Übertragung der Nachlassverfahren auf Notare vom Tisch ?

  • ... weil es zum Alltagsgeschäft gehört, dass der Notar eine rechtsgeschäftliche Bevollmächtigung für ausreichend hält, während das Grundbuchamt dies ganz anders sieht. In diesen Fällen würden künftig also eine Vielzahl von unrichtigen Grundbucheintragungen zu befürchten sein, weil nicht damit zu rechnen ist, dass die notarielle Beurteilung der Vertretungslage alleine durch die Gesetzesänderung von einer unzutreffenden zu einer zutreffenden wird.
    ...


    Wobei ich persönlich in dem Falle völlig schmerzfrei wäre. Das gleiche Problem besteht ja, wenn der Notar Handelsregistereintragungen auswertet und bescheinigt. Ist die Bescheinigung falsch, so ist das Ergebnis kein anderes, und trotzdem stört sich niemand an dieser Vorgehensweise. Eine falsche Bescheinigung hinsichtlich einer Vollmacht geht dann auf die Kappe des Notars, der sich dann mit den Folgen herumschlagen mag. Und wer weiß, vielleicht sehen sie die Vollmachten dann plötzlich mit ganz anderen Augen, nachdem es ja oft ein Unterschied ist, ob man für seine Behauptung letztlich haftet oder nicht?
    Neugierig wäre ich, ob sich die Notare dann immer noch so leicht mit der Behauptung der Richtigkeit und Vollständigkeit von Vollmachten mit Auslandsbezug tun, namentlich bei der Vertretung von Firmen im angelsächischen Rechtskreis.
    Bezüglich der vielen Vollmachten im Bankenbereich wäre es jedenfalls verfahrenseschleunigend und aktenverdünnend.

    Juppheidi, juppheida, Erbsen sind zum Zählen da ...

  • Mich würde eine Stellungnahme des Verbandes zu der Frage interessieren, was sein Vertreter bei der Anhörung im Einzelnen geäußert hat.

    Die vorab eingereichten schriftlichen Stellungnahmen aller neun Sachverständigen sind auf den Internetseiten des Bundestags veröffentlicht: http://www.bundestag.de/bundestag/auss…hmen/index.html

  • Zu meinem Bedauern muss ich der Einschätzung meines Vorredners zustimmen. Insbesondere enthält die Stellungnahme keinerlei Ausführungen zu der nunmehr offenbar verfolgten "kleinen Lösung", wonach die Notare für die Beurkundung des Erbscheinsantrags (bzw. für die Beurkundung der entsprechenden eV) künftig ausschließlich zuständig sein sollen. Zur geplanten "Notarbescheinigung" über die rechtsgeschäftliche Vertretungsmacht eines handelnden Vertreters im Grundbuchverfahren wird ebenfalls nichts gesagt, obwoh die Prüfung der Vertretungsmacht hierdurch -absolut unannehmbar- vom Gericht auf den Notar verlagert wird.

    Es ist traurig, dass es dem Deutschen Richterbund (durch einen Vorsitzenden Richter am OLG Zweibrücken) vorbehalten bleiben musste, im Hinblick auf die zugunsten der Notare geplante Aufgabenübertragung zumindest einige der zutreffenden (Gegen-)Argumente zu liefern. Seitens der Notare wurde die Lobbyistenarbeit gut verrichtet. Dagegen ist nichts einzuwenden, sofern man berücksichtigt - und erkennt - dass es dabei natürlich vorrangig ums Geld geht und die angeblichen sachlichen Erwägungen insoweit - weil leicht widerlegbar - nur vorgeschoben sind. Nur: Man muss sie eben widerlegen. Durch "Schweigen" widerlegt man nicht nur nichts, sondern man leistet den betreffenden Bestrebungen im Ergebnis auch noch Vorschub.

    Eine Passage der Stellungnahme von Herrn Dr. Vossius hat mich durchaus beeindruckt. Sie lautet:

    "Mit der gleichen Selbstverständlichkeit, mit der er (Anm.: Der TV) diese Auskunft (Anm: die Grundbucheinsicht gestattet) bekam, hätte ich - das darf ich hier einmal sagen - ein Nachrichtenmagazin, das eine Grundbuchauskunft über ein Häuschen in Niedersachsen (Anm.: in der Causa Wulff) begehrte, hinausgeworfen. Das würde ich auch heute noch tun. Soll mich der BGH doch aufheben."

