geburtsurkunde vorhanden

  • Ich habe einen sehr komplizierten Nachlassfall:

    Im Jahre 1951 wurde auf Anordnung der Landesregierung beim Standesamt folgendes eingetragen:

    "Für den im Jahr 1945 als Flüchling nach .... beschlagenen Knaben wird als Geburtsort ..... (Ostpreußen) und als Geburtstag .... bestimmt. Der Name wird festgesetzt auf ... "

    Die dazu gehörigen Akten sind leider vernichtet.

    Die Geschichte ist folgende, dass im Jahr 1945 zwei Kinder im Alter von 4 und 6 Jahren hier ohne Eltern angekommen sind.

    Jetzt mein Nachlassfall: Verstorben ist einer der Brüder - unverheiratet und kinderlos. Die Eltern sind unbekannt und im Krieg verstorben. Er soll nur diesen einen Bruder gehabt haben, welcher auch bereits verstorben ist. Dieser Bruder hatte nur einen Sohn - meinen Antragsteller.

    Ich habe jetzt leider keinen urkundlichen Nachweis, dass es sich um Geschwister handelt. Lediglich an dem Aktenzeichen von 1951 der Landesregierung kann man sehen, dass die beiden Kinder wohl zusammengehören müssten.

    Die Erbenermittler haben nichts weiter - als den Eintrag im Standesamt (2 fach) - s. o. gefunden.

    Einen Zeitzeugen gibt es nicht mehr, so traurig das auch ist. Ich weiß wirklich nicht, wie ich mich entscheiden soll.

    Ich bin schon jetzt auf Eure Tipps, Meinungen und Ratschläge gespannt.

  • Über § 2356 I Satz 2 BGB kommt man dazu, dass man zur Not die EV des Antragstellers als ausreichend ansehen kann. Was unmöglich urkundlich zu beweisen ist, muss in letzter Konsequenz eben durch Glaubhaftmachung soweit gegenüber dem Gericht dargelegt werden, dass dieses im Sinne von § 2359 BGB zur "Überzeugung der Erbfolge" kommt.

    Siehe hierzu auch: LG Rostock v. 04.11.2003, Rpfleger 2004, 289

    -------------------------:aktenEine wirklich gute Idee erkennt man daran, daß ihre Verwirklichung von vorn herein ausgeschlossen erschien. (Albert Einstein):gruebel: ------------------------------------

    Nachlass-Kanzlei / Büro für gerichtliche Pflegschaften / Nachlasspflegschaften, Nachlassverwaltungen, Testamentsvollstreckungen, Nachlassbetreuungen /
    Nachlasspfleger Thomas Lauk - http://www.thomaslauk.de

  • Oh, na das ist ja ein hochinteressanter Fall! :) Wenn auch supertraurig!

    Hast Du da Nachlasspflegschaft angeordnet?

    Wo sind die Kinder denn aufgewachsen? Waren sie zusammen im Heim?

    Vielleicht gibt es irgendwelche Unterlagen im Heim/Jugendamt etc, die vielleicht später aufgetaucht sind. Hat denn niemand nach den Kindern gesucht?

    _______________

    Aber wahrscheinlich muss man den Fall pragmatisch betrachten, ohne urkundlichen Nachweis kann der "angebliche" Neffe auch nichts erben. Ich würde das dann genauso behandeln wie bei Kindern, dessen biologischer Vater auf der Geburtsurkunde nicht eingetragen ist, bzw. wo die Anerkennung der Vaterschaft nicht gemacht wurde, diese haben ja dann rechtlich keinen Vater und können ihre Erbberechtigung nicht nachweisen.

    So auch hier, ohne urkundlichen Nachweis keine rechtlichen Geschwister.

    Meine Meinung!

    Schöne Grüße
    Döner

    TL
    Ich finde der Antragsteller kann hier gar nichts versichern, denn woher will er denn wissen, dass die Kinder Geschwister sind und nicht z.B. Cousin und Cousin oder einfach nur Nachbarskinder?

  • Also die beiden Jungen waren zuerst zusammen im Heim und dann weiß ich nicht. Leider gibt es keinerlei Akten mehr.

    Eine Nachlasspflegschaft ist anhängig.

  • Ist zwar makaber, aber hier würde ein Gentest weiterhelfen, falls noch Material vorhanden ist.

