Aufhebung Zuschlagsbeschluss Rückabwicklung

  • Was haltet Ihr von Stöber, 19. Aufl., Anm. 3.7 zu § 96?


    Interessanterweise schreibt Stöber hier, dass das Beschwerdegericht zu entscheiden hat. D.h. das Beschwerdegericht hätte nicht nur den Zuschlag aufheben dürfen, sondern auch entscheiden müssen, wie es weitergeht (so auch schon Stefan in Beitrag #22).
    Hier liegt für mich aber der Knackpunkt - das LG hätte sollen, hat aber nicht. Wie soll jetzt das Versteigerungsgericht diesen Fehler des Prozessgerichts beheben? Auf welcher Grundlage sollte ich denn als Versteigerungsgericht jetzt tätig werden?
    Damit meine ich nicht nur die praktischen Probleme, dass es (vermutlich) keine Akte mehr gibt, sondern auch rein rechtlich - auf welcher Grundlage soll ich jetzt einen wie auch immer gearteten Beschluss erlassen?


    Das ZVG ist über § 869 ZPO Teil der ZPO und die Folgen einer Wiederaufnahme sind dort wie genannt recht eindeutig, nämlich Neuverhandlung. Eine §§-Grundlage gibt es damit aus meiner Sicht schon.


    Ich würde Neuverhandeln im Sinne von § 579 ZPO, § 590 ZPO (über deren Anwendbarkeit man ja laut Stöber Rd-Nr. 3.1 zu § 96 ZVG ja schon trefflich streiten kann) nicht mit Fortsetzung des ZVG-Verfahrens gleichsetzen. Die Verhandlung über einen Streitgegenstand ist was anderes als die Durchführung eines Vollstreckungsverfahrens.
    Selbst wenn ich mal versuchen würde, das ganze analog anzuwenden, käme ich dazu, dass ich jetzt nochmal über den Versteigerungsantrag zu entscheiden hätte (denn der kommt ja der Klage als verfahrenseröffnendem Antrag noch am nähesten). Und hier könnte die Entscheidung nur Zurückweisung lauten.
    Für die Zuständigkeit des Versteigerungsgerichts für die Rückabwicklung sehe ich nach wie vor keine Zuständigkeit.

    Es stand alles in Büchern, die Alten lebten noch
    Wir haben nicht gelesen, nicht gesprochen, weggeschaut, uns verkrochen ...
    No!


  • Ich denke, man muss das Ganze auch von den allgemeinen Folgen einer erfolgreichen Wiederaufnahmeklage her betrachten. Die Folge ist nämlich die Beseitigung des rechtskräftigen Urteils und die Neuverhandlung der Sache vor demselben Gericht (s. Zöller/Greger, Rdnr. 1 zu § 578 ZPO und Rdnr. 1 vor § 578 ZPO). D.h. auch nach rechtskräftigen Urteilen, die gezahlt oder vollstreckt und längst erledigt sind, gilt, dass die Sache wieder neu verhandelt wird. Ich habe im Moment keinen Ansatzpunkt dafür, dass das im ZVG-Verfahren anders sein sollte.



    Ich denke, dass der Ansatzpunkt in § 569 Abs. 1 S. 3 ZPO zu sehen ist.
    Diese Möglichkeit wurde durch den Gesetzgeber, wie Stöber richtig erkennt, an Stelle der Wiederaufnahmeklage gesetzt.
    Das Landgericht hat hier ja auch folgerichtig über die außerordentliche Beschwerde (siehe Post #30) entschieden.
    Die Restitutionsbeschwerde ist dabei verfahrenstechnisch den Vorschriften der §§ 578 ff. ZPO zu unterstellen.
    Zöller meint jedoch nachvollziehbar in RN 6g zu § 569, dass die Nichtigkeitsbeschwerde kein echtes Wiederaufnahmeverfahren einleitet, so dass dessen Dreiteilung (...) 3. erneute Verhandlung in der Hauptsache im Verfahren der Nichtigkeitsbeschwerde unterbleibt.
    Insoweit hat Stöber auch dann in der o.g. RN 3.7 richtig angenommen, dass das Beschwerdegericht ohne Zurückverweisung an das Vollstreckungsgericht nach § 101 ZVG eigenständig sachlich zu entscheiden hat (z. B. das Verfahren gem. § 28 ZVG aufzuheben).

