Rechtspflegerlaufbahn wirklich erstrebenswert ?

  • Man sollte eben vorher wissen, worauf man sich einlässt. Und genau um diese Aufklärung sollte es hier ja auch ursprünglich gehen. Man muss sich eben im Klaren darüber sein, dass ein Bundeslandwechsel nur sehr selten und sehr schwierig möglich ist (lieber abschrecken als verherrlichen!). Wenn sich danach privat etwas ändert, wie eben eine bundeslandgrenzeüberschreitende Partnerschaft, die erst danach entsteht, dann ist das sehr ungünstig und man kann nur hoffen, dass man zu den wenigen glücklichen gehört, die wechseln können oder muss hoffen, dass der Partner flexibel ist. Aber das wusste man halt auch vorher und kann sich hinterher nicht darüber beschweren. Bzw. kann schon, aber es ist müßig.

  • Ich finde es schön, dass durch den Ersteller ebenfalls die negativen Seiten des Berufes angesprochen werden. Ein Außenstehender, der dieses Forum liest, wird die allgemeine Meinung über Beamte nur bestätigt sehen: Am "Beruf" des Beamten gibt es keine Schattenseiten, alle sind zufrieden, alles ist toll, der Beamte verdient seine 3000 EUR netto und wird vom Vater Staat verwöhnt, während andere unter der Brücke leben.
    Ziel des Beitrages war es wohl nicht, die angehenden Rechtspfleger abzuschrecken, sondern vielmehr eine Grundlage für eine hinreichende Meinungsbildung zu schaffen. Es wurde substanziiert hinterfragt, ob der Beruf des Rechtspflegers erstrebendswert ist, sowohl das Pro und das Contra dieses Berufes wurde dargestellt. Die Allgemeinheit spricht nur vom „reichen“ und „faulen“ Beamten, der den ganzen Tag im Büro sitzt und fürs Kaffeetrinken Geld bekommt. Von der extrem hohen Auslastung und dass der Rechtspfleger nicht nur zu den Öffnungszeiten arbeitet, wird zumeist nicht gesprochen. Ich für meinen Teil hatte vor und während meines Studiums zum Rechtspfleger noch nicht im Überblick, worauf ich mich wirklich eingelassen habe. Ich wusste nicht, wie (un)wahrscheinlich eine Beförderung ist und wie schwer es ist, sich versetzen zu lassen. Und mir wurde auch nicht gesagt, dass das Land NRW zukünftig kräftig beim Beamten einsparen will.
    M.E. wird der Rechtspflegeranwärter mit einer tollen (hohen) Anwärtervergütung und der Sicherheit dieses Berufes gelockt. Anhand der Vergütungstabellen, die nach oben offen sind, wird ihm vorgegaukelt, dass er weit kommt. Immerhin bestätigen das auch die tollen Anwärterbezüge.

    Heutzutage habe ich mich weitestgehend mit den Nachteilen des Berufes ange-freundet, naja, zumindest habe ich mich damit abgefunden. Wie viele hier bereits sagten: man muss den Beruf nicht wählen. Aber um zu entscheiden, ob man den Weg gehen will, müssen eben auch die negativen Aspekte des Berufes aufgezeigt werden.

  • Ich mag meinen Job. Auch wenn nicht jeder Tag gleich ist.
    Was die Bezahlung angeht: Mehr könnte es immer sein. ;) Aber man verhungert auch nicht. Doof finde ich, dass das Weihnachts- und auch das Urlaubsgeld komplett gestrichen wurden.

    Was mich stört: Ich hätte gern mehr Zeit alle Sachen "vernünftig" bearbeiten zu können. Dabei meine ich wirklich den Zeitfaktor. Seit ich vor über 13 Jahren (freiwillig) vom OLG (wo ich gleich nach der Prüfung gelandet bin) ins AG gewechselt habe (nicht, weil ich zu blöd war, sondern weil ich als Rechtspflegerin arbeiten wollte, nicht als Verwaltungsbeamtin. Sonst hätte ich gleich Betriebswirtin bleiben können.), hat sich die Anzahl der Kolleginnen (wir sind nur Frauen) um 1/3 reduziert. Die Pensen sind aber so berechnet, dass sich nichts geändert hat. Es ist aber definitiv so, dass man es kaum noch schaffen kann und öfter (leider) zu automatisierten Schreiben, Textbausteinen etc. greift, um es irgendwie schaffen zu können. Das finde ich sehr unbefriedigend. Ich würde gern öfter in die Bibliothek, Aufsätze lesen, Rechtsprechung etc. um auch meine Entscheidungen mit meiner Rechtsauffassung zu begründen und nicht mit der von anderen. Das mache ich auch, aber immer in der Freizeit, wozu ich auch nicht immer Lust habe, denn ich habe auch im Privatleben etwas anderes zu tun. Ich denke auch, dass es (in vielen Fällen, nicht in allen) dem Umstand geschuldet ist, dass man einfach keine Zeit hat.

