Auflassung, Anerkenntnisurteil, Testamentsvollstrecker

  • Guten Morgen zusammen, mich beschäftigt derzeit folgender Fall, ich finde aber nichts, was so richtig passt:

    Der Beklagte, hier der Testamentsvollstrecker, wird per Anerkenntisurteil verurteilt, die Auflassung zu erklären und die Eintragung des Klägers als Eigentümer zu bewilligen.
    Der Kläger war brav mit dem rechtskräftigen Urteil beim Notar und hat die Auflassung erklärt. So weit, so gut.

    Problem 1:
    Brauche ich das Testamentsvollstreckerzeugnis? Erben und Testamentsvollstreckungsvermerk sind im Grundbuch eingetragen, das TV-Zeugnis lag vor einem halben Jahr dafür vor und weist auch den verurteilten TV aus. Die Erben (die Kinder (volljährig) des Klägers, der wiederum der Sohn des Erblassers ist) waren im Übrigen Streithelfer der Klägerseite, ich würde sie also nicht nochmal anhören.

    Problem 2: Beim Rechtskraftvermerk fehlt das Siegel. Kann der Notar das Urteil mit Siegel nachreichen, oder fehlt es hier an der Vorlage des rechtskräftigen Urteils und man müsste neu beurkunden?
    Meine Meinung wäre: nachreichen reicht.

    Das Urteil erging, weil der Erblasser das Grundstück in einem mit dem Kläger geschlossenen Erbvertrag dem Kläger als Vermächtnis unter Übernahme der noch zu tilgenden Restforderung zur eingetragenen Grundschuld vermacht hat.

    Der Erbvertrag liegt in Ausfertigung vor. Außerdem wurde das Vermächtnis in einem späteren notariellen Testament wiederholt.


    (Warum der TV da erst ein Urteil braucht...) Ich würde sagen, ich brauche somit weder UB noch Negativattest, da es sich um eine Vermächtniserfüllung handelt, oder liege ich falsch?

    Das papierlose Büro wird ebenso wenig kommen wie das papierlose Klo.
    [Dr. Heinrich von Pierer (Vorstand Siemens)]

  • ...
    Problem 1: Brauche ich das Testamentsvollstreckerzeugnis? ..

    Du bittest den TV, er möge doch bitte das TV-zeugnis vorlegen, damit Du das gegen ihn ergangene Urteil vollstrecken kannst ? Dann legt er ja gleich das Amt nieder:teufel:. Das kann es also nicht sein.

    Bei der Prozessführung durch eine Partei kraft Amtes muss der Rechtsträger ein im Rahmen des verwalteten Vermögens ergangenes Urteil für und gegen sich gelten lassen. Die Rechtskrafterstreckung auf den Erben bei Testamentsvollstreckung wird in § 327 ZPO besonders geregelt (s. Gottwald im Münchener Kommentar zur ZPO, 6. Auflage 2020, § 325 RN 54).

    Die Prozessführungsbefugnis des TV hatte das Gericht bereits von Amts wegen zu prüfen (Althammer in Zöller, Zivilprozessordnung, 33. Aufl. 2020, Vorbemerkungen zu §§ 50-58; RN 17)

    Eine Entscheidung, die wegen einer Nachlassverbindlichkeit (hier. Erfüllung eines Vermächtnisses) gegenüber dem Testamentsvollstrecker ergeht, wirkt nach § 327 Abs. 2 ZPO gegen den Erben (Musielak in Musielak/Voit, ZPO, 17. Auflage 2020, § 325 RN 21, § 327 RN 1). Bei einem Wechsel im Amt des Testamentsvollstreckers ist der neue Amtsinhaber analog § 327 Abs. 2 ZPO an ein gegen den alten Amtsinhaber erwirktes Urteil gebunden (MüKo/Gottwald, § 327 ZPO RN 6 mwN)

    Also reicht das gegen den (ggf. bisherigen) TV ergangene Urteil auf Abgabe der Willenserklärung aus.