    Hat es hier wohl nicht gemacht.
    Das ist aber für das Vollstreckungsgericht m. E. nicht als Signal zu verstehen, fälschlicherweise selbst tätig zu werden.
    Ich bleib' nach weiterer Prüfung (nachdem ich wegen meiner pragmatischen Aspekte abgebügelt wurde :cool:) dabei, dass durch das Vollstreckungsgericht auch ohne Akte aus rechtssystematischen Gründen nichts zu veranlassen ist.
    Wollen die Beteiligten eine dahingehende Entscheidung, sollten sie das Beschwerdegericht dazu anregen, einen ergänzenden Beschluss zu erlassen.

    Ein Flugzeug zu erfinden ist nichts - es zu bauen ein Anfang - Fliegen, das ist alles.

    (Otto Lilienthal/Ferdinand Ferber)

  • Was haltet Ihr von Stöber, 19. Aufl., Anm. 3.7 zu § 96?


    Interessanterweise schreibt Stöber hier, dass das Beschwerdegericht zu entscheiden hat. D.h. das Beschwerdegericht hätte nicht nur den Zuschlag aufheben dürfen, sondern auch entscheiden müssen, wie es weitergeht (so auch schon Stefan in Beitrag #22).
    Hier liegt für mich aber der Knackpunkt - das LG hätte sollen, hat aber nicht. .



    Einzusehen. Aus meiner Sicht aber wohl kein Versäumnis des LG sondern des Antragstellers. Denn das LG urteilt nur gestellte Anträge aus. Wenn der Antragsteller nur die Aufhebung des Zuschlags beantragt und sonst nichts, dann bekommt er auch nur das. Er wird wohl noch weiter klagen müssen.

    Andererseits: Wäre nicht aufgrund des aufgehobenen Zuschlags dann von Amts wegen das damailge Grundbuchersuchen zurückzunehmen? Dann hätte das GBA eine Grundlage für die Wiedereintragung des alten Eigentümers, oder nicht?

    Ich bin Weinkenner. Wenn ich Wein trinke, merke ich sofort: aah, Wein. (Han Twerker)

  • Zitat Luftikus:

    "...angenommen, dass das Beschwerdegericht ohne Zurückverweisung an das Vollstreckungsgericht nach § 101 ZVG eigenständig sachlich zu entscheiden hat (z. B. das Verfahren gem. § 28 ZVG aufzuheben)."

    § 101 ZVG besagt lediglich, dass das Beschwerdegericht selbst zu entscheiden hat, ergo den Zuschlag versagt oder erteilt. Andere Verfahrensentscheidungen (z.B. die sich aus seiner Entscheidung möglicherweise ergebenden Folgen wie § 28 ZVG) hat es jedoch nicht zu treffen. Ungewöhnlich an dem Fall ist doch nur die lange Zeitspanne zwischen Zuschlag und dessen Aufhebung, nicht der formaljuristische Weg (der ist allenfalls ungewöhnlich selten).

  • Jaeckel/Güthe, 6.Aufl., Nr. 3 zu § 102:

    "Die Beantwortung der Frage, wie sich das Vollstreckungsgericht zu verhalten hat, wenn der von ihm erteilte Zuschlag, aufgrund dessen das Verfahren weitergeführt worden ist, vom Beschwerdegericht aufgehoben wird, hängt davon ab, bis zu welchem Abschnitt das weitere Verfahren gediehen ist. ... Soweit dagegen der Versteigerungserlös durch Zahlung an die Berechtigten bereits abgeführt ist, hat das Vollstreckungsgericht dem Ersteher die Geltendmachung seiner Rechte zu überlassen und ihn auf den Prozeßweg zu verweisen. Bezüglich der Eintragungen im Grundbuch steht es ebenso. ... Dagegen ist es (das Vollstreckungsgericht -B.J.) weder verpflichtet noch berechtigt, die bereits erfolgte Eintragung löschen zu lassen oder für die Wiederherstellung des früheren Buchzustandes zu sorgen oder die Rechte des Erstehers und der übrigen Beteiligten durch das Ersuchen um Eintragung von Vormerkungen oder Widersprüchen zu sichern. ... Die Beteiligten müssen vielmehr selbst die Berichtigung des Grundbuchs betreiben (§ 894 BGB) ..."

