§ 120 a ZPO Erfahrungen ?

  • Da es sich allerdingens bei § 124 ZPO nur um eine Sollvorschrift handelt , dürften die von S.H. eingebrachten Ausnahmebegründungen - soweit sie glaubhaft sind - im Beschwerdeverfahren durchaus beachtlich sein.

    Das denke ich auch. Aber bloße "Nachholung" der unterlassenen Erklärungen dürfte nicht ausreichen.

    Komplizierte Probleme heißen komplizierte Probleme, weil es keine einfachen Lösungen für sie gibt, sonst hießen sie einfache Probleme.

    - Frank Nägele, KStA v. 25.3.17 -

  • Ernst P.'s "Desto eher und "härter" man entscheidet, desto schneller wird es auch Rechtsprechung der Beschwerdegericht geben." möchte ich entgegensetzen "Es bedarf einer fundierten, abgewogenen und nicht lediglich aus Gründen der Rechtsfortbildung getroffenen Entscheidung.". Ich könnte mir vorstellen, dass das einem andernfalls auch peinlichst in der Rechtsmittelentscheidung um die Ohren gehauen wird.

    Aber es ist doch eine fundierte Entscheidung, wenn man sagt, dass über ein Monat später nicht mehr unverzüglich ist und deshalb aufgehoben wird. Das ist doch eine legitime Wertung des unabhängigen Rplfs. Und warum sollte es peinlich sein, wenn das Beschwerdegericht dann eine andere Rechtsauffassung als der Rpfl vertritt? :confused:

  • Wortlautauszug der Vorschrift:
    "Änderungen ihrer Anschrift absichtlich oder aus grober Nachlässigkeit unrichtig oder nicht unverzüglich mitgeteilt hat;"

    Neben der Definition des Zeitraums "nicht unverzüglich" wäre es interessant zu wissen, wann dies als "absichtlich" oder "aus grober Nachlässigkeit" zu bewerten/beurteilen ist (individuell an der Person ausgerichtet oder pauschal).

    Gibt es eigentlich noch die Möglichkeit die Angaben im Rechtsmittelverfahren nachzuholen (z.B. das die wirtschaftlichen und persönlichen Verhältnisse sich nicht wesentlich verbessert haben) und die Aufhebung dadurch rückgängig zu machen?

    M.E. geht es darum den § 124 ZPO mit Sinn zu füllen und trotz der Ausgestaltung als Sollvorschrift nicht sinnentleert rein formal abzuhandeln.


    Nur zur Klarstellung:
    Die Voraussetzungen sind voneinander unabhängig.
    ... wesentliche Verbesserungen ihrer Einkommens- und Vermögensverhältnisse oder Änderungen ihrer Anschrift
    a) absichtlich oder aus grober Nachlässigkeit unrichtig oder
    b) nicht unverzüglich
    mitgeteilt hat ...
    Das "absichtlich" und die "grobe Nachlässigkeit" beziehen sich nur auf die unrichtige Mitteilung. In der mangelnden Unverzüglichkeit steckt die Schuld ja schon im Zögern.

    Ansonsten sehe ich es wie Ernst P..

  • Da es sich allerdingens bei § 124 ZPO nur um eine Sollvorschrift handelt , dürften die von S.H. eingebrachten Ausnahmebegründungen - soweit sie glaubhaft sind - im Beschwerdeverfahren durchaus beachtlich sein.

    Das denke ich auch. Aber bloße "Nachholung" der unterlassenen Erklärungen dürfte nicht ausreichen.


    Das ist die spannende Frage.

    Bislang war es z. B. zu berücksichtigen, wenn nach dem Abänderungsbeschluss die PKH-Partei im Beschwerdeverfahren noch weitere fnanzielle Belastungen nachgewiesen hat oder nach erfolgter Aufhebung nunmehr im Beschwerdeverfahren die zuvor unterlassene Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse abgab.

    Lässt sich ggf. aus der Gesetzesbegründung erkennen, dass die nicht unverzügliche Mitteilung der neuen Anschrift nunmehr Sanktionscharakter haben soll mit der Folge, dass eine Nachholung im Beschwerdeverfahren gegen die Aufhebung nichts mehr nutzt? :gruebel:

  • Mmmm...
    "Unverzüglich" bedeutet meines Wissens "ohne schuldhaftes Zögern". In einem Beschwerdeverfahren kann es dann doch eigentlich "nur" noch um die Frage gehen, ob ein schuldhaftes Zögern vorliegt. Oder?