    Das ist genau das Selbstverständnis, das unserem Berufsstand und manchem Kollegen abgeht, und dies ist auch die Voraussetzung und der Grund dafür, warum man erst genommen wird - oder eben nicht. Dass der örtliche Kollege und das OLG Celle die Grundbucheinsicht im genannten Fall verweigert hatten und sie letztlich nur aufgrund einer - abwegigen - Entscheidung des BGH gestattet wurde, tut für diese allgemeine Einschätzung der Dinge nichts zur Sache.

    Ich denke, dass es im Kollegenkreis für jedes Rechtsgebiet anerkannte Experten gibt, derer man sich zum Zweck der Erstellung von Stellungnahmen im politischen Geschäft bedienen könnte. Man muss sie halt nur fragen - oder einen externen Expertenpool bilden, über dessen Tisch die Dinge dann -geschäftsverteilungsähnlich - laufen. So wird es etwa bei jeder Fachzeitschrift gehandhabt. So wie es derzeit läuft, wird man bei der Vertretung der Kollegenschaft sowohl standesrechtlich als auch in der jeweiligen Sache kaum auf einen grünen Zweig kommen.

    Diesen organisatorischen Fragen muss man sich irgendwann einmal stellen (besser früher als später). Es kann nicht sein, dass alle Verbände hervorragend personell strukturiert und durchorganisiert sind und dass man derlei für die Rechtspflegerschaft nicht zustande bringt.

  • Unbenommen des besagten Beitrages verstehe ich das ganze Geschrei nicht. Schließlich sind es die Rechtspfleger, die landauf- landab "Überlastung" rufen. Im Übrigen finde ich es sachgerecht, die Beantragung eines Erbscheins samt Beratung dem Notar zu übertragen. Die Entscheidung über den Antrag bleibt doch bei den Gerichten.

  • Es geht nicht darum, ob sich jemand überlastet fühlt, sondern ob das Vorhaben in der Sache sinnvoll ist. Dazu nur einige Gedanken:

    - Das Testament ist bei Gericht verwahrt. Der Notar soll also den Erbscheinantrag "basteln", obwohl ihm das Testament nicht vorliegt. Also schreibt er an das Gericht: "Bitte eröffnen und mir beglaubigte Abschrift übersenden, weil ich beurkunden will." Sehr sinnvoll.
    - Der Notar befasst sich im Rahmen der Antragstellung mit der Auslegung eines Testaments, das er selbst beurkundet hat. Kaum denkbar.
    - München hat etwa 80 Notare. Der Bürger kann sich heraussuchen, zum wem er geht. Es muss also eine Art von (von wem zu führenden?) "Gesamtregister" geführt werden, damit man weiß, wo welcher Vorgang anhängig ist. Einigermaßen absurd.
    - Diverse Erbprätendenten suchen verschiedene Notare auf. Der eine weiß nichts von dem anderen (und soll es auch nicht, wenn sei sich streiten). Kuddelmuddel.
    - Die Aufnahme von Erbscheinsanträgen durch ein Rechtshilfegericht wird entfallen. Wenn die Gerichte nicht mehr zuständig sind, sind sie insgesamt nicht mehr zuständig. Sehr praktisch.
    - Anlässlich der Antragstellung wird dem Notar von den Beteiligten ein Testament zur Weiterleitung an das Gericht übergeben. Wie und auf welche Weise ist (entsprechend dem diesbezüglichen Standard bei Gericht) gewährleistet, dass das Testament bis zur Weiterleitung sicher verwahrt ist? Das Notariat als Festung?
    - Für den Erbscheinsantrag ist der Notar ausschließlich zuständig, für die Erbausschlagung ist er es nicht. Kaum konsequent.
    - Wenn das Gericht einen Erbscheinsantrag aufnimmt, hat es von etwaigen Ausschlagungen bereits Kenntnis. Der Notar nicht, er beurkundet ins Blaue hinein.
    - Horrende Gebührenausfälle zu Lasten des Staates. Eine Kompensation durch Umsatzsteuereinnahmen bei den Notaren ist ein Märchen. Man verliert 100 % der Gebühren und nimmt dafür 19 % an Steuern ein. Sind die Leute, die im Sinne einer angeblichen Kompensation argumentieren, noch ganz bei Trost?
    - Für die Beteiligten wird der Erbscheinsantrag (eV) mit einem Schlag um 19 % teurer. Bürgerfreundlich?
    - In Bayern bei amtlicher Erbenermittlung mindestens 90 % aller Erbscheinsanträge bei Gericht, verschwindend geringe Antragstellung bei Notaren. Die Bürger werden -wie üblich- von der etwaigen Gesetzesänderung nichts mitbekommen und schreiben -wie gewohnt- an das Gericht oder sprechen dort vor. Also schriftliche Antwort oder persönliches Verweisen an einen Notar. Verfahrensökonomie ade.
    - Wer garantiert, dass die Notare um die Besorgung und Miteinreichung der erforderlichen Personenstandsurkunden besorgt sind? Natürlich niemand, diese Schreibarbeit wird das Gericht erledigen dürfen. Der Notar hat das Geld und das Gericht die Arbeit. Phänomenale Idee.

