Eine Buchung der Anteile am ungetrennten Hofraum ist nicht (mehr) grundbuchfähig.
Der Neufassung des Grundstücksgrundbuches unter Zusammenschreiben der Anteile (in Gesamthandsgemeinschaft) steht doch aber nichts entgegen. Es geht hier auch nicht um fehlendes Rückgrat, ich denke nur auch ein klein wenig auch an die Bürger, die aus allen Wolken fallen werden (und ja, mir ist bewusst, dass Eigentum verpflichtet und sie sich hätten früher kümmern müssen).
Grundbuchfähigkeit ungetrennter Hofraum ab 1.1.2016
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Dann sollen diese Bürger eben dem Katasteramt die Türen einschlagen. Dort hat man offenbar lange genug geschlafen und müßte für den Ansturm jetzt ausgeruht sein.
Nur so ein Gedanke: Es gibt doch jetzt kein GB für das Grundstück, was Du umschreiben könntest. Müßte dann jetzt nicht auf das Anlegungsverfahren ausgewichen werden?
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:(, aber es gibt doch ein Grundstücksgrundbuch...nur nicht in maschineller Form ? Oder gehst du jetzt davon aus, dass mit Wegfall der Hofraumverordnung auch die Grundstücksgrundbücher zu Schließen sind?
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Die Frage für mich ist doch, ob Du überhaupt ein Grundbuch hast. Ein Bestandsblatt für die Gesamtfläche ohne weitere Angaben dürfte kaum ein Grundbuch darstellen. Daher kam ich auf die Idee mit dem Anlegungsverfahren. Hast Du aber ein Grundbuch mit einer richtigen Abt. I, dann wäre es wohl schon umzuschreiben. Auch wenn es praktisch tot ist, weil kein Eigentümer mehr mit seinem Eigentum was anfangen kann. Eine Kollegin sagte gerade, stell Dir vor, bei Dir schlägt der Blitz ein und Du brauchst Geld für die Reparaturen. Einen Kredit kannst Du vergessen, weil Du keine Sicherheit in Form eines Grundstückes, das belastet werden könnte, vorweisen kannst. Hier müssen in erster Linie die Eigentümer aktiv werden. Und zwar schnell.
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Der Leitsatz 2 des Urteils des VG Leipzig vom 15.01.2014, 1 K 964/11, lautet:
„Ein im Grundbuch eingetragener "Anteil am ungetrennten Hofraum" bezieht sich auf Grundstücke im Innenstadtbereich, die zwar hinsichtlich ihrer Außengrenzen, nicht aber hinsichtlich der einzelnen Anteile hieran vermessen und katastermäßig erfasst wurden. Fehlen Katasterangaben, ist ein "Anteil am ungetrennten Hofraum" im grundbuchrechtlichen Sinne nicht eintragungsfähig. (amtlicher Leitsatz)“
Und wenn etwas im grundbuchrechtlichen Sinne nicht eintragungsfähig ist, dann hat eine bestehende Eintragung die Fähigkeit verloren, die Rechtslage im grundbuchrechtlichen Sinne darzustellen.
Holzer führt dazu im Beck'schen Online-Kommentar GBO, Hrsg. Hügel, Stand: 01.06.2016, § 2 RN 18 aus:
„Ungetrennte Hofräume gehören zu den Grundstücken, die sich in der Örtlichkeit weder historisch noch anhand des Katasters ermitteln lassen, weil deren Grundstücksbegriff nicht auf die Übereinstimmung mit dem Kataster und damit der Wirklichkeit ausgerichtet ist“.
Mithin ist dann, wenn sich ein ungetrennter Hofraum als Grundstück durch das Liegenschaftskataster (oder einen Bodensonderungsbescheid; s. oben #7) nicht nachweisen lässt, das GB-Blatt nach § 35 Absatz 1 GBV zu schließen;
s. KEHE/Eickmannn, § 35 GBV RNern 1 ff.
https://books.google.de/books?id=wGxYL…C3%BCck&f=false
Eine Aufforderung nach § 35 Absatz 2 GBV kommt nicht in Betracht, weil die Frist zum Nachweis des Grundstücks in der Örtlichkeit bereits gesetzlich (zum 31.12.2015) bestimmt war. -
Die "Anteilsblätter" sind zu schließen, da sind wir uns einig. Aber was ist mit dem "Grundbuch", auf dem die gesamte ungetrennte Fläche verzeichnet ist? Nur noch darum geht es.
