Vorzeitige RSB nach InsO n.F. bei keiner angemeldeten Forderung

  • Ich kann mir nicht vorstellen, dass der BGH das Gesetz aufhebt.
    Wenn man sich das mal in der Praxis vorstellt, könnte das bedeuten, dass Schuldner zu Kreditaufnahmen aufgrund der schnellen RSB-Erteilung animiert werden. z.B.:

    Schuldner X nimmt einen Kredit i.H.v. 10.000,00 € auf. Hiervon benötigt er 6.500,00 € für den Konsum und 3.500,00 € für die "Nebenkosten". Die 3.500,00 € gibt er einen Dritten zur Verwahrung. Der Schuldner bekommt Kostenstundung bewilligt.
    Nun bietet der Schuldner Gläubiger Y nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens eine Quote von 35 % (3.500,00 €) an, damit dieser seine Forderung nicht zur Tabelle anmeldet. Wenn er Glück hat, nimmt Gl. Y das Angebot an und der Schuldner bekommt aufgrund der bewilligten Kostenstundung sofort die RSB. Wenn nicht, muss der Schuldner 3 Jahre warten, denn bei konsequenter Umsetzung des Schwachsinns müsste ihm bei Kostenstundung und 35 % Quote bereits nach 3 Jahren die RSB erteilt werden.

    Die Verfahrenskosten haben Priorität. Das ergibt sich m.E. aus dem System des § 53ff InsO. Die Kostenstundung kann daran nichts ändern.

  • Ich finde viel schlimmer, was ist mit den Fällen, wo im Schlussverzeichnis nur geringe Forderungen angemeldet und festgestellt sind. wie häufig hat man hier Schlussverzeichnisse mit bis zu 1.500 € Summen. warum sollte der Schuldner dann noch die Kosten freiwillig zahlen? Wenn er dann 1.500 hat - wie auch immer - zahlt er die Gläubiger ab und wird vorzeitig befreit.

    ---------------------------------------------
    " Die Titanic wurde von Profis erbaut... Die Arche Noah aber von 'nem Amateur. Verstehen Sie, was ich meine?" (Bernd Stromberg)

  • Ich finde viel schlimmer, was ist mit den Fällen, wo im Schlussverzeichnis nur geringe Forderungen angemeldet und festgestellt sind. wie häufig hat man hier Schlussverzeichnisse mit bis zu 1.500 € Summen. warum sollte der Schuldner dann noch die Kosten freiwillig zahlen? Wenn er dann 1.500 hat - wie auch immer - zahlt er die Gläubiger ab und wird vorzeitig befreit.

    Ja, das stimmt. Viel schlimmer...

  • Diese babylonische Verstimmung ist doch nicht dem Gesetzgeber anzulasten, hatten wir doch auch schon einmal weiter oben. Der sprach (17/11268, Seite 30) von Kostenberichtigung (vor der Klammer) bzw. Kostentilgung (zur sofortigen RSB)), überobligatorischen Anstrengungen (nach drei Jahren) und Schaffung von Anreizen (nach fünf Jahren), um eine vorzeitige Erteilung der RSB zu erreichen. Mit anderen Worten: der Schuldner muss was tun, um in den Genuss der vorzeitigen RSB zu kommen, da Verfahren ist auch ohne Gläubiger nicht sinnentleert. Alles andere wäre auch verwunderlich, weil an anderen Stellen der Novellierung die Zügel für den Schuldner deutlich angezogen worden sind, § 287a InsO, § 290 I Nr. 7 InsO, § 297a InsO. habe ich etwas vergessen. Und gerade an der Stelle, wo es ums liebe Geld geht, wird dann nicht mehr auf die Verantwortung bzw. Anstrengungen des Schuldners abgehoben?


    Warum manche nun trotzdem der Auffassung sind, man könnte weitermachen wie bisher, kann an dieser Stelle offen bleiben. Vielleicht will man somit den Restschuldbefreiungstourismus fördern ? Vielleicht gehen ja die Studentenzahlen zurück und man will so die Einwohnerzahl halten :teufel:. ?

