Haftung bei Unterschreiben der Eintragung?

  • Liebe Kolleginnen und Kollegen!

    Seit einem halben Jahr bin ich als Rechtspflegerin im Grundbuchamt tätig. Es dauerte nicht lange, bis ich vor dem folgenden Problem stand:

    Mir wurden Grundbucheintragungen zur Unterschrift vorgelegt, die von krankheits- bzw. urlaubsbedingt abwesenden Kollegen verfügt worden sind. Ich verspürte ein leichtes Druckgefühl in der Magengegend - ein ungutes Zeichen, denn mein Gefühl trügt mich selten.

    Ich fragte mich nämlich, wer denn eigentlich - im Falle des Falles - hafte, der Verfügende oder der Unterzeichner.

    Zunächst entschied ich, leicht nachvollziehbare Angelegenheiten nochmals selbst kurz zu prüfen und zu unterzeichnen, andere, umfangreiche und schwerlich nachvollziehbare Sachen, dem Verfügenden jedoch nach dessen Rückkehr zur Unterschrift vorlegen zu lassen.

    Mit dieser Vorgehensweise stieß ich überwiegend auf Unverständnis. Es sei ganz normal, fremd verfügte Eintragungen zu unterzeichnen, weil der Verfügende hafte. So wurde und wird es im Übrigen im hiesigen Grundbuchamt einheitlich gehandhabt.

    Ich habe jedoch Bedenken, weil ich der Eintragung im Grundbuch durch meine Unterschrift erst Wirksamkeit verleihe.

    Nun trat jüngst auch die Geschäftsleitung an mich heran und wies mich ausdrücklich an, auch fremd verfügte Eintragungen zu unterzeichnen - insbesondere diejenigen, welche die von mir vertretene RPflin verfügt hat. (Die Vertretungsregelung ist nebenbei bemerkt nicht im Geschäftsplan geregelt sondern seitens der Geschäftsleitung mündlich getroffen worden.)

    Rechtlich müsse ich auch nicht nochmals prüfen, weil die rechtliche Prüfung bereits von dem verfügenden Kollegen vorgenommen worden sei. Meine Aufgabe sei es lediglich, zu kontrollieren, ob die Eintragung der Verfügung entsprechend vorgenommen wurde.

    Zudem versicherte mir die Geschäftsleitung, dass der Verfügende, nicht aber der die Grundbucheintragung Unterzeichnende hafte, weil ja Ersterer die rechtliche Prüfung durchgeführt habe.

    Zwar hatte und habe ich nach wie vor Bedenken, folgte aber zunächst der (MÜNDLICHEN) Anweisung der Geschäftsleitung. Schließlich handelt es sich ja um eine Anweisung der Geschäftsleitung.

    Inzwischen hielt ich Rücksprache mit einigen Kolleginnen, die in anderen Grundbuchämtern tätig sind. Die Reaktion beunruhigte mich nicht nur geringfügig.

    Man vertritt nämlich einhellig die Auffassung, dass derjenige, der die Eintragung unterzeichne, hafte. Zudem sei es in den dortigen Dienststellen so, dass "fremd verfügte" Eintragungen lediglich in äußerst dringenden, nicht aufschiebbaren Angelegenheiten und unter erneuter eigener rechtlicher Prüfung unterzeichnet würden. Die Regel sei aber, dem Verfügenden die Eintragungen nach dessen Rückkehr zur Unterschrift vorzulegen.

    Das Drücken in der Magengegend hat sich - wie man sich vorstellen kann - mehr als geringfügig potenziert, daher wende ich mich auf diesem Wege an Euch, liebe Kollegen.

    Weiß jemand, wie die rechtliche Situation tatsächlich ist? Ist die Vorgehensweise vielleicht sogar irgendwo geregelt? Wie geht man in Euren Dienststellen vor? Wer haftet nun? Darf man die Unterschrift verweigern? Hat jemand evtl. einen Rat speziell für mich?

    Da ich hier insoweit so ziemlich allein dastehe, wäre ich für Rat und Hilfe selbstverständlich unendlich dankbar!

    Rechtsflegel

  • Rechtlich kann ich dazu nichts sagen. Aber es liegt doch auf der Hand, dass der haftet, der die Eintragung unterschrieben hat.