    Sicher fallen einem auch noch hundert andere Dinge ein.

    Fazit: Nicht sinnvoll, sondern vollendeter Blödsinn.

  • - Der Notar befasst sich im Rahmen der Antragstellung mit der Auslegung eines Testaments, das er selbst beurkundet hat. Kaum denkbar.

    Freilich auch kaum nötig. Wo ein notarielles Testament existiert, dürfte nur noch selten ein Erbschein nötig sein.

    Zitat

    - Die Aufnahme von Erbscheinsanträgen durch ein Rechtshilfegericht wird entfallen. Wenn die Gerichte nicht mehr zuständig sind, sind sie insgesamt nicht mehr zuständig. Sehr praktisch.


    Schlimmer noch: wenn es auf eine Öffnungsklausel hinausläuft, dann muss das Rechtshilfegericht erst recherchieren, ob im Bundesland des Erblassers der Notar oder das Gericht zuständig ist.

    Zitat

    - Anlässlich der Antragstellung wird dem Notar von den Beteiligten ein Testament zur Weiterleitung an das Gericht übergeben. Wie und auf welche Weise ist (entsprechend dem diesbezüglichen Standard bei Gericht) gewährleistet, dass das Testament bis zur Weiterleitung sicher verwahrt ist? Das Notariat als Festung?

    Irre ich mich, oder soll nach der Reform nicht ohnehin der Notar seine Testamente - wie die Erbverträge - selbst verwahren? Das Notariat als Festung, das trifft es.

    Zitat

    - Für den Erbscheinsantrag ist der Notar ausschließlich zuständig, für die Erbausschlagung ist er es nicht. Kaum konsequent.

    Aber wirtschaftlich gedacht doch voll in Ordnung. Wer das Erbe ausschlägt, hat mit der Regelung des Nachlasses nichts zu tun. Der Erbe dagegen wird vom Notar schon erfahren, was dieser alles sonst noch für ihn tun kann ... :teufel: (Dort sehe ich den Hauptbeweggrund für die Reform, ABM für Notare, weit über den Erbscheinsantrag hinaus.

    Zitat

    - Wer garantiert, dass die Notare um die Besorgung und Miteinreichung der erforderlichen Personenstandsurkunden besorgt sind? Natürlich niemand, diese Schreibarbeit wird das Gericht erledigen dürfen. Der Notar hat das Geld und das Gericht die Arbeit. Phänomenale Idee.

    Nun, die Befürworter ziehen die Parallele zu Register- und Grundbuchsachen. Der Notar sei die Rechtsantragstelle des Nachlassgerichts. (Dann möge er allerdings gefälligst auch die Erbausschlagungen bearbeiten!)
    Über ihn laufe die Kommunikation zwischen Erbe (bzw. Erbscheinantragsteller) und Gericht. Also wird ihm das Gericht schon erzählen, welche Urkunden diesmal vergessen wurden. Dadurch geht es selbstverständlich schneller, als säße der Bürger höchstselbst bei Gericht ... (Achtung Ironie).

    Das Kostenargument wird gewöhnlich dadurch "entkräftet", dass die Justiz sich ja zugleich die Personal- und Materialkosten einspart. Zugleich wird man aber nicht müde zu betonen, dass die Rechtspfleger so für andere Aufgaben freigestellt würden, "Entlastung der Justiz" nennen sie das. Also einerseits werden die Gehälter eingespart, andererseits arbeiten die Rechtspfleger dann auf anderen Baustellen - unentgeltlich, oder wie???? Und Bayern hat ja schon angekündigt, wenn die Reform durchgeht, werden im Freistaat wieder über 100 Rechtspflegerstellen abgebaut.