    Zum Problem 2:
    "Beim Rechtskraftvermerk fehlt das Siegel"

    Anders als bei § 725 ZPO („..und mit dem Gerichtssiegel zu versehen“) gibt es bei dem Rechtskraftzeugnis nach § 706 ZPO keine Bestimmung, wonach dieses Zeugnis mit einem Dienstsiegel zu versehen ist; siehe hier:
    https://www.rechtspflegerforum.de/showthread.php…l=1#post1045898

    Der Grundstückserwerb aufgrund eines Kaufrechtsvermächtnisse gehört zu den steuerfreien Erwerben von Todes wegen (BFH, 2. Senat, Urteil vom 21.07.1993, II R 118/90, zitiert bei Halaczinsky in: Schreiber/Ruge, Handbuch Immobilienrecht, 4. Aufl. 2020, Kapitel 17: Grunderwerbsteuer RN 22 und bestätigt durch BFH, Urteil vom 8.10.2008, II R 15/07 = MittBayNot 3/2009, 255
    https://www.notare.bayern.de/fileadmin/_mig…yNot_2009_3.pdf

    Lieber einen Frosch küssen als eine Kröte schlucken :)

  • Ich hänge mich hier mal dran, auch wenn es grundsätzlich nicht zu 100% passt.

    Ich habe mal gelernt, dass für die Zuständigkeit einer Auflassung § 925 BGB gilt. Nun liegt mir ein Anerkenntnisurteil vor, welches gemäß § 307 S. 2 ZPO erlassen wurde. Hierin steht steht im Tenor Folgendes:
    "Es wird festgestellt, dass sich der Kläger und die Beklagten darüber einig sind, dass das Eigentum an dem ... (Bezeichnung Grundstück) auf den Kläger in Alleineigentum übergeht.

    Mit diesem ging der Kläger zum Notar um eine Auflassung zu erklären, aber der Notar sagt ihm, dass er diese nicht benötigt, da diese bereits im Anerkenntnisurteil erklärt worden ist.

    Ich frage mich jetzt gerade, ob ich irgendetwas nicht mitbekommen habe?:/ Gibt es da etwas?

    Vielen Dank mal schon.

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  • Da scheint mir das Zivilverfahren gehörig schiefgelaufen zu sein. Eine Auflassung ohne gleichzeitige Anwesenheit kann auch der Richter nicht beurkunden. Hier hätte zur Erklärung der Auflassung verurteilt werden müssen, damit die andere Seite mit dem Urteil (wie sie es versucht hat) zum Notar gehen und die Auflassung beurkunden lassen kann. Vielleicht kann man das auslegen und geht noch einmal zum Notar?

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  • Zur Abgabe einer Erklärung ist der Beklagte nicht verurteilt worden, und da er noch nicht einmal zur Übereignung des Grundstücks verurteilt wurde, sondern ein Feststellungsurteil (!) ergangen ist, das im übrigen im Tenor noch nicht einmal eine Bewilligung enthält, halte ich das Urteil auch nicht für dahin auslegbar, dass der Beklagte dazu verurteilt wurde, das Grundstück Gemarkung X Flur Y Nr. a/b, an den Kläger aufzulassen und die Eintragung des Eigentumswechsels in das Grundbuch zu bewilligen.

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  • Du hats ja völlig recht. Die Auslegungsidee war auch nur ein sehr dünner Strohhalm gewesen...

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  • Immerhin ist im Tenor auch noch ausgeurteilt worden, dass sie verurteilt werden, dass Grundstück auf den Kläger aufzulassen. So kann man vielleicht doch auf die Auslegungsschiene gelangen. Allerdings ersetzt leider das Feststellungsurteil weder die fehlende Bewilligung noch die notwendige Auflassung beider Parteien, da ja eben kein Vergleich geschlossen wurde.
    Insofern bin ich beruhigt, dass da nichts Elementares an mir vorbei gegangen ist.
    Trotzdem interessiert mich, was da wohl im Zivilverfahren abgegangen ist. :D

    Danke und nen ruhigen Restdienstag :)

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  • Die Feststellung zur Einigung ergibt Sinn, wenn es Zweifel an der Wirksamkeit von bereits erklärten Einigungserklärungen gibt. Hinsichtlich der Geschäftsfähigkeit zum Beispiel. Aber so ... Und in alten Kommentierungen zum § 894 ZPO findet sich gelegentlich der Hinweis, daß eine zusätzliche Verurteilung zur Abgabe einer Bewilligung unnötig sei, da die Verfahrenserklärung in der dinglichen Einigung enthalten sei. Die Ansicht hat sich zwischenzeitlich geändert.

  • Soeben fällt mir die Richterschelte des OLG Celle in Erbrechtsfragen ein. Vielleicht verhält es sich mit immobiliarrechtlichen Fragen ja ähnlich.

    Das Gericht urteilt aus, was beantragt ist. Die Schelte sollte in Richtung des Anwalts des Klägers gehen.

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