    Ich persönlich würde nichts - da hör mal auf Dein Bauchgefühl - unterzeichnen, dass ich nicht abgesegnet habe. Sofern meine Kollegin hier einen Vertragsentwurf fertigt (vertretungsweise) würde ich selbst diesen zur Vorlesung und Unterzeichnung nicht vorlegen, wenn ich diesen nicht selbst noch einmal geprüft habe! Denn Fehler machen wir alle mal, aber ich möchte meinen Kopf wirklich nur hinhalten, für Fehler, die ich selbst fabriziert habe (was bisher noch nicht der Fall war:))!

  • Da die Eintragung erst mit Unterschrift wirksam wird und entsteht, haftet selbstverständlich derjenige, der die Wirksamkeit herbeiführt = unterschreibt. Wer daneben ggf. noch haftet spielt dabei keine Rolle. Die Debatte hatten wir hier vor ca. 12 Jahren auch. Unsere Hausobrigkeit und tlw. die Kolleginnen haben erst Ruhe gegeben, als sie es vom OLG schriftlich hatten, daß ich richtig lag mit meiner Weigerung, fremde (zweifelhafte?) Eintragungen massenhaft ungeprüft zu unterschreiben.

    Beginne den Tag mit einem Lächeln. Dann hast Du es hinter Dir. (Nico Semsrott)

    "Das Beste an der DDR war der Traum, den wir von ihr hatten." Herrmann Kant in einem Fernsehinterview

  • Die Unterscheidung zwischen Verfügender und Unterzeichner geht in die Irre. Wer unterschreibt, ist der Verfügende und hält seinen Kopf hin. Aus wessen Mist der Entwurf gewachsen ist, und sei es ein Anwärter oder die Putzfrau, kann dahingestellt bleiben.

    Die lächerlichen Haftungsaussagen Deiner Verwaltung hätte ich mir schriftlich geben lassen. Ansonsten hat der Vertreter kein Unterschriftsverweigerungsrecht, aber ein ihm obliegendes Prüfrecht und auch eigene Prüfpflicht. Anweisungen der Verwaltung, dies zu unterlassen verstoßen gegen § 9 RPflG.

    Ansonsten ist natürlich vieles eine Sache gegenseitigen Vertrauens oder gesunden Mißtrauens, je nach Team und eigenem Geschmack. Oft ist es total üblich, komplizierte Sachen während der Vertretungszeit liegen zu lassen, schon weil sich dann nicht zwei Sachbearbeiter in dieselbe Sache aufwändig einarbeiten müssen, so Arbeitszeit gespart wird und nicht unterschiedliche Rechtsansichten den Parteien Stöcke zwischen die Beine werfen.
    Wegen Entwürfen für einfache Sparkassen-Grundschulden solltest Du Dir aber eher keine Kopf machen.

  • Du als Unterschreibende haftest. Deswegen würde ich vor der Unterschrift immer prüfen. Entdecke ich dann irgendwelche Eintragungshindernisse, die mein Kollege nicht entdeckt hat, dann führt das zwangsläufig zu einer (ggf. weiteren) Zwischenverfügung.

    Den von der Verwaltung gewollten Verstoß gegen § 9 RPflG würde ich mir schriftlich geben lassen und sodann beim OLG vorstellig werden. Ohne schriftliche Anweisung der Verwaltung würde ich so eine Vorgehensweise keinesfalls mitmachen (und mit genausowenig, da rechtswidrig).

    Hier ist es normal, dass umfangreiche Sachen bei planmäßigen oder kurzen Abwesenheiten des Rechtspflegers von seinem Vertreter nicht bearbeitet werden. Im Ausnahmefall kann es mal vorkommen - das bleibt aber definitiv eine Ausnahme.

    Erstaunlich, worauf manche Verwaltungen heute noch so kommen.

    FED: Gibt es da etwa eine Entscheidung, oder wie oder was hast Du da schriftlich bekommen?

    Juppheidi, juppheida, Erbsen sind zum Zählen da ...

  • Ich werfe mal noch den Begriff "Remonstrationsverfahren" in den Raum.
    (Wenn der Entwurfsverfasser so gerne allein haften möchte, weswegen unterzeichnet er seine Entwürfe dann nicht gleich selbst?)