    Zitat

    Fazit: Nicht sinnvoll, sondern vollendeter Blödsinn.

    Aber so was von :zustimm:

    Ich hab nur einige Deiner Argumente genannt. In der Sache sind wir uns einig.

    Das Schlimme ist nur, dass es in der Politik auf gute Argumente gar nicht ankommt. Die Notare brauchen mehr Aufgaben, und vor allem mehr hoheitliche Aufgaben. Die werden ihnen also auf Teufelkommraus zugeschoben.
    Da ist es ganz egal, wie sehr an den Haaren herbeigezogen die Argumente daherkommen.

  • Hierzu

    - Anlässlich der Antragstellung wird dem Notar von den Beteiligten ein Testament zur Weiterleitung an das Gericht übergeben. Wie und auf welche Weise ist (entsprechend dem diesbezüglichen Standard bei Gericht) gewährleistet, dass das Testament bis zur Weiterleitung sicher verwahrt ist? Das Notariat als Festung?


    muss man aber feststellen, dass die Notariate bereits heute einige wichtige Dokumente aufbewahren (z. B. Grundpfandrechtsbriefe), ohne dass deswegen viele verloren gingen.

    Zitat

    - Horrende Gebührenausfälle zu Lasten des Staates. Eine Kompensation durch Umsatzsteuereinnahmen bei den Notaren ist ein Märchen. Man verliert 100 % der Gebühren und nimmt dafür 19 % an Steuern ein. Sind die Leute, die im Sinne einer angeblichen Kompensation argumentieren, noch ganz bei Trost?


    Die werden die Kürzung des Personals mit eingerechnet haben, das komischerweise nun für andere Aufgebane bereit steht.

    Zitat

    - Wer garantiert, dass die Notare um die Besorgung und Miteinreichung der erforderlichen Personenstandsurkunden besorgt sind? Natürlich niemand, diese Schreibarbeit wird das Gericht erledigen dürfen. Der Notar hat das Geld und das Gericht die Arbeit. Phänomenale Idee.


    Das ist die Frage, wie es gemacht wird. Der Vorschlag steht ja im Raum: Wie im Grundbuchverfahren. Dann geht die Zwischenverfügung an den Notar, der die Unterlagen besorgt.

    Zitat

    - In Bayern bei amtlicher Erbenermittlung mindestens 90 % aller Erbscheinsanträge bei Gericht, verschwindend geringe Antragstellung bei Notaren. Die Bürger werden -wie üblich- von der etwaigen Gesetzesänderung nichts mitbekommen und schreiben -wie gewohnt- an das Gericht oder sprechen dort vor. Also schriftliche Antwort oder persönliches Verweisen an einen Notar. Verfahrensökonomie ade.


    Das ist die unvermeidliche Übergangszeit, die es bei jedem Projekt gibt und die deshalb als Argument kaum gelten kann.

    Insgesamt überzeugt mich das Vorhaben allerdings nicht sehr ... zum Thema der verschiedenen Zuständigkeiten fällt mir ein, dass hier auch immer wieder Leute mit Löschungsbewilligung zu Grundpfandrechten kommen. Antwort: "Sie müssen Ihre Unterschrift noch öffentlich beglaubigen lasse." "Ja, dann machen wir das halt jetzt - hier, mein Ausweis." "Ääääh ... wir dürfen das nicht, da müssen Sie zu einem Notar gehen." Die Begeisterung ist ungeheuer ... [und ja, manche Übergangszeiten dauern halt auch etwas länger ...]

    Leider sind manche Kollegen bei den Nachlassgerichten auch nicht eben ein Aushängeschild dafür, dass die Nachlasssachen bei den Gerichten besser aufgehoben wären. Oder Sparzwänge oder einfach die Tatsache, dass es keinen Personalpuffer mehr gibt. Wenn einer ausfällt, war's das. Praktischerweise schafft sich der Freistaat Bayern seine Argumentationsbasis damit selbst ...

    ... womit wir bei der Frage ankämen, ob man die Justiz nicht vielleicht als erstes mal von der Exekutive abkoppeln sollte.

    Juppheidi, juppheida, Erbsen sind zum Zählen da ...

