Eingriff in sachliche Unabhängigkeit durch Verwaltung

  • Den ersten Fehler, den man machen kann, ist bereits, dass man sich irgendeinem Rechtfertigungszwang aussetzt. Man sagt einfach sinngemäß, dass dem Dienstvorgesetzten diese Dinge wegen § 9 RpflG nichts angehen und dann kann er meinetwegen am ausgestreckten Arm verhungern.

    Jede einzelne Sache ist so zu bearbeiten, wie es deren Schwierigkeit erfordert. Und daran ändert auch ein erhöhter Arbeitsanfall nichts. Es ist nicht richtig, zügig und dafür weniger gründlich, sondern gründlich und dafür weniger zügig zu arbeiten. Und an diese zutreffenden Argumentation wird sich jeder Dienstvorgesetzte die Zähne ausbeißen.

    Das Hauptproblem bei diesen Dingen ist - leider - das unzureichende Selbstbewusstsein und das mangelnde rechtspflegerische Selbstverständnis der Kollegen.

    Bei Richtern wäre derlei undenkbar - und bei Rechtspflegern ist es dies auch.

  • Wie wär`s denn mal mit Flucht-nach-vorne? "Ach, schön, dass Sie Zeit haben sich damit zu beschäftigen. Die Sache ist echt komplex und ich hab mir die Entscheidung nicht leicht gemacht. Eine zweite Sicht der Dinge wäre mir sehr recht. Vielleicht kommen wir ja zusammen zu einem anderen Ergebnis? Ich hab hier mal die wichtigsten Entscheidungen ausgedruckt, Zöller und Palandt fand ich zum Thema auch noch ganz interessant. Am besten Sie lesen sich erstmal in Ruhe ein, dann können wir alles durchgehen." - Fetten Stapel Papier auf den Schreibtisch legen und gehen. Ich wette spätestens nach der dritten Akte sinkt deren Motivation mit Dir Deine Arbeit zu diskutieren gewaltig...

  • Das Ganze wird aber auch schnelle zum Bumerang. Deine Vorgehensweise setzt nämlich voraus, dass man sich zu jeder Akte wirklich solchen komplexen Gedanken gemacht und Recherchen durchgeführt hat. Ansonsten hat man mehr Arbeit, als einem vielleicht lieb ist. (Wobei es auch gut investierte Zeit sein kann, wenn die Vorgehensweise funktioniert und man zukünftig von dererlei Ansinnen verschont bleibt).

    "Für das Universum ist die Menschheit nur ein durchlaufender Posten."

  • ... Jede einzelne Sache ist so zu bearbeiten, wie es deren Schwierigkeit erfordert. Und daran ändert auch ein erhöhter Arbeitsanfall nichts. Es ist nicht richtig, zügig und dafür weniger gründlich, sondern gründlich und dafür weniger zügig zu arbeiten. ...

    So sehe ich das auch.

    Dafür braucht man manchmal ein breites Kreuz, sowohl gegenüber der Verwaltung als auch gegenüber einigen Kollegen.

    "Willst du den Charakter eines Menschen erkennen, so gib ihm Macht." (Abraham Lincoln)

  • Das Ganze wird aber auch schnelle zum Bumerang. Deine Vorgehensweise setzt nämlich voraus, dass man sich zu jeder Akte wirklich solchen komplexen Gedanken gemacht und Recherchen durchgeführt hat. Ansonsten hat man mehr Arbeit, als einem vielleicht lieb ist. (Wobei es auch gut investierte Zeit sein kann, wenn die Vorgehensweise funktioniert und man zukünftig von dererlei Ansinnen verschont bleibt).

    Stimmt natürlich. Ist eine Frage des Einzelfalles. Trotzdem würde ich mir in so einer Situation überlegen die Arbeit zu investieren. Wer legt schon gern Dienstaufsichtsbeschwerden gegen Kollegen ein? - Berechtigt oder nicht, die Stimmung ist danach für die nächsten Jahrzehnte im Keller...

  • Berechtigt oder nicht, die Stimmung ist danach für die nächsten Jahrzehnte im Keller...

    Ich sag mal so, die Stimmung ist in einer deratigen Situation ohnehin bestimmt schon wunderprächtig. Viel verderben kann man da meines Erachtens auch nicht mehr.

    "Für das Universum ist die Menschheit nur ein durchlaufender Posten."

  • Ich denke, den größten Fehler den wir machen ist der Versuch, unser Handeln zu rechtfertigen. Wenn wir dies versuchen, kommen wir -unberechtigterweise- in die Defensive und machen uns ggf. weiter angreifbar. Wieso müssen wir uns rechtfertigen? Wie Cromwell sagt: kein Richter wird sich rechtfertigen.