    [SIGPIC] [/SIGPIC] Vertrauue miiir (Kaa: Das Dschungelbuch, 4. Akt, 3. Szene)

  • Diese babylonische Verstimmung ist doch nicht dem Gesetzgeber anzulasten, hatten wir doch auch schon einmal weiter oben. Der sprach (17/11268, Seite 30) von Kostenberichtigung (vor der Klammer) bzw. Kostentilgung (zur sofortigen RSB)), überobligatorischen Anstrengungen (nach drei Jahren) und Schaffung von Anreizen (nach fünf Jahren), um eine vorzeitige Erteilung der RSB zu erreichen. Mit anderen Worten: der Schuldner muss was tun, um in den Genuss der vorzeitigen RSB zu kommen, da Verfahren ist auch ohne Gläubiger nicht sinnentleert. Alles andere wäre auch verwunderlich, weil an anderen Stellen der Novellierung die Zügel für den Schuldner deutlich angezogen worden sind, § 287a InsO, § 290 I Nr. 7 InsO, § 297a InsO. habe ich etwas vergessen. Und gerade an der Stelle, wo es ums liebe Geld geht, wird dann nicht mehr auf die Verantwortung bzw. Anstrengungen des Schuldners abgehoben?


    Warum manche nun trotzdem der Auffassung sind, man könnte weitermachen wie bisher, kann an dieser Stelle offen bleiben. Vielleicht will man somit den Restschuldbefreiungstourismus fördern ? Vielleicht gehen ja die Studentenzahlen zurück und man will so die Einwohnerzahl halten :teufel:. ?

    Restschuldbefreiungstourismus:wechlach::wechlach: Sehr schön.
    Den wird es bei uns nicht geben. Wir halten uns an das Gesetz, da eindeutig :cool:.

  • Ich würde auf das zu erwartende Ergebnis ja glatt Wetten abschließen wollen....

    Die möchte ich sehen. Ich finde, in den letzten Jahren konnte man beim BGH auf nix mehr wetten. Da war oft rein in die Kartoffel, raus aus der Kartoffel... ich sage nur Vorsteuerabzug, Zustellungskosten, Zuschläge etc.


    Also ich würde da auch keine Wette drauf abschließen.

    Im besten Fall trifft der BGH eine Entscheidung, die quasi auch auf eine faktische Jedes-Mal-Verkürzung auf 5 Jahre bei Kostenstundung hinauslaufen müsste.

    Anderweitige Abstufungen erschienen mir in der Konsequenz schwierig und eher inkonsequent.

    Dann war's das mit den 6 Jahren und warum auch nicht, wäre zwar Rechtsfortbildung gegen das Gesetz, aber letztlich stellt doch das jetzt gesetzlich Vertexte auch nur die aufgegriffene Rechtsfortbildung des BGH dar.

    Also mir wäre da zwar alles recht, aber persönlich fände ich es eigentlich doch netter:

    > 5 Jahre für Alle + den Ansatz einer weiter möglichen Verkürzung aufgrund der Kostenthematik dafür ersatzlos streichen und bei der Gelegenheit den 3-Jahres-Murks auch gleich mit. Alles viel zu kompliziert. Wird sonst die Gerichte aufgrund von Einzelfällen gleichwohl jahrelang mühsam immer wieder mal beschäftigen; eine praktische "Verständnis-Routine" wird sich nicht einstellen, weil zu selten.

    5-4-All und gut ist: > § 300 InsO wieder verschlanken, bevor er überhaupt zur Anwendung gelangen kann, den versteht doch keine Sau. Reine ABM für die Erst-Gerichte, die sie nicht brauchen und den BGH, der den aber wahrscheinlich Klasse findet und sich schon die Hände reibt ...

    Aber mich fragt ja keiner :D

  • Warum manche nun trotzdem der Auffassung sind, man könnte weitermachen wie bisher, kann an dieser Stelle offen bleiben. Vielleicht will man somit den Restschuldbefreiungstourismus fördern ? Vielleicht gehen ja die Studentenzahlen zurück und man will so die Einwohnerzahl halten :teufel:. ?

    Naja, es ist aber wohl nicht zu leugnen, dass die InsO n.F. diesbezüglich nicht gerade zielführend ist. Was bringt es denn, wenn man das Verfahren künstlich über sechs Jahre in die Länge ziehen muss und dadurch jedes Jahr noch € 119,00 Vergütung mehr anfallen. Und das alles nur, weil ja vielleicht theoretisch irgendwann eine Einnahme erzielt werden könnte.

    Da wäre es dann schon sinnvoller, frühzeitig Schluss zu machen und eine entsprechende Lösung auch in der InsO zu verankern. Es sollte hier eine Anpassung an die Gegebenheiten erfolgen, dass es sich in vielen Fällen nur noch um wirtschaftliches sinnloses Verfahren handelt, das um seiner selbst willen durchgeführt wird.

    Wenn es weder pfändbares noch einzusetzendes Einkommen gibt, kann die Akte eigentlich nur eines, nämlich schnellstmöglich weg. Bei keinem pfändbaren, aber einzusetzenden Einkommen können dann natürlich noch die Zahlungen nach § 4b InsO eingetrieben werden. Das u.U. sechs Jahre zu schieben, wenn im Verfahren selbst keine Einnahme zu gegenwärtigen sein wird, ist absurd.