    Ich weiß gar nicht, wie die beiden bestattet wurden. Geht das auch bei Feuerbestattung?

  • - so sehe ich das leider auch -

  • Für die beiden minderjährigen Kinder muss seinerzeit Vormundschaft angeordnet gewesen sein. Man kann also versuchen, beim damals zuständigen Vormundschaftsgericht in den Registern - und ggf. im Staatsarchiv - fündig zu werden.

    Die beiden Kinder hatten den gleichen Familiennamen?

  • Aber wahrscheinlich muss man den Fall pragmatisch betrachten, ohne urkundlichen Nachweis kann der "angebliche" Neffe auch nichts erben. Ich würde das dann genauso behandeln wie bei Kindern, dessen biologischer Vater auf der Geburtsurkunde nicht eingetragen ist, bzw. wo die Anerkennung der Vaterschaft nicht gemacht wurde, diese haben ja dann rechtlich keinen Vater und können ihre Erbberechtigung nicht nachweisen.

    Erstens ist das nicht pragmatisch sondern förmlich und zweitens sind die beiden Fälle nicht vergleichbar.

    Außer dass sich hier alle darauf versteifen, dass es keinen urkundlichen Nachweis gibt, hat sich noch niemand mit meinem Argument von #2 auseinandergesetzt. Dass es keinen urkundlichen Nachweis gibt ist offensichtlich, aber das bedeutet nun mal nicht, dass damit auch das materielle Erbrecht weg ist.

    Wenn der Antragsteller behauptet, dass das Erbrecht besteht und alles ihm zumutbare unternommen hat, den (nicht beschaffbaren) Erbnachweis zu beschaffen und wenn dann noch dazu keinerlei Hinweise vorliegen, die das Gegenteil des Behaupteten aufzeigen und das Gericht selbst nicht mehr weiß, was es noch tun soll, dann kann die Erteilung eines Erbscheins nicht mit dem Argument "fehlende Urkunden" abgelehnt werden.

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  • Wenn der Antragsteller behauptet, dass das Erbrecht besteht und alles ihm zumutbare unternommen hat, den (nicht beschaffbaren) Erbnachweis zu beschaffen und wenn dann noch dazu keinerlei Hinweise vorliegen, die das Gegenteil des Behaupteten aufzeigen und das Gericht selbst nicht mehr weiß, was es noch tun soll, dann kann die Erteilung eines Erbscheins nicht mit dem Argument "fehlende Urkunden" abgelehnt werden.


    Das sehe ich genauso.

  • Wenn der Antragsteller behauptet, dass das Erbrecht besteht und alles ihm zumutbare unternommen hat, den (nicht beschaffbaren) Erbnachweis zu beschaffen und wenn dann noch dazu keinerlei Hinweise vorliegen, die das Gegenteil des Behaupteten aufzeigen und das Gericht selbst nicht mehr weiß, was es noch tun soll, dann kann die Erteilung eines Erbscheins nicht mit dem Argument "fehlende Urkunden" abgelehnt werden.

    "...und ich bin ein Abkömmling von Michael Jackson, nur meine Geburtsurkunde ist bei der Überfahrt mit der Queen Mary II verschüttgegangen." :teufel:

  • "...und ich bin ein Abkömmling von Michael Jackson, nur meine Geburtsurkunde ist bei der Überfahrt mit der Queen Mary II verschüttgegangen." :teufel:

    Wenn du einen Erbschein dahingehend stellen würdest und alles dir zumutbare unternommen hast, den (nicht beschaffbaren) Erbnachweis zu beschaffen und wenn dann noch dazu keinerlei Hinweise vorliegen, die das Gegenteil des Behaupteten aufzeigen, und wenn das Gericht selbst nicht mehr weiß, was es noch tun soll, dann kann dir nicht ein Erbschein verweigert werden.

    Ich denke jedoch nicht, dass dir die o.g. Punkte bei dieser Behauptung in die Hände spielen sondern recht schnell Leute erscheinen werden, die das Gegenteil behaupten bzw. der Untergang der Queen Mary (die übrigens noch fährt) nicht kausal dafür sein dürfte, dass du dein Erbrecht nicht nachweisen kannst.