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Ebenso, weil es kein zulässiges Gesamthandsverhältnis für die beteiligten Eigentümer gibt.
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Ergänzung:
Das Gesamtgrundstück als solches kann schon deshalb nicht buchungsfähig sein oder bleiben, weil das Eigentum daran nicht dargestellt werden kann. Für die verschiedenen Eigentümer der nicht vermessenen Teilgrundstücke bestehen Flächenanteile (s. Böhringer, VIZ 1994, 63 ff und NotZBZ 3/2010, 84 ff, 90 mwN; Gutachten des DNotI im DNotI-Report 12/1995, 105 ff mwN). Die Größe der Anteile lässt sich nicht bestimmen. Es ist nicht einmal gesagt, dass alle Anlieger an diesem Grundstück Anteile haben. Frenz führt dazu in seiner Anmerkung zum Beschluss des BezG Erfurt (Besonderer Zivilsenat), vom 11.03.1992, W 16/91 in der DNotZ 1992, 804 ff, 808 ff aus (Hervorhebung durch mich): „Eine Darstellung der übrigen Grundstücksgrenzen und sonstigen — zahlreich vorhandenen — Gebäude fehlt. Statt dessen finden sich vielleicht an verschiedenen Stellen Hinweise auf Beiblätter. In diesen Beiblättern sind dann isoliert und in ganz unterschiedlichen Maßstäben vereinzelte (keineswegs alle vorhandenen!) Grundstücke zeichnerisch unter Angabe ihrer Flurstücksnummer festgehalten, die nach der Erstellung der Flurkarte herausgemessen und katasterlich fortgeschrieben wurden. Ihre Zuordnung nach Gestalt, Lage und Größe in das auf der Flurkarte dargestellte Gesamt-Flurstück ist hierdurch naturgemäß nicht möglich“.
Das BezG Erfurt führt in dem genannten Beschluss aus: „Fehlte diese Eintragung der Gebäudesteuernummer im Grundbuch bei einer dahin übernommenen, zu ungetrennten Hofräumen und Hausgärten gehörenden Parzelle, so ist Grundstückseigentum hieran im bürgerlich-rechtlichen Sinn nicht entstanden, weil ein eindeutig bestimmbarer Gegenstand des Immobiliar-Eigentums zu keiner Zeit vorgelegen hat. Ist die zu ungetrennten Hofräume und Hausgärten gehörige Parzelle zunächst mit ihrer in der Gebäudesteuerrolle enthaltenen Nummer in das Grundbuch eingetragen worden, diese Bezeichnung jedoch im Zuge späterer Umschreibungen des Grundbuchs aus welchen Gründen auch immer verlorengegangen, so kann derzeit aus dem Grundbuch nicht entnommen werden, dass ein Grundstück im Sinne des BGB eingetragen ist“.
Die Summe der einzelnen Eigentümern zustehenden Flächenanteile bildet auch nicht das Gesamtgrundstück. Ufer führt dazu in der DtZ 1992, 272/273 aus (Hervorhebung durch mich):
„Dass die Flächen mehrerer nicht einzeln vermessener Grundstücke im Kataster zu einem Sammel–Flurstück zusammengefasst sind – und dies ausnahmslos schon seit 1865, also vor der Grundbuchanlegung –, kann keine Auswirkung auf die Rechtsverhältnisse dieser Grundstücke untereinander haben. Sie sind und bleiben voneinander unabhängig; es ist kein Gesamt–Grundstück entstanden. Die Auffassung, es handele sich um Miteigentum, ist deshalb abwegig; sie findet auch in der Literatur und in der Grundbuchpraxis (seit 120 Jahren!) keine Stütze. Es besteht hier also kein Anlass und kein Recht, die Grundbücher der – vielfach sehr zahlreichen – “Miteigentümer” einzusehen, um deren Namen und die etwaigen Belastungen festzustellen“… -
Danke für die Suche. Da hat ja Else was zu kauen, aber auch gutes Futter für die Auseinandersetzungen mit Bürger und Obrigkeit.
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Welche Auseinandersetzungen?
Es wird einfach gesetzesmäßig gehandelt und fertig.