    Wir sind ein sehr kleines Gericht. Mischpensen sind da normal. Nachlass, Betreuung, Beratungshilfe, vereinfachte Unterhaltssachen. Beratungshilfe: NULL Pensum. Die vereinfachten UH-Sachen auch, aber damit kann ich leben. Die sind schnell gemacht.
    Ich würde gern öfter mehr Zeit für die einzelnen Verfahren haben. Wie gesagt, ich mag meinen Job und auch das selbständige Arbeiten. Ich denke auch gern selbst. Aber meist fehlt mir die Zeit und auch ich greife (ungern) auf Textbausteine und vorgefertigte Schreiben (die ich mir im Laufe meines Berufslebens als Rechtspflegerin zusammengestellt habe und auch immer wieder Mal abändere) zurück.

    Mein persönliches Fazit (und das ist bei jedem nun Mal anders): Ich habe es nicht bereut. Aber als ich damals mit der Ausbildung angefangen habe, waren die Voraussetzungen besser. Es hat sich Vieles geändert. Manches zum Positiven, aber manches eben auch gerade nicht.

    Ach ja: Ich hab vorher in der freien Wirtschaft gearbeitet als Betriebswirtin.

    Esra 7, Vers 25
    Du aber, Esra, setze nach der Weisheit deines Gottes, die in deiner Hand ist, Richter und Rechtspfleger ein, die allem Volk jenseits des Euphrat Recht sprechen, nämlich allen, die das Gesetz deines Gottes kennen; und wer es nicht kennt, den sollt ihr es lehren.

    2 Mal editiert, zuletzt von PuCo (22. März 2013 um 18:55) aus folgendem Grund: ergänzt

  • leute aus dem mittleren dienst, die in den gehobenen dienst aufgestiegen sind (ohne rpfl zu sein und wohl auch ohne gesonderte prüfung)

    Wo ist das möglich ?

    Das dürfte in jedem Bundesland möglich sein.
    Das sind erfahrene ältere Kollegen aus dem mittleren Dienst, die einen sog. "prüfungserleichterten Aufstieg" gemacht haben.
    Auch dafür ist ein Aufstiegslehrgang erforderlich. Zeitdauer weiß ich derzeit nicht genau, meine aber, es wären 6 Monate. Danach ist man dann Beamter im gehobener Dienst, aber KEIN Rechtspfleger.
    Einsatzorte daher nur: Gerichtskasse oder Verwaltung.

    Für Hessen : stimmt, aber nur bei Präsidial-AG bzw. LG und OLG möglich .

  • Ich finde meinen Beruf einfach geil! Ich habe eine solide Ausbildung, die mich befähigt, die Dinge rechtlich zu würdigen. Das gilt sogar für meine privaten Angelegenheiten. Ich bekomme mein Leben lang ordentlich Geld. Gut, ich werde damit nicht reich. Wichtiger für mich ist aber, dass ich nicht arm werde. Aber das Wichtigste ist die Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Ich genieße meine 40-Stunden-Woche und meine freien Wochenenden, die ich gern meiner Frau und meinen Kindern widtme. Und für Freunde bleibt da auch noch Zeit. Die wissen zwar mit meinem Beruf nichts richtig anzufangen, meine juristischen Ratschläge hören sie aber gerne. Ich würden den Beruf wieder wählen.

  • Einsatzorte daher nur: Gerichtskasse oder Verwaltung.

    Gibt es hier auch, aber ohne diese Begrenzung auf Einsatzorte, sondern auch als UdG oder KB, Amtsbezeichnung Verwaltungsinspektor/-in beziehungsweise Verwaltungsoberinspektor/-in.