    Wir bearbeiten unsere Akten, so wie wir sie bearbeiten müssen. Wir entscheiden so, wie wir entscheiden müssen. Ende der Diskussion. Vor allem gegenüber der Verwaltung. Sachlich steht ggf. der Rechtsweg offen.


  • Jede einzelne Sache ist so zu bearbeiten, wie es deren Schwierigkeit erfordert. Und daran ändert auch ein erhöhter Arbeitsanfall nichts. Es ist nicht richtig, zügig und dafür weniger gründlich, sondern gründlich und dafür weniger zügig zu arbeiten. Und an diese zutreffenden Argumentation wird sich jeder Dienstvorgesetzte die Zähne ausbeißen.
    <…>
    Bei Richtern wäre derlei undenkbar <…>


    Naja, der erste, der mir bei deinem oben zitierten Satz "Es ist nicht richtig, zügig und dafür weniger gründlich, sondern gründlich und dafür weniger zügig zu arbeiten." eingefallen ist, ist TSK. Der ist Richter, sogar am Oberlandesgericht, und nach einem langen Marsch durch die Instanzen inzwischen bei seinem Endgegner BVerfG angekommen.
    Mal sehen - wenn das BVerfG genauso gründlich arbeitet, wie er es für sich in Anspruch genommen hat, wird's eng mit einer Entscheidung vor seiner Pensionierung :teufel:.

    Wobei dieser Fall sicherlich außergewöhnlich und für einen Vergleich nur bedingt geeignet ist; er zeigt jedoch, dass auch bei Richtern "derlei" durchaus denkbar ist. Ob man das gut findet oder nicht steht natürlich auf einem anderen Blatt und ist nicht Thema dieses Threads.

    Es stand alles in Büchern, die Alten lebten noch
    Wir haben nicht gelesen, nicht gesprochen, weggeschaut, uns verkrochen ...
    No!

  • Wenn die Verwaltung interessiert, wie zügig ich arbeite, sollte sie zu erst interessieren, wieviel Personal für wieviel Arbeit da ist. 120% Belastung (sehr großzügig bemessen) mit 100% Arbeitskraft, Arbeitszeit und vor allem Bezahlung zu bearbeiten, lässt keinen Raum für zügig.

    Andersrum. Gerade wenn du zu viel zu tun hast, musst du zügiger arbeiten.

    nach 5 Arbeitstagen habe ich einen ganz Tag Rückstände, also pro Woche einen Tag. Da ist noch keine Vertretung aufgrund Urlaub oder Krankheit dabei!

    Bei Pebb§y sind Urlaub und Krankheit berücksichtigt. D.h. das kommt nicht dazu, sondern in 100 % Belastung ist das schon eingerechnet.

    Aber um mal wieder zum eigentlichen Thema zu kommen: Was ich mich frage: wie kommt eigentlich eine Akte mit einer Beschwerde zur Verwaltung? Doch eigentlich nur bei einer DAB. Sofern die Partei z.B. sagt "der festgesetzte Betrag ist falsch", geht es doch (bei über 200 EUR) ans Beschwerdegericht :confused: Irgendwie fehlt da noch etwas Input, um was es konkret geht.


    Nein. Ich muss 100% arbeiten. (Und selbst bei zügiger Arbeit ist irgendwann das Ende erreicht. Wie sinnvoll dauerhafte Überlastung ist, sieht man an der Zahl der Dauerkranken ganz gut.)

    Indem die Akte angefordert wird. Oder willst du die vorher wegen Akteneinsicht eines Dritten der Verwaltung vorlegen?

    "Just 'cos you got the power, that don't mean you got the right!" ((c) by Mr. Kilmister, passt zum Job)

    "Killed by Death" (ebenfalls (c) by Lemmy, passt eigentlich immer)

  • Zum Thema Richter mag man hier nachlesen....

    Wobei ich gespannt bin, wie es ausgeht:

    https://www.lto.de/recht/justiz/j…h-entscheidung/

    Ich denke nicht nur als Verwaltung: Von einem Mitarbeiter darf ich erwarten, dass er ein 100 % Pensum bewältigt bekommt. Es sind ja nicht nur schwierige Sachen drin, sondern auch die 08/15 Akte.

  • Ist mir schon klar, aber wenn wir über die zu stellenden Ansprüche reden, gehe ich zumindest von 100 % aus, um mal einen Vergleich zu ermöglichen.

    Ob 100 % wirklich 100 % sind und ob die Pepsi Zahlen tatsächlich stimmen, wage ich mal zu bezweifeln. Darum geht es aber hier nicht, sondern ich ob das Bearbeitungstempo kontrollieren darf. Es geht auch nicht um die ständige Überbelastung, die ich auch sehe und die durch die Pepsi-Zahlen nur noch notdürftig kaschiert werden.