    Komplizierte Probleme heißen komplizierte Probleme, weil es keine einfachen Lösungen für sie gibt, sonst hießen sie einfache Probleme.

    - Frank Nägele, KStA v. 25.3.17 -

  • Wieder etwas gelernt. Danke! Wobei beides nach meinem Verständnis auch auf nicht unverzüglich passt und m.E. auch erst Sinn macht sowie nach den Gesetzesmaterialien dem mutmaßlichen Willen des Gesetzgebers entspricht - vgl. http://dip21.bundestag.de/dip21/btd/17/114/1711472.pdf auf S. 34, 35.

    Ich bleibe also vorerst dabei: Sanktioniert wissen will der Gesetzgeber auch bei der Anschriftenänderung erst grobe Nachlässigkeiten, nicht bereits einfache Fahrlässigkeit (z.B. wenn ein Verfahren in dem PKH ohne Raten bewilligt worden ist bereits seit drei Jahren abgeschlossen ist und die PKH-Partei bei nicht wesentlich verbesserten wirtschaftlichen und persönlichen Umständen nicht daran denkt ihren Umzug mitzuteilen).

    Andernfalls mag es der Arbeitserleichterung dienen regelmäßige Meldeauskünfte einzuholen, um der Vorschrift flächendeckend Genüge zu tun. (Dann mag sich auch ein gewisser Erfolg einstellen.:flucht:)

    5 Mal editiert, zuletzt von Little Steven (19. September 2014 um 15:08)

  • M. E. ist es eindeutig, dass der Gesetzgeber die nicht unverzügliche Mitteilung der Anschriftenänderung oder die Änderung der wirtschaftlichen Verhältnisse um mehr als 100,00 € sanktionieren wollte.

    Erfolgt die Mitteilung daher nicht unverzüglich, ist die PKH/VKH aufzuheben. Eine Nachholung der Mitteilung im Rahmen der Beschwerde dürfte nur in ganz seltenen Ausnahmefällen möglich sein (Partei/Beteiligter lag komatös im Krankenhaus etc.). Alle anderen werden damit leben müssen, dass die PKH/VKH schneller aufgehoben werden kann, und auch aufgehoben bleibt.

    Bei uns findet in der Regel die erste Überprüfung 2 Jahre nach Abschluss des Verfahrens statt. In NRW haben die Gerichte (auch Rechtspfleger) die Möglichkeit einer Online-EMA-Anfrage (Entweder über JUDICA oder das Web-Portal). In der Auskunft des Web-Portals kann man meisten sehen, wann die Ummeldung erfolgt ist. Ich beabsichtige daher in gut einem Jahr vor der Fertigung des Aufforderungsschreibens nach § 120a Abs. 1 S. 3 ZPO erst eine Auskunft einzuholen. Hat sich nach dieser die Partei / der Beteiligte schon vor Monaten an eine andere, als die bisher dem Gericht bekannt Anschrift umgemeldet, werde ich direkt aufheben ohne vorher anzuschreiben (abhelfen könnte ich ja notfalls immer noch, aber die Fälle dürften sich sehr beschränken (s. o.).


    Zur Klarstellung bzgl. des alten Antragsformulars und der Belehrung im Bewilligungsbeschluss:

    Bei uns kam es in der Übergangszeit und kommt es jetzt teilweise immer noch vor, dass Antragsteller das alte Antragsformular verwenden. Dieses enthält keine Belehrung bzgl. der neue Mitteilungspflichten. Wenn dann der Richter / Rechtspfleger keine Zwischenverfügung schreibt und auch im Bewilligungsbeschluss keine Belehrung einbaut, wird man später bei Verstoß gegen die Mitteilungspflichten die VKH/PKH nicht aufheben können.


    In der Text-Software TSJ gibt es jedoch bei der Abfassung des Bewilligungsbeschlusses einen Baustein der die entsprechenden Belehrungen vorsieht. Dieser wird hier von den meisten Richtern und Rechtspflegern auch "angelickt", so dass auch bei widerrechtlicher Verwendung des alten Antragsformulars die Partei/der Beteiligte später nicht sagen kann "von den Mitteilungspflichten wusste ich gar nichts". Daher hatte ich bei meinem obigen Posting geschrieben, dass ich aufheben würde, wenn entweder das neue Formular verwand wird oder der Bewilligungsbeschluss die entsprechende Belehrung enthält (In der Umstellungsphase bestand noch das zuätzlich Problem mit TSJ, dass zwar eine Belehrung bzgl. der 100 €-Änderung, jedoch keine bzgl. der Anschrift enthalten war.:( Das wurde aber zwischenzeitlich von der Verfahrenspflegestelle nachgearbeitet. Man muss nur darauf achten, dass meine ggf. seine eigene Verfügung anpasst, wenn man sich damals die fehlerhafte Verfügung als Favorit / "eigene" Verfügung abgespeichter hat).