    Anders bei dem im Ausgangssachverhalt geschilderten Fall. Da kommen zwei Kinder zusammen in den Kriegswirren in einem Auffanglager an. Die Eltern beide tot und keiner kann mehr sagen, wo sie geboren wurden. Das ist für sich genommen schon eine schreckliche Situation für die Kinder und ich denke nicht, dass man für diesen traurigen Fall irgendwelche andere Beispiele findet, die auch nur annähernd beschreiben, was diesen Kindern widerfahren ist.

    Wenn nun die beiden Kinder und alle anderen Behörden zeitlebens davon ausgingen, dass diese tatsächlich Geschwister sind, dann sollten "wir" als Nachlassgericht nicht päpstlicher als der Papst sein und den Sachverhalt als solchen rechtlich würdigen. Das Gericht hat bei § 2356 I Satz 2 BGB nämlich ein weites Ermessen und das muss man als Rechtspfleger eben auch mal ausüben und nicht nur formal denken.....

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  • Fernab vom Fall - da ich die Akte sehen müsste um mir schlussendlich ein Bild zu machen, wobei die Sache schon recht plausibel klingt, dass ich da jetzt bei der Erteilung des Erbscheins wohl nicht so die Bauchschmerzen hätte - möchte ich dir sagen TL, dass ich auch schon diverse andere Beweismittel, wie z.B. Sozialversicherungsausweise nach DDR-Recht, die die Kinder der Erblasserin beigeschrieben hatten oder mehrere Familienfotos, die beweisen konnten, dass die beiden Kinder auf den Fotos eindeutig nur Geschwister sein konnten, zugelassen habe, um die abgegebene e.V. dahingehend zu unterstützen. Ich meinte nur, dass es nicht sein kann, nur weil einer heute mal zum Nachlassgericht vorbeikommt und irgendwelche Familienverhältnisse behauptet ohne Beibringung von weiteren Beweismitteln, dass ich ihm mangels Gegenbeweis das auch gleich glauben muss.

  • Ich meinte nur, dass es nicht sein kann, nur weil einer heute mal zum Nachlassgericht vorbeikommt und irgendwelche Familienverhältnisse behauptet ohne Beibringung von weiteren Beweismitteln, dass ich ihm mangels Gegenbeweis das auch gleich glauben muss.

    Das sagt auch keiner...

    -------------------------:aktenEine wirklich gute Idee erkennt man daran, daß ihre Verwirklichung von vorn herein ausgeschlossen erschien. (Albert Einstein):gruebel: ------------------------------------

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  • ... Ich meinte nur, dass es nicht sein kann, nur weil einer heute mal zum Nachlassgericht vorbeikommt und irgendwelche Familienverhältnisse behauptet ohne Beibringung von weiteren Beweismitteln, dass ich ihm mangels Gegenbeweis das auch gleich glauben muss.


    Musst DU ja auch nicht, wie TL in #2 schon sagt:

    "Über § 2356 I Satz 2 BGB kommt man dazu, dass man zur Not die EV des Antragstellers als ausreichend ansehen kann. Was unmöglich urkundlich zu beweisen ist, muss in letzter Konsequenz eben durch Glaubhaftmachung soweit gegenüber dem Gericht dargelegt werden, dass dieses im Sinne von § 2359 BGB zur "Überzeugung der Erbfolge" kommt.


    Siehe hierzu auch: LG Rostock v. 04.11.2003, Rpfleger 2004, 289"


    aber wenn Dich morgen Dein Kollege vertritt, reicht es ihm vielleicht.

    Ich habe auch schon mal mit Anträgen auf den "richtigen" Vertreter gewartet, um einfach mit einer Akte weiterzukommen. (Das passt aber jetzt nicht zu dem Erbscheinsantrag)


    Würde im Ausgangsfall bei einem ablehnenden Beschluss die Beschwerde eigentlich zum OLG gehen?

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  • Für mich muss zur Überzeugung des Nachlassgericht (also zu meiner Überzeugung) feststehen, dass die betreffende Person Erbe ist. Dass es wahrscheinlich ist, genügt mir nicht.

  • Mir fehlt nach wie vor eine dezidierte Angabe des Fragestellers, woraus er ableitet, dass es sich bei den beiden Kindern um Brüder handeln soll. Dass zwei Kinder gleichzeitig "verwaist" in Nachkriegsdeutschland - oder sogar noch während des Krieges - hier angekommen sind, besagt für sich alleine noch nichts darüber, ob es tatsächlich Brüder sind.

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