    Die Übertragung des Beamtenrechts auf die Länder macht vieles möglich. In einer privaten Vollstreckungsangelegenheit erhielt ich als Gläubiger PfÜB-Unterlagen von einer Hauptgerichtsvollzieherin aus Bayern zugesandt. Da nie gehört, mal geschaut: das sind Gerichtsvollzieher in A10.

  • Hier wird ja regelmäßig darüber gemotzt, wie Scheiße es ist, bei der Justiz zu arbeiten. Ich wundere mich allerdings, hier bisher nicht wirklich gelesen zu haben, dass dann auch tatsächlich jemand gegangen ist.

    Was an den Gehaltsvergleichen mit nach Ansicht des Themenstarters offenbar minderwertigen Berufen unsachlich sein soll, erscheint nicht nachvollziehbar. Wem es zu sehr am Ego nagt, dass die Verrichtung wiederkehrender manueller Tätigkeiten gegebenenfalls höher bezahlt wird als das hoch vergeistigte Rpfl.-Dasein, dem ist es ja unbenommen, zu kündigen und sich beim Automobilwerk etc. zu bewerben.

    Völlig richtig!

    Was soll ich sagen? Ich finde unseren Beruf mitunter eintönig und wenig spektakulär. Aber wozu denn jammern? Für mein Alter verdiene ich genügend Geld um mir einen Neuwagen leisten zu können, eine schöne Wohnung in einer realtiv teuren Stadt, teuere Hobbies unterhalten zu können und im Rahmen einer angemessenen Lebensführung auf nichts verzichten zu müssen. Ich bin zwar auch der Meinung, dass ich in relation zu meiner Verantwortung zu wenig verdiene, aber wer die dicke Kohle machen will, verzichtet meist auf die Sicherheit eine festen Arbeitsplatzes, die mir einfach wichtiger ist. Ich glaube es ist unterm Strich eine Entscheidung für oder gegen ein gesicherten Arbeitsplatz oder ein hohes Einkommen. Und neutral betrachtet hat beides seine Berechtigung. Das ist Charaktersache.

    Einmal editiert, zuletzt von möchtegernrechtspfleger (17. Juni 2013 um 21:56)

  • Genauso hatte ich das als Themenstarter gemeint:
    Die Lebensplanung jedes Abiturienten ist anders.
    Gerade Frauen, die "gelegentlich" Sicherheit suchen, an Haus und Hof denken, später eine Auszeit für den Nachwuchs nehmen möchten, sind in dem Beruf/ beim Staat gut aufgehoben. Wer seine Chancen im Berufsleben sucht, dabei auch Risiken in Kauf nimmt, sollte m.E. was anderes suchen.
    Das scheinen die Bewerber auch erkannt zu haben, denn die meisten Bewerber sind nun mal weiblich.

  • Aber an der Darstellung könnte man noch etwas feilen. So ...

    Für mein Alter (24) verdiene ich genügend Geld um mir einen Neuwagen leisten zu können, eine schöne Wohnung in einer realtiv teuren Stadt, teuere Hobbies unterhalten zu können und im Rahmen einer angemessenen Lebensführung auf nichts verzichten zu müssen.

    ... das relativ miese Gehalt.

    ... klingt das etwas widersprüchlich.

  • Wer seine Chancen im Berufsleben sucht, dabei auch Risiken in Kauf nimmt, sollte m.E. was anderes suchen.
    Das scheinen die Bewerber auch erkannt zu haben, denn die meisten Bewerber sind nun mal weiblich.

    An welche Berufe mit Fachhochschulausbildung denkst Du, wenn Du meinst, Chancen im Berufsleben suchen und Risiken in Kauf nehmen ?

    Hast Du genauere Erkenntnisse darüber, ob die meisten Bewerber weiblich sind oder die meisten erfolgreichen Bewerber ?
    Mädchen haben meist bessere Schulzeugnisse und insofern einen Vorteil bei der Bewerbung um Ausbildungsplätze im öffentlichen Dienst, deren Vergabe sich nach dem Leistungsprinzip richtet (Art. 33 Abs. 2 GG).

  • Was soll ich sagen? Ich finde unseren Beruf langweilig, eintönig, wenig spektakulär. Ich mag Hierarchien nicht. Ich mag es nicht, ein kleines Zahnrädchen in einer riesigen Maschinerie zu sein und soviele kleingeistige Menschen um mich herum zu haben, für die eine Grundbucheintragung oder ein rechtlich schwieriger Fall das Highlight des Tages ist. Aber wozu denn jammern?