  • nun, in diesem Zusammenhant witzig ist die Einganssentenz von # 121:
    "Ich kann mir nicht vorstellen, dass der BGH das Gesetz aufhebt."

    Sorry, will damit nicht die Posterin vorführen, sondern nur auf etwas hinweisen:
    Der BGH hat sich zunehmend unter Verstoß gegen den Gewaltenteilungsgrundsatz zum Ersatzgesetzgeber aufgeschwungen. Daher wohl auch schon die Auffassung, er könne Gesetze aufheben (sorry, M. nicht böse gemeint was Dein Posting betrifft). Es kommt offenbar bei Praktiktern dann schon zur Einsicht, der BGH könne sich - verbindlich - für die Front (also uns) zum Ersatzgesetzgeber aufschwingen......
    also danach, wir backen uns all unser eigenes Recht, vgl. BGH und wenn auch analog, und wenn das nicht passt, ja, hat der Gesetzgeber zwar so gesagt, aber nicht so gemeint, auch wenn er von dem Problem wusste, aber bestimmt am Tag der Beratung vergessen.... und so weiter. Nein, und die Natur des Rechts deren Schöpfung ja letztlich nicht im gesetzgeberischen Willen seinen wahren, wirklichen Audruck findet, sondern nur eine Andeutung dessen erfährt, was Recht sein könnte, um dem im überpositiven Recht wurzelnden "richtigen" Recht nahezukommen, Rechnung zu tragen, hat sich dies in der konkreten Entscheidung widerzufinden.....


    Und dann blicken irgendwann auch die Rechtsanwender in das "Gorgonenhaupt der Macht"(Kelsen zum Thema der Aufgabe des Gesetzespositivmus)..... späestens dann, wenn sie diese nicht mehr innehaben....

    herrschendes Recht ist das Recht der herrschenden
    Die Philosophen haben die Welt nur unterschiedlich interpretiert, es kommt darauf an, sie zu verändern! (K.M.)
    Ich weiß, dass ich nicht weiß (Sokrates zugeschrieben); jeder der mein Wissen erfolgreich erweitert, verbreitert mein Haftungsrisiko (nicht sokrates, nur ich)
    legalize erdbeereis
    :daumenrau

  • Defaitist

    Ich glaube, da hast du die Kollegin falsch verstanden, was vielleicht der vorgerückten Stunde deiner Antwort geschuldet ist. :gruebel:

    "Ich kann mir nicht vorstellen, dass der BGH das Gesetz aufhebt." heißt "Ich glaube nicht, dass der BGH der Rechtsbeschwerde stattgeben wird, weil das dann eine Entscheidung contra legem wäre."

    Eigentlich ziemlich offensichtlich.

    Zu deinen weiteren Ausführungen noch ein Zitat des BAG (2 AZR 343/05): "Er (der Bürger) wird nicht unterscheiden müssen - und auch nicht können -, ob sich die Rechtslage direkt aus der Norm erschließt oder sich aus den Konkretisierungen der Rechtsprechung ergibt."

    ... denn in Gottes Auftrag handeln jene, die Steuern einzuziehen haben. Römer 13,6

    Einmal editiert, zuletzt von Exec (25. Februar 2016 um 06:52)

  • Danke, Exec genauso meinte ich es.

    Es geht um die Vorschrift des § 300 InsO
    S. 1 Abtretungsfrist ist ohne vorzeitige Beendigung verstrichen
    S. 2 Abtretungsfrist ist vorzeitig beendet (Umkehrschluss) -

    S.2 Nr. 1 (unser Fall): "Hat der Schuldner die Kosten des Verfahrens berichtigt, entscheidet das Gericht auf seinen Antrag, wenn im Verfahren kein Insolvenzgläubiger eine Forderung angemeldet hat....." (Der Schuldner hat Schulden, die über die RSB erlöschen sollen!)
    Der Satz ist für mich mehr als eindeutig. Berichtigung ist für mich keine Kostenstundung.

  • Und jetzt nochmal das Totschlagargument von Mosser und anderen Kollegen:

    Wenn man § 300 S.2 so versteht, dass mit Berichtigung die Kostenstundung gemeint ist, müsste man konsequenter Weise auch die anderen Alternativen von S. 2 entsprechend umsetzen:

    Würde bedeuten:
    Sind die Kosten des Verfahrens gestundet, entscheidet das Gericht auf Antrag des Schulnders, wenn
    Nr. 1 z.B. die sonstigen Masseverbindlichkeiten berichtigt sind
    Nr. 2 3 Jahre verstrichen sind und eine 35 % Quote erreicht wurde
    Nr. 3 5 Jahre verstrichen sind.