  • Wie Vorposter. Verantwortlich ist die für die Führung des Grundbuchs zuständige Person i. S. des § 44 I 2 GBO bzw. der „Veranlasser“ nach § 130 Satz 1 Halbs. 2 GBO. Bei Vertretungsfällen, die eine umfangreiche Einarbeitung erfordern, wird i.d.R. bis zur Rückkunft des zu Vertretenden zugewartet. Allerdings kommt es auch auf den Zeitraum und die Eilbedürftigkeit des Vorgangs an.
    Ad hoc Zuweisungen durch die Geschäftsleitung sind nach der Entscheidung des BGH vom 10.12.2009, V ZB 111/09, BeckRS 2010 00347, (leider) zulässig. Zitat:

    …Die Verteilung der Geschäfte zwischen den Rechtspflegern nach § 2 Abs. 1 Satz 1 RPflG erfolgt durch einen kollektiven Justizverwaltungsakt des Gerichtspräsidenten oder -direktors als Behörde der Justizverwaltung, die dieser jederzeit ändern kann (BVerwGE 19, 112, 116; BVerwGE125, 365, 368) und die auch ad hoc Zuweisungen von Geschäften zulässt (OLG Frankfurt Rpfleger 1974, 274)….

    Hinzuweisen bleibt noch auf den Beschluss des AG Duisburg vom 2.2.2009, 46 L 197/04, bestätigt durch das LG Duisburg mit Beschluss vom 25.03.2009, 11 T 51/09 bis 11 T 55/09, Rpfleger 9/2009, 521):
     … „Nach § 9 RPflG ist der Rpfl. sachlich unabhängig und nur an Gesetz und Recht gebunden. Diese Unabhängigkeit umfasst ebenso wie beim Richter auch das Recht und die Pflicht, eigenverantwortlich darüber zu befinden, in welcher Reihenfolge und mit welchem sachlichen Vorrang er die anfallenden Geschäfte erledigt und wie eingehend er seine Entscheidungen vorbereitet“

    Lieber einen Frosch küssen als eine Kröte schlucken :)

  • Ich glaube, es geht hier nicht darum, dass ein Verfügungsentwurf von einem Vertreter unterschrieben werden soll, sondern dass aufgrund einer unterschriebenen Verfügung die Grundbucheintragung vom Vertreter unterschrieben werden soll.

    Für diesen Fall meine ich, dass der im Grundbuch Unterschreibende nur für die Übereinstimmung des eingetragenen Textes mit dem verfügten Text und für andere Formalien haftet, nicht aber für die sachliche Richtigkeit der Verfügung (siehe ausführlich Meikel/Böttcher, Grundbuchrecht, 10. Auflage, § 44 Rn. 5).

    Abgesehen davon ist eine Anweisung der Verwaltung natürlich ein Verstoß gegen § 9 RPflG, wie von den Vorpostern schon ausgeführt.

  • Das ist wieder einmal so ein Fall, der jedem -mit Ausnahme der Verwaltung- völlig klar ist.

    Die eigentliche Grundfrage ist nicht diejenige der Haftung, sondern dass man nichts im Grundbuch einträgt, was man nicht selbst vorher geprüft hat. Glaubt vielleicht jemand im Ernst, ein vertretender Richter würde einen Urteilsentwurf des erkrankten Kollegen einfach übernehmen, ohne vorher die Akten gelesen zu haben? - Eine absurde Vorstellung.

    Hinzu kommt ein weiteres: Ich würde eine explizite schriftliche Vertretungsregelung verlangen. Solange man nicht durch Geschäftsverteilung zuständig ist, ist man nicht zuständig.

    Die Meinung Böttchers halte ich im übrigen für vollkommen abwegig.

  • ...
    FED: Gibt es da etwa eine Entscheidung, oder wie oder was hast Du da schriftlich bekommen?



    Nein. Es war berichtet worden und der PräsOLG hat auf den Bericht hin seine Rechtsauffassung mitgeteilt. Reines Verwaltungsgeplänkel.

    Beginne den Tag mit einem Lächeln. Dann hast Du es hinter Dir. (Nico Semsrott)

    "Das Beste an der DDR war der Traum, den wir von ihr hatten." Herrmann Kant in einem Fernsehinterview

  • Die von KlausR beschriebene Verfahrensweise wurde zu Zeiten des Papiergrundbuchs bei allen Gerichten praktiziert, an denen ich tätig war.

    Beim elektronischen Grundbuch kann sich das Problem doch eigentlich gar nicht stellen, denn die Eintragung wird mit der elektronischen Freigabe bewirkt. Viele Kollegen machen gar keine Verfügung mehr und wenn doch, dann lautet die Verfügung "Eingetragen wurde:". Die Verfügung ist also haftungstechnisch bedeutungslos.