    Also, ohne dir zu nahe treten zu wollen, aber ich habe selten einen langweiligeren, eintönigeren und unspektakuläreren Beitrag in diesem Forum gelesen.

    Wenn du was nicht langweiliges, mehrtöniges und spektakuläes erleben willst, dann werde Stuntman oder bewirb dich bei Germany's Next Topmodel.

    Einmal editiert, zuletzt von Fesdu (19. April 2013 um 15:01)

  • So hätte ich es jetzt nicht ausgedrückt.
    Aber den Part mit den Hierarchien fand ich auch seltsam. Im Gegensatz zur freien Wirtschaft hat man in der Justiz zumindest in fachlicher Hinsicht ja gerade keinen Vorgesetzten.
    (Klar, wenn man selbständig ist, hat man noch weniger Hierarchie, aber da ist dann der Kunde König, dem man gefällig sein soll.)

    Wir taumeln durch die Straßen, so als wären wir jung und schön.

  • Hm. Ich habe meinen/unseren Beruf als spannend und facettenreich kennengelernt. Hierarchien gibt es überall - daran lässt sich aber was ändern, wenn nur die Arbeitswelt nicht mehr ausschließlich von männlichen Tugenden geprägt ist. Ich sehe mich nicht als Rädchen im Getriebe, freilich auch nicht als Bruce Allmächtig. Warum sollte es von Kleingeist zeugen, wenn ein Grundbuchrechtspfleger seine Grundbucheintragung, ein Zivilrechtspfleger seine schwierige Kostenausgleichung mit Herzblut angeht und in seiner Arbeit aufgeht? (Den Vorwurf, nicht über den Tellerrand hinauszusehen, hört man kurioserweise meist von Leuten, die sich nicht einmal auf ihrer eigenen Untertasse auskennen.)

    Ich finde es tragisch, wenn sich junge Menschen schon eine nine-to-five-Mentalität zulegen - Ihr seid die Gestalter unserer Zukunft, nicht die Besetzer unserer Hängematten! Aber womöglich ist das Posting auch nur Ausdruck einer tiefen Resignation, die zu einer baldigen Richtungsänderung führen wird.

  • Hast Du genauere Erkenntnisse darüber, ob die meisten Bewerber weiblich sind oder die meisten erfolgreichen Bewerber ? Mädchen haben meist bessere Schulzeugnisse und insofern einen Vorteil bei der Bewerbung um Ausbildungsplätze im öffentlichen Dienst, deren Vergabe sich nach dem Leistungsprinzip richtet (Art. 33 Abs. 2 GG).

    Das hieße dann aber, dass sich die meisten qualifizierten männlichen Bewerber lieber anderswo umsehen?

  • Hast Du genauere Erkenntnisse darüber, ob die meisten Bewerber weiblich sind oder die meisten erfolgreichen Bewerber ? Mädchen haben meist bessere Schulzeugnisse und insofern einen Vorteil bei der Bewerbung um Ausbildungsplätze im öffentlichen Dienst, deren Vergabe sich nach dem Leistungsprinzip richtet (Art. 33 Abs. 2 GG).

    Das hieße dann aber, dass sich die meisten qualifizierten männlichen Bewerber lieber anderswo umsehen?

    Genau das weiß ich doch nicht, deshalb meine Frage, ob ruepfel (#193) vielleicht auf Grund seiner dienstlichen Stellung Einblick in die Bewerberlisten hat. Ich habe sie nicht.

    Sind die Bewerbungen im öffentlichen Dienst für eine Ausbildung im Dualen System auf Fachhochschulnieveau - nicht nur Rechtspflegeranwärter, sondern ganz allgemein - von der Zahl der männlichen und weiblichen Bewerber gleich, oder gibt es mehr Bewerbungen von Frauen ?
    Haben Männer oder Frauen mehr Erfolg mit ihren Bewerbungen ?

    Da habe ich allerdings die Vermutung, dass Mädchen bessere Noten im Schul-Abgangszeugnis haben und sich bei den Vorstellungsgesprächen besser darstellen können, sodass ihre Bewerbungen erfolgreicher sind als die der Jungen.

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