  • Kleine Anmerkung zur Testamentsauslegung:

    Man schaue sich einmal im Nachlass- und Grundbuchforum um, in wie vielen (wirklich vielen!) Fällen auch bei notariellen Testamenten eine Auslegung nötig ist, weil die Dinge einfach nicht vernünftig beurkundet werden.

    Im Übrigen schrieb schon der Deutsche Richterbund (nicht nur zwischen den Zeilen), dass jedenfalls beim Anwaltsnotariat nicht ohne weiteres von der erforderlichen erbrechtlichen Kompetenz ausgegangen werden kann. Von dort kommen wohl ohnehin die meisten erbrechtlichen und grundbuchrechtlichen Katastrophenvorlagen. Das will von Notarseite natürlich keiner hören, aber es ist eben so und im Prinzip weiß das auch jeder, auch wenn er es nur ungern offen ausspricht.

    Übrigens ist -mit Ausnahme des Kostenaspekts zu Lasten der Länder- keines der von mir "auf die Schnelle" genannten Argumente in der Stellungnahme des BDR erwähnt.

    Andreas:

    Deine Einschätzung bezüglich des "Aushängeschildes" kann ich leider nur bestätigen. Wenn Kollegen -und die gibt es- die Leute zum Notar schicken, weil bei ihnen selbst binnen zwei Monaten nicht mit einer Bearbeitung zu rechnen ist, dann braucht man sich über manche Dinge nicht zu wundern.

    Der Vergleich mit dem Grundpfandrechtsbrief hinkt etwas. Diesen kann man im Falle des Verlustes notfalls aufbieten - was bei einem Testament schwerlich funktioniert.

    Natürlich ist bei Zuständigkeitsänderungen alles eine Frage der Übergangszeit. Es fragt sich eben nur, weshalb man die betreffenden Schwierigkeiten überhaupt in Kauf nehmen soll, wenn das bestehende System relativ problemlos funktioniert.

    Die Justiz von der Exekutive abzukoppeln, ist das eine. Die Voraussetzung hierfür wäre aber zunächst die Abkehr vom weit verbreiteten Kadavergehorsam, der einen daran hindert, etwas zu kritisieren, obwohl es Kritik verdient.

  • Der Vergleich mit dem Grundpfandrechtsbrief hinkt etwas. Diesen kann man im Falle des Verlustes notfalls aufbieten - was bei einem Testament schwerlich funktioniert.


    Ja, klar. Ich wollte darauf hinaus, dass die Sachen bei den Notariaten im Regelfalle sicher aufgehoben sind.

    Juppheidi, juppheida, Erbsen sind zum Zählen da ...

  • Andreas:
    Deine Einschätzung bezüglich des "Aushängeschildes" kann ich leider nur bestätigen. Wenn Kollegen -und die gibt es- die Leute zum Notar schicken, weil bei ihnen selbst binnen zwei Monaten nicht mit einer Bearbeitung zu rechnen ist, dann braucht man sich über manche Dinge nicht zu wundern.

    Ich halte es dagegen für Verantwortungsbewußtsein dem Bürger gegenüber, wenn ein Rechtspfleger dem Bürger aufgrund der von ihm nicht zu vertretenden Umstände eine Möglichkeit aufzeigt, nach der trotzdem in annehmbarer Zeit ein Erbschein erteilt werden kann.

  • Richtig, wenn er (oder sie) es nicht zu vertreten hat.

    Ich kenne aber Leute, die das grundsätzlich und aus purer Faulheit tun, weil sie über Mittag lieber zwei Stunden im Kaffee sitzen oder in der Gegend herumschwadronieren. Hier dient die angebliche eigene Überlastung nur als Vorwand zur Steigerung der eigenen Bequemlichkeit.

  • Im Übrigen schrieb schon der Deutsche Richterbund (nicht nur zwischen den Zeilen), dass jedenfalls beim Anwaltsnotariat nicht ohne weiteres von der erforderlichen erbrechtlichen Kompetenz ausgegangen werden kann. Von dort kommen wohl ohnehin die meisten erbrechtlichen und grundbuchrechtlichen Katastrophenvorlagen. Das will von Notarseite natürlich keiner hören, aber es ist eben so und im Prinzip weiß das auch jeder, auch wenn er es nur ungern offen ausspricht.

    Das ist doch des Pudels Kern, den man bei den Notarkammern einfach nicht hören möchte.