    "Der Staat ist vom kühlen, aber zuverlässigen Wächter zur Amme geworden. Dafür erdrückt er die Gesellschaft mit seiner zärtlichen Zuwendung."

  • ... In der Text-Software TSJ gibt es jedoch bei der Abfassung des Bewilligungsbeschlusses einen Baustein der die entsprechenden Belehrungen vorsieht. Dieser wird hier von den meisten Richtern und Rechtspflegern auch "angelickt", so dass auch bei widerrechtlicher Verwendung des alten Antragsformulars die Partei/der Beteiligte später nicht sagen kann "von den Mitteilungspflichten wusste ich gar nichts". ...

    Angesichts des Wortlautes von § 120a Abs. 2 Satz 4 ZPO

    Zitat

    Hierüber und über die Folgen eines Verstoßes ist die Partei bei der Antragstellung in dem gemäß § 117 Absatz 3 eingeführten Formular zu belehren.

    dürfte auch diese Verfahrensweise nicht unproblematisch sein, denn "bei der Antragstellung" ist nicht gleichzusetzen mit "mit Bewilligungsbeschluss". Ich denke, der Wortlaut der Vorschrift ist eindeutig auf die vorherige Belehrung gerichtet.

  • Die "ökonomische" Verfahrensweise in #27 zeugt von einem gewissen (,nicht ganz unerwarteten) Eifer.
    Ein Blick in die Gesetzesmaterialien (siehe link in #26) indes mag helfen, in der Sache nicht über das gesetzgeberische Ziel hinauszuschießen.

    Auf S. 35 findet sich dort:

    "Zu Doppelbuchstabe dd (Absatz 1 Nummer 4)
    Kommt die bedürftige Partei ihrer Mitteilungspflicht nach § 120a absatz 2 Satz 1 -neu- nicht nach, soll dies in der Regel ebenso zur aufhebung der Bewilligung der Prozesskostenhilfe führen wie die Verweigerung einer Erklärung nach aufforderung gemäß § 120a Absatz 1 Satz 3 -neu- (bisher: § 120 Absatz 4 Satz 2). Der neue Absatz 1 nummer 4 enthält daher einen entsprechenden Aufhebungstatbestand. Nicht nur Unterlassen einer Änderungsmitteilung führt zu einer aufhebung, sondern auch eine zwar erstattete, aber inhaltlich unrichtige Änderungsmitteilung. Diese Sanktion ist in der Regel angemessen, weil die bedürftige Partei bei der Antragstellung auf ihre Mitteilungspflichten und auf Rechtsfolgen eines Verstoßes hingewiesen worden ist. Die Einschränkung auf absichtliche und grob nachlässige Pflichtverletzungen entspricht den subjektiven Voraussetzungen für eine Aufhebung gemäß Absatz 1 Nummer 2. sollte diese Voraussetzung nicht vorliegen, bleibt gleichwohl die Möglichkeit einer rückwirkenden Änderung der Bewilligung gemäß § 120a Absatz 1 -neu- (bisher: § 120 Absatz 4)."

  • Ich teile den Parteien (bei denen ich nachprüfen will) immer die Kosten mit. In diesem Schreiben habe ich nochmals den Hinweis auf die Mitwirkungspflichten reingepackt.

    Es kamen auch schon verschiedentlich Verbesserungsmitteilen, jedoch führte da noch nix zu einer Zahlungsanordnung.

  • Ja ist denn heut schon Weihnachten ?

    Heute morgen die erste unaufgeforderte Mitteilung der Adressänderung einer VKH-Partei " neuen Rechts" erhalten.:eek:
    Hat jemand aus Versehen offenbar doch das Kleingedruckte gelesen.:(

  • Ich hatte davon schon einige und habe in zwei Fällen schon Raten angeordnet.

    Bei mir ist allerdings die Ausgangslage auch anders.

    Hinsichtlich der Aufhebung wegen Nichtmitteilung der Adressänderung (3 Monate später auf Nachfrage) ist eine Beschwerde beim LAG anhängig.