  • Jaeckel/Güthe, 6.Aufl., Nr. 3 zu § 102:

    "Die Beantwortung der Frage, wie sich das Vollstreckungsgericht zu verhalten hat, wenn der von ihm erteilte Zuschlag, aufgrund dessen das Verfahren weitergeführt worden ist, vom Beschwerdegericht aufgehoben wird, hängt davon ab, bis zu welchem Abschnitt das weitere Verfahren gediehen ist. ... Soweit dagegen der Versteigerungserlös durch Zahlung an die Berechtigten bereits abgeführt ist, hat das Vollstreckungsgericht dem Ersteher die Geltendmachung seiner Rechte zu überlassen und ihn auf den Prozeßweg zu verweisen. Bezüglich der Eintragungen im Grundbuch steht es ebenso. ... Dagegen ist es (das Vollstreckungsgericht -B.J.) weder verpflichtet noch berechtigt, die bereits erfolgte Eintragung löschen zu lassen oder für die Wiederherstellung des früheren Buchzustandes zu sorgen oder die Rechte des Erstehers und der übrigen Beteiligten durch das Ersuchen um Eintragung von Vormerkungen oder Widersprüchen zu sichern. ... Die Beteiligten müssen vielmehr selbst die Berichtigung des Grundbuchs betreiben (§ 894 BGB) ..."




    :daumenrau:daumenrau:daumenrau

  • Zitat Bang-Johansen:
    "Jaeckel/Güthe, 6.Aufl., Nr. 3 zu § 102"


    Korintenberg-Wenz - 6. Auflage - war anderer Meinung...

    ... aber mit Jaeckel/Güthe hat man ein besseres Argument, untätig zu bleiben als mit "wir haben keine Akten mehr..."

  • Auch wenn das Zitat aus dem mir nicht zur Verfügung stehenden Jaeckel/Guethe, wie ich zugeben muss, nicht mit der von mir vertretenen Meinung deckungsgleich ist, macht es doch Spaß, mal wieder einen interessanten Sachverhalt zu diskutieren und zu beleuchten, der nicht durch einen schnellen Blick ins Gesetz oder den Kommentar zu erledigen ist. Danke für die anregende Diskussion.

    An der Einstellung der Entscheidung im Forum bin ich mit rainermdvz dran, kann aber noch ein wenig dauern.

  • An der Einstellung der Entscheidung im Forum bin ich mit rainermdvz dran, kann aber noch ein wenig dauern.


    Danke, Kai und Rainer!

    ...macht es doch Spaß, mal wieder einen interessanten Sachverhalt zu diskutieren und zu beleuchten, der nicht durch einen schnellen Blick ins Gesetz oder den Kommentar zu erledigen ist.

    :daumenrau (Daher auch mein Wunsch, die Entscheidung hier im Forum zu publizieren).

  • Auch wenn das Zitat aus dem mir nicht zur Verfügung stehenden Jaeckel/Guethe, wie ich zugeben muss, nicht mit der von mir vertretenen Meinung deckungsgleich ist, macht es doch Spaß, mal wieder einen interessanten Sachverhalt zu diskutieren und zu beleuchten, der nicht durch einen schnellen Blick ins Gesetz oder den Kommentar zu erledigen ist. Danke für die anregende Diskussion.


    Finde ich auch.

    Die Meinung von Jaeckel/Guethe ist sicherlich interessant, alle anderen Kommentatoren, die ich kenne, sind allerdings anderer Ansicht.
    Ich stelle mir gerade vor, dass einige Beteiligte die Berichtigung des Grundbuchs betreiben, andere aber nicht, weil sie hintere Rangstellen belegen und kein Interesse mehr haben, ihr Recht wieder eintragen zu lassen oder es einfach vergessen. Letztlich würde dies zu einer Besserstellung des Schuldners führen. Wie kriegen die Beteiligten überhaupt mit, dass eine Rückabwicklung erfolgt?

  • LNK:

    Das Versteigerungsgericht ist verpflichtet alles zu tun, was ihm noch möglich ist, um die Folgen des Zuschlags und der erfolgten Erlösverteilung rückgängig zu machen. So sind zum Beispiel etwa noch nicht ausgezahlte (überwiesene) Beträge zurückzuhalten oder Hinterlegungen rückgängig zu machen.
    Im Übrigen müssen sich die Berechtigten über eine Rückabwicklung gemäß BGB einigen oder nötigenfalls vor dem Prozessgericht auseinander setzen.
    Im Hinblick auf die daraus resultierenden Probleme sind die Versteigerungsgerichte zumeist bemüht diese Verfahrenskonstellation durch Verschiebung des Verteilungstermins bis zur Rechtskraft der Zuschlagsentscheidung zu vermeiden. Die Vorschrift ist daher von relativ geringer Praxisrelevanz.

  • In meinem Urteil wird u. a. auf ein Urteil des OLG Oldenburg verwiesen. Bis zur Einstellung "unseres" Urteils könnt ihr dieses Urteil schon mal geniessen.


    Zur Zulässigkeit der Nichtigkeitsbeschwerde gegen den Zuschlagsbeschluß nach Beendigung des Zwangsversteigerungsverfahrens.


    OLG Oldenburg, Beschluß vom 18.10.1989 - 2 W 154/88

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