    Wer wie ich viel mit Grundstückkäufen, Grundschuldbestellungen u.ä. zu tun hat, dem graust es vor jedem Gang zu einem Anwaltsnotar. Da wird gemurkst und gemurkst, nahc dem Motto das Gericht wirds schon richten.

    "Was, bei der GbR gabe es eine Änderung der Rechtssprechung? Nie gehört. Werde mal bei der Kammer nachfragen."
    "Was, sie wollen eine Unternehmergesellschaft gründen? Haben wir noch nie gemacht, könnten Sie damit evtl. zum Kollegen nebenan gehen. Außerdem ist unser Signiergerät für EGVP gerade kaputt."
    "Was, eine Verkaufsvollmacht nur mit Unterschriftbeglaubigung? Das geht nicht, das müssen Sie immer beurkunden!"

    Aber es ist doch auch klar, warum das Anwaltsnotariat verteidigt wird, es sind die großen Pfründe, die es dort zu verteilen gibt. Ginge es nur um sachorientierte Argumente, gäbe es längst das Nurnotariat in ganz Deutschland.

    Wobei ich natürlich zugeben muss, dass es auch (aus meiner bescheidenen Sicht) sehr gute Anwaltsnotare gibt. Aber da habe ich bisher immer die Erfahrung gemacht, dass die Notare dann den Notarberuf in der täglichen Praxis den deutlichen Vorrang vor dem Anwaltsberuf gegeben haben. Faktisch waren es also fast Nurnotare.

    Ich würde das Anwaltsnotariat nicht vermissen.

    Ich bin Weinkenner. Wenn ich Wein trinke, merke ich sofort: aah, Wein. (Han Twerker)

  • Immerhin wäre die Übertragung auf die Notare jetzt etwas erträglich, weil man das freiwerdende Personal bei den Gericht nicht irgendwie abbauen oder umsetzen muss, die könnten gleich den personellen Mehraufwand ausgleichen, der mit der Änderung der PKH- und Beratungshilfevorschriften entsteht.

    Dennoch sehe ich natürlich keinen Grund für die Wegnahme von den Gerichten, hier läuft alles gut, die Gebühren sind eine gute Einnahmequelle, wenn man bedenkt, dass man sonst zur zusetzt (PKH, Beratungshilfe). Man soll endlich mal das, was sich bewährt hat, lassen, und nicht ständig nach neuen sinnlosen Reformen suchen, weil die gut bezahlten Leute offenbar nichts anderes zu tun haben. Wir in Sachsen können ein Lied davon singen, was hier für sinnlose Reformen am laufenden Band gemacht werden, die unter dem Strich keinerlei Einsparungen bringen, eher noch Kosten verursachen. Das sieht so aus, als ob sich einige nur für die Ewigkeit ein Denkmal setzen wollen.

  • Hier das Protokoll aus der Sitzung vom 22.03.2012 / Siehe Top 11

    http://dipbt.bundestag.de/dip21/btp/17/17168.pdf#P.19982

    Gibt´s dazu schon weitere Entwicklungen? Irgendwas bekannt, wie es weitergeht?

    -------------------------:aktenEine wirklich gute Idee erkennt man daran, daß ihre Verwirklichung von vorn herein ausgeschlossen erschien. (Albert Einstein):gruebel: ------------------------------------

    Nachlass-Kanzlei / Büro für gerichtliche Pflegschaften / Nachlasspflegschaften, Nachlassverwaltungen, Testamentsvollstreckungen, Nachlassbetreuungen /
    Nachlasspfleger Thomas Lauk - http://www.thomaslauk.de

  • Gibt´s dazu schon weitere Entwicklungen? Irgendwas bekannt, wie es weitergeht?

    Den Sachstand zum Nachlass kann ich Dir mitteilen: Dies steht im Bundestag am 18.4.2013 auf der Tagesordnung (2. und 3. Lesung).
    http://www.bundestag.de/dokumente/tagesordnungen/234.html

    (Da stand es für März schon einmal, verschwand dann aber auf wundersame Weise.)

  • Nun ist es passiert:
    Der Gesetzentwurf des Bundesrates auf Drucksache 17/1468 (Übertragung des Nachlassverfahrens I. Instanz auf die Notare) wurde in zweiter Beratung einstimmig abgelehnt.