  • Wie siehts denn eigentlich aus mit der PKH-Partei ,die mtl. brav ihre Raten zahlt und es ( nur ) versäumt , Adressänderungen mitzuteilen ?
    Nach dem Wortlaut der Vorschriften §§ 120 a, 124 ZPO ist da ja jede PKH-Partei zur Mitteilung der Adressänderung verpflichtet .

    Ich würde mal meinen, dass man in dem Fall von einer Aufhebung im Rahmen des Ermessens absieht.
    Hab das nämlich schon mehrfach von den Adressänderungen über die Landesoberkasse erfahren, die hier die Raten einzieht.

  • Da habe ich zweimal aufgehoben:

    Jede Partei ist zur Mitteilung verpflichtet. Das soll ja auch der Kasse helfen, die Raten einzuziehen. Wie gesagt, ein Fall ist in der Beschwerde, bei einem anderen Fall hatte ich nach 1 Monat und einem Tag aufgehoben, das ist leider rechtskräftig geworden.

    Ich lass mir daher alle 2014er Ratenverfahren vorlegen, aus denen sich eine Anschriftenänderung ergibt.

  • Tja gut ; die Kasse hat aber in meinen Fällen keine Probleme , die Raten einzuziehen.
    Die Daueraufträge der Partei laufen ja unabhängig von deren Wohnort weiter.

    Ich wollte ausdrücklich meinen Fall auf

    a.) die braven Ratenzahler , die gleichzeitig
    b.) böse Nichtadressmitteiler sind,

    beschränkt wissen.
    Die Kombi lautet also "brav und bös" und nicht " bös und bös".;)

  • Tja, da wird man sehen müssen: Ich find die Mitteilungspflichten eh nicht gelungen.

    Aber brav und bös dürfte nach dem Gesetzeswortlaut auch zu einer Aufhebung führen.

    Finde ich zwar auch nicht gut, aber wenn der Gesetzgeber meint. Im übrigen bleibt es ja abzuwarten, was die Beschwerdegerichte draus machen werden.

  • Ich sehe das lieber bissel praktisch und nicht nur mit den Scheuklappen des Gesetzes. Wenn die Partei ihre Raten immer zahlt und ich von einer neuen Adresse erfahre, die sie nicht mitgeteilt hat, würde ich die PKH nicht aufheben sondern (ggf. neben der Prüfung, ob auch höhere Raten gehen würden) auf die Mitteilungspflicht und mögliche Konsequenzen bei erneutem Verstoß hinweisen.
    Momentan hat ja keiner Stress, wenn die Zahlungen pünktlich kommen. Warum soll das jemand ändern wollen? Wenn aber ein Gesamtbetrag X sofort fällig wird und die Partei das nicht zahlen kann, muss die Kasse anfangen mit Mahnung, Vollstreckung usw. Ob das wirklich besser ist, da habe ich so meine Zweifel. Am Ende kommt vielleicht sogar weniger rum.

  • Ich sehe das lieber bissel praktisch und nicht nur mit den Scheuklappen des Gesetzes. Wenn die Partei ihre Raten immer zahlt und ich von einer neuen Adresse erfahre, die sie nicht mitgeteilt hat, würde ich die PKH nicht aufheben sondern (ggf. neben der Prüfung, ob auch höhere Raten gehen würden) auf die Mitteilungspflicht und mögliche Konsequenzen bei erneutem Verstoß hinweisen.
    Momentan hat ja keiner Stress, wenn die Zahlungen pünktlich kommen.

    :daumenrau

  • Tja, ich würde Beldel ja zustimmen, nur lässt mir der Gesetzgeber da leider keinen Ermessensspielraum.

    Aber es ist ja ein neues Thema, das kann noch spannend werden.

  • Tja, ich würde Beldel ja zustimmen, nur lässt mir der Gesetzgeber da leider keinen Ermessensspielraum.


    Mir schon. Bisher wurde noch jedes Gesetz irgendwie aufgeweicht. ;)
    Es wäre für mich immer eine Einzelfallentscheidung. Und ich kassiere lieber ein paar Mäuse für die Staatskasse ein als gar keine, nur weil ich mich zu stur an den Gesetzestext halte.

    Aber es ist ja ein neues Thema, das kann noch spannend werden.


    Ich bin schon gespannt auf die ersten RM-Entscheidungen, wenn aufgehoben wurde.

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