    Was ich nur sagen will: Ich darf von jedem erwarten, dass er ein entsprechendes Pensum in entsprechender Zeit bewältigt. Es gibt Sachen, da brauch man halt Zeit, Ruhe und Kommentare und es gibt Sachen, die sind schnell vom Tisch. Wer aus jeder Durchschrift an den Gegner und jedem Fristverlängerungsantrag (auch da mag es Ausnahmen geben), einen NJW-Aufsatz macht, sollte mal zum Überdenken dieser Vorgehensweise angeregt werden.

  • Den ersten Fehler, den man machen kann, ist bereits, dass man sich irgendeinem Rechtfertigungszwang aussetzt. Man sagt einfach sinngemäß, dass dem Dienstvorgesetzten diese Dinge wegen § 9 RpflG nichts angehen und dann kann er meinetwegen am ausgestreckten Arm verhungern.

    Jede einzelne Sache ist so zu bearbeiten, wie es deren Schwierigkeit erfordert. Und daran ändert auch ein erhöhter Arbeitsanfall nichts. Es ist nicht richtig, zügig und dafür weniger gründlich, sondern gründlich und dafür weniger zügig zu arbeiten. Und an diese zutreffenden Argumentation wird sich jeder Dienstvorgesetzte die Zähne ausbeißen.

    Das Hauptproblem bei diesen Dingen ist - leider - das unzureichende Selbstbewusstsein und das mangelnde rechtspflegerische Selbstverständnis der Kollegen.

    Bei Richtern wäre derlei undenkbar - und bei Rechtspflegern ist es dies auch.


    Aha... Wer sprach noch drüber ? ;—)

    Wenn wir also schon beim Thema sind

  • Wie jeder objektive Betrachter unschwer erkennen kann, waren die Ausführungen in Absatz 2 meines zitiertes Posting eine Replik auf die Ausführungen von hiro, während sich die übrigen zitierten Ausführungen unmittelbar mit dem Thema des vorliegenden Threads befassen.

  • Ist mir schon klar, aber wenn wir über die zu stellenden Ansprüche reden, gehe ich zumindest von 100 % aus, um mal einen Vergleich zu ermöglichen.

    Ob 100 % wirklich 100 % sind und ob die Pepsi Zahlen tatsächlich stimmen, wage ich mal zu bezweifeln. Darum geht es aber hier nicht, sondern ich ob das Bearbeitungstempo kontrollieren darf. Es geht auch nicht um die ständige Überbelastung, die ich auch sehe und die durch die Pepsi-Zahlen nur noch notdürftig kaschiert werden.

    Es gibt Sachen, da brauch man halt Zeit, Ruhe und Kommentare und es gibt Sachen, die sind schnell vom Tisch. Wer aus jeder Durchschrift an den Gegner und jedem Fristverlängerungsantrag (auch da mag es Ausnahmen geben), einen NJW-Aufsatz macht, sollte mal zum Überdenken dieser Vorgehensweise angeregt werden.

    Wenn ich mit meinen 1,0 AKA weitere 1,8 AKA vertreten soll, wie nennt man dann das?

    Kein Problem, Vertretung ist eingerechnet?

  • Darum geht es doch nicht. Das die Justiz überbelastet ist, ist unstreitig.

    Hier geht es darum, ob jemand ein 100er Pensum schafft und falls nicht, ob die Verwaltung eingreifen darf, kann oder m. E. sogar muss. Und das fällt m.E. klar unter die Dienstaufsicht.

    Und ob mutmassliche Fehler bei der Sachbehandlung unter § 9 RpflG fallen oder Sache der Dienstaufsicht sind. M.E. kommt es da immer drauf an.

    BTW: Biette 200 % in der LG 2.1 zuzüglich Vertretung in LG 1., auch wenn es nun ein Ende hat.

  • Das Hauptproblem bei diesen Dingen ist - leider - das unzureichende Selbstbewusstsein und das mangelnde rechtspflegerische Selbstverständnis der Kollegen.

    Bei Richtern wäre derlei undenkbar - und bei Rechtspflegern ist es dies auch.

    Das könnte mit daran liegen, dass es leider auch Verwaltungen gibt, die dem zutreffenden rechtspflegerischen Selbstverständnis mit Unverständnis begegnen. Es gibt Behörden, da spielt viel politisches Taktieren da mit rein und man muss sich überlegen, was es für Folgen hat, wenn man seine Rechte wahrnimmt und sich selbst behauptet.
    Sowas ist ja überhaupt nicht mein Fall ;)

    Dass der PR auch nur "gegängelt" wird, spricht für ein ziemlich mieses Klima und eine Personalführung, die diesen Namen nicht verdient hat.

    Wer "A" sagt, muss nicht auch "B" sagen. Er kann auch feststellen, dass "A" falsch war oder es auch noch "C" gibt.

    Wir Zauberer wissen