    Life is short... eat dessert first!

  • "Ich glaube, es geht hier nicht darum, dass ein Verfügungsentwurf von einem Vertreter unterschrieben werden soll, sondern dass aufgrund einer unterschriebenen Verfügung die Grundbucheintragung vom Vertreter unterschrieben werden soll." (KlausR)

    --> Richtig, so ist die Situation. Die Eintragungsverfügung ist bereits vom Kollegen unterzeichnet. Ich soll nun die entsprechende Grundbucheintragung unterzeichnen - und damit wirksam machen.

  • Richtig, beim elektronischen Grundbuch ist die Sache eigentlich bedeutungslos.

    Wie Böttcher übrigens auch Demharter, GBO, 27. Aufl., § 44 Rn. 2.

    Den Vergleich mit der richterlichen Entscheidung halte ich nicht für zutreffend. Selbstverständlich ist es auch beim Rechtspfleger so, dass ein Entscheidungsentwurf nicht ungeprüft übernommen wird (werden sollte). Nach meiner Ansicht stellt aber im Grundbuchverfahren die Eintragungsverfügung bereits die Entscheidung dar, die durch die folgende Eintragung nur noch ausgeführt wird.

  • "Die von KlausR beschriebene Verfahrensweise wurde zu Zeiten des Papiergrundbuchs bei allen Gerichten praktiziert, an denen ich tätig war." (Mola)

    --> Ja, hier befinden wir uns mehr als zuweilen - insbesondere im konkreten Falle - noch in Zeiten des Papiergrundbuchs.

  • Die Verfügung ist ein innerdienstliches rechtliches Nullum, sie kann nicht einmal mit Rechtsmitteln angegriffen werden.

    Eine Eintragung im Grundbuch kann nur vorgenommen werden, wenn die hierfür erforderlichen Eintragungsvorausetzungen vorliegen. Und wenn ich unterschreibe (hier im Loseblattgrundbuch), dann habe ich auch dafür einzustehen, dass sie vorliegen.

  • Wenn ich es mal mit dem (früheren Papier-) Handelsregister vergleiche: da schrieb § 25 HRV ausdrücklich vor: "Auf die Anmeldung zur Eintragung ... verfügt der Richter", und § 28 HRV: "Der UdG hat die Ausführung der Eintragungsverfügung zu veranlassen, die Eintragung zu unterzeichnen ...".

    Ist das nicht ein Parallelfall?

  • Das allerdings habe ich früher auch wie Mola und die anderen gehandhabt - mir war gar nicht bewußt, dass es das Papiergrundbuch noch irgendwo gibt...

  • Nein, dort führte der Unter nur aus, was der Ober angeordnet hatte. In einem solchen Fall ist natürlich völlig klar, dass der Unter nicht haftet. In unserem Fall entscheidet aber kein Unter, sondern ein anderer Ober.

  • Wenn ich es mal mit dem (früheren Papier-) Handelsregister vergleiche: da schrieb § 25 HRV ausdrücklich vor: "Auf die Anmeldung zur Eintragung ... verfügt der Richter", und § 28 HRV: "Der UdG hat die Ausführung der Eintragungsverfügung zu veranlassen, die Eintragung zu unterzeichnen ...".

    Ist das nicht ein Parallelfall?


    Das halte ich nicht für einen Parallelfall, da im HR nur der UdG eingetragen und unterschrieben hat.

    Im Grundbuch unterschreiben beide. Da ist der Rechtspfleger sicherlich nicht der UdG seines verfügenden Kollegen. Und ich unterschreibe nur, was ich geprüft habe. Dass mein Kollege das vorher auch unterschrieben hätte, interessiert im Haftungsfall höchstwahrscheinlich niemanden. Auf die Stimmen, die das meinen, möchte ich mich da nicht wirklich verlassen.

    Juppheidi, juppheida, Erbsen sind zum Zählen da ...

  • Da sehe ich keinen grundsätzlichen Unterschied, wenn der zweite Ober das ausführt, was der erste Ober angeordnet hat.

    Grundbuchverfahrensrechtlich trifft es natürlich zu, dass die Eintragungsverfügung nur ein interner Vorgang ist. Haftungsrechtlich ist sie nach meiner Ansicht allerdings gegenüber der tatsächlichen Eintragung der wesentlichere Vorgang.

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