    Bei Zustimmung durch SPD und Koalitionsfraktionen, gegen die Stimmen von Linken und Grünen, wurde der Gesetzentwurf des Bundesrates auf Drucksache 17/1469 in der Ausschussfassung (vgl. Beschlussempfehlung auf Drucksache 17/13136) angenommen.

    HIER das Protokoll (dort TOP 34).

    Das heißt vor allem:
    a) Öffnungsklausel für die Länder, den Erbscheinsantrag in die Alleinzuständigkeit der Notare zu geben
    b) Notarbescheinigung über eine rechtsgeschäftlich erteilte Vollmacht wird zulässig.

    Vermutlich habe ich einen guten Teil der Auswirkungen dieses Dammbruchs noch gar nicht auf dem Schirm. Hoffnung, dass der Bundesrat diesen Unsinn noch abwendet, habe ich nicht. Na dann Prost.

    Curiosity is not a sin.

    Einmal editiert, zuletzt von 15.Meridian (19. April 2013 um 10:38) aus folgendem Grund: Links zu den Bundestagsdokumenten nachgetragen.

  • Na ja, wenn die Länder flächendeckend Gebrauch von der Öffnungsklausel machen sollten, können wir immerhin künftig ein Unterforum "einsparen". :eek:

    Was ich aber noch nicht verstanden habe:
    Warum gab es gegen den ersten Entwurf verfassungsrechtliche Bedenken und gegen den jetzigen nicht, obwohl dieser doch auch die Möglichkeit vorsieht, hoheitliche - gerichtliche - Aufgaben auf die Notare zu übertragen?

    Ulf

    Alle Äußerungen hier sind als rein private Meinungsäußerung zu verstehen,
    sofern es bei den Beiträgen nicht ausdrücklich anders gekennzeichnet wird.

  • Wenn man sich das alles so durchliest, war wieder einmal die geballte Ahnungslosigkeit am Werk. Mir wurde allerdings schon beim diesjährigen Nachlasspflegschaftstag in Düsseldorf avisiert, dass die Dinge -auch in zeitlicher Hinsicht- so kommen werden, wie sie jetzt gekommen sind.

    Die rechtsgeschäftliche Vertretungsbescheinigung durch Notare ist natürlich eine Absurdität. Sie führt nicht nur dazu, dass ein Notar die ausreichende Vertretung aufgrund einer Vollmacht bescheinigt, die er selbst beurkundet hat, sondern auch dazu, dass die bestehenden zahllosen Vollmachtsmängel nicht mehr aufgedeckt werden, weil die Notare, die bislang trotz dieser Mängel vorlegten, natürlich künftig auch entsprechend bescheinigen werden. Das bedeutet im Klartext, dass die Grundbücher in allen - und zwar in vielen - Fällen unrichtig werden, weil die vom Notar bescheinigte Vertretungsmacht entweder nicht besteht oder jedenfalls vom Umfang her nicht ausreicht. Denn die Vollmachten müssen nicht mehr vorgelegt werden und können (bzw. dürfen) vom Grundbuchamt deshalb gar nicht mehr geprüft werden. Ich halte diese Übertragung der originären gerichtlichen Prüfungspflicht auf die Notare für verfassungswidrig.

    Des weiteren brach ich innerlich in homerisches Gelächter aus, als ich mir den neuen Art. 239 EGBGB betrachtete, der wie folgt lautet:

    "Die Länder können durch Gesetz bestimmen, dass der Antrag auf Erteilung eines Erbscheins der notariellen Beurkundung bedarf und die Versicherung an Eides Statt nach § 2356 Abs.2 S.1 des Bürgerlichen Gesetzbuchs nur vor einem Notar abzugeben ist."

    Die Formbedürftigkeit des bloßen Erbscheinsantrags ist natürlich völliger Unfug. Aber durch das von mir in Fettschrift hervorgebobene Wort "und" können die Länder jetzt nur beides zusammen bestimmen. Hätte man es anders gewollt, hätte es "und/oder" heißen müssen.

    Solange der Herrgott kein Hirn vom Himmel wirft, kommt eben so etwas heraus.

    Auch besonders "schön": Der (= irgendein) Notar will den Erbscheinsantrag beurkunden und das noch nicht eröffnete notarielle oder privatschriftliche Testament befindet sich in der amtlichen Verwahrung des Nachlassgerichts. Man kann nur viel Spaß wünschen.

    An die Anwaltsnotare darf man bei allem sowieso nicht denken!

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