    Die Alternativen würden aber dem System der §§ 53, 209 (Befriedigungsreihenfolge), 287 Abs. II InsO (Abtretungsfrist) widersprechen. Die Kosten des Verfahrens haben Priorität.

  • Manja
    sOOOO einfach kannst Du es dann doch nicht machen. In anderen Fällen als Nr. 1 sieht Göttingen durchaus die Notwendigkeit der Verfahrenskostenbedienung (=Zahlung).

    Und, auch wenn es textmäßig wieder einmal so nicht dort steht: bei Nr. 2 müssen auch die übrigen Masseverbindlichkeiten vollständig bedient sein.

    [SIGPIC] [/SIGPIC] Vertrauue miiir (Kaa: Das Dschungelbuch, 4. Akt, 3. Szene)

  • Die Argumentation von Göttingen ist mir bekannt. Ich finde sie dennoch nicht nachvollziehbar. In dem Fall waren zwar keine Insolvenzgläubiger vorhanden, aber Massegläubiger. Die Massegläubiger stehen über den Insolvenzgläubigern. Die Kostenstundung führt nicht zu einer Berichtigung der Massegläubigerforderungen.
    In § 207 InsO steht z.B. "Die Einstellung unterbleibt, wenn die Kosten nach § 4a gestundet werden...". In § 300 InsO steht jedoch Berichtigung der Verfahrenskosten. Das steht nichts von Kostenstundung.

  • Defaitist

    Ich glaube, da hast du die Kollegin falsch verstanden, was vielleicht der vorgerückten Stunde deiner Antwort geschuldet ist. :gruebel:

    "Ich kann mir nicht vorstellen, dass der BGH das Gesetz aufhebt." heißt "Ich glaube nicht, dass der BGH der Rechtsbeschwerde stattgeben wird, weil das dann eine Entscheidung contra legem wäre."

    Eigentlich ziemlich offensichtlich.

    Zu deinen weiteren Ausführungen noch ein Zitat des BAG (2 AZR 343/05): "Er (der Bürger) wird nicht unterscheiden müssen - und auch nicht können -, ob sich die Rechtslage direkt aus der Norm erschließt oder sich aus den Konkretisierungen der Rechtsprechung ergibt."

    Ne, falsch verstanden hat ich da wohl nix; mir war völlig klar, das Manja das nicht im Wortsinn so gemeint hat (habe in meinem Posting dies auch entsprechend hervorgehoben).
    Aber nur die Formulierung gab Anlass dazu, die Tendenzen des IX. Senats einmal kritsch zu hinterfragen (12 Jahre nach Eröffnung des Verfahres ist RSB zu erteilen - betrifft Verfahren vor in Kraft Treten der 2001'er Änderrung) und so weiter.... "Auslegung" von Üergangsregelungen ? was ist an einem Datum auszulegen.... ja ja ....
    Mir geing es nur darum, aufzuzeigen, dass der BGH auch in glasklaren Fällen contra legem entscheidet. Wenn das noch dazu führt, dass eine Kollegin - die ich wirklch sehr schätze - schreibt, der BGH "das Gesetz aufhebt", ist das sicherlich nicht der vorgerückten Stunde zuzuschreiben (haste aber wohlwollend formuliert, hierfür Dank) sondern gbit Anlass über den lapsus nachzugenken, der kommt nicht von ungefähr......; sondern weist auf den wunden Punkt hin

    herrschendes Recht ist das Recht der herrschenden
    Die Philosophen haben die Welt nur unterschiedlich interpretiert, es kommt darauf an, sie zu verändern! (K.M.)
    Ich weiß, dass ich nicht weiß (Sokrates zugeschrieben); jeder der mein Wissen erfolgreich erweitert, verbreitert mein Haftungsrisiko (nicht sokrates, nur ich)
    legalize erdbeereis
    :daumenrau

  • LG Essen, Beschluss vom 24.09.2015 - 10 T 328/15

    Unabhängig von der Frage, ob eine Stundung der Verfahrenskosten erfolgt ist oder nicht, ist die Berichtigung der Verfahrenskosten die vom Gesetzgeber postulierte Voraussetzung für eine vorzeitige Erteilung der Restschuldbefreiung.

Jetzt mitmachen!

Sie haben noch kein Benutzerkonto auf unserer Seite? Registrieren Sie sich kostenlos und nehmen Sie an unserer Community teil!