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Soweit die Theorie. In der gerichtlichen Praxis bringt aber nicht jeder Bürger und nicht jeder Vorgesetzte dieses Verständnis auf. Ein einfaches obrigkeitliches "Das ist eben so!" genügt vielen Bürgern (zurecht) nicht mehr. Da bleiben Auseinandersetzungen erfahrungsgemäß nicht aus.
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Mit dieser Einstellung wird es die Rechtspflegerschaft nie zu etwas bringen.
Oder schon mal was davon gehört, dass ein Richter seine Entscheidung rechtfertigt?
Dafür gibt es Rechtsmittel und den Dienstvorgesetzten gehen Sachentscheidungen überhaupt nichts an.
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Oder schon mal was davon gehört, dass ein Richter seine Entscheidung rechtfertigt?
Es ist für jeden Richter immer eine gute Idee, seine Entscheidungen zu begründen. Ein einfaches "Das ist halt so" reicht nicht aus, nicht einmal dann, wenn es sich um Richter am OLG handelt. Sonst kommt es zu Entscheidungen wie BVerfG, 1 BvR 735/09 ("objektiv willkürliche" und nicht begründete Streitwertfestsetzung (!)).Ab BayObLG mag das anders gewesen sein. Aber das gibt's ja nicht mehr.
In der Sache selbst wird man sich mit Horden von "enteigneten" (jedenfalls fühlen sie sich objektiv enteignet) Ex-Eigentümern ungeteilter Hofräume auseinandersetzen müssen, die - nicht ganz zu Unrecht - darauf hinweisen werden, dass für ungetrennten Hofraum "das Liegenschaftskataster von Amts wegen neu aufzustellen" war (z.B. § 16 Abs. 2 ThürVermGeoG).
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Es geht hier nicht um die Begründung der Entscheidung, sondern um deren nachträgliche Rechtfertigung - im Verhältnis zum wem auch immer.
Das Eingetragene ist aufgrund des Wegfalls der Grundbuchfähigkeit ein rechtliches Nullum. Durch die Schließung der Blätter ändert sich daran nichts.
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Und trotzdem muß ich als der Rechtspfleger, der für diese Schließung im GBA verantwortlich ist, den Leuten Rede und Antwort stehen. Die rennen nicht zu einem imaginären X, die kommen zu mir. Das hat nichts, aber auch gar nichts mit der Einstellung zum Beruf zu tun. Das ist die Wirklichkeit, der man sich stellen muß. Ich finde gerade dann einen Rechtspfleger gut, wenn er in der Lage ist, seine Entscheidung zu begründen und diese Begründung auch zu vertreten. "Haben wir schon immer so gemacht." und "Ist eben so." fand ich als Anwärter schon zum Kotzen. In der Prüfung hätte ich damit schließlich auch nicht kommen dürfen.
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Vielen Dank für eure konstruktiven Beiträge. Sollte jemandem noch weitere Rechtsprechung zur Verfügung stehen, bin ich für weitere Hinweise dankbar. Ich werde über den Ausgang der Geschichte(n) bei Gelegenheit berichten.
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Vielen Dank für diesen hochinteressanten und hochinformativen Diskussionsstrang!
Ich glaube, daß ich meinen dienstlichen Vorfahren dankbar sein muß, das damalige Grundsteuerkataster in Westfalen (ehemals westliche preußische Provinz) bereits in den 1820er Jahren ohne diese ungetrennten Hofräume aufgebaut zu haben. -
Ich halte den vorliegenden Thread vor allem deshalb für bemerkenswert, weil er offenbart, dass man Bedenken in Bezug auf etwas hat, was aufgrund der eindeutigen Rechtslage völlig bedenken- und alternativlos ist.
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Ich halte den vorliegenden Thread vor allem deshalb für bemerkenswert, weil er offenbart, dass man Bedenken in Bezug auf etwas hat, was aufgrund der eindeutigen Rechtslage völlig bedenken- und alternativlos ist.
Hätte der Kollege Böhringer nicht diesen inhaltlich haarsträubenden Aufsatz veröffentlicht, wäre es nicht zur Verunsicherung gekommen.
PS: Den Aufsatz von Böhringer zum Thema GVO-Genehmigung ab 01.01.2017 sollte man besser auch nicht lesen.
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Eindeutige Rechtslage? So, so... Bedenken- und alternativlos? Interessant...
Wo kommen wir hin, wenn es nicht mehr erlaubt ist zu fragen oder gar zu hinterfragen bzw. seine Bedenken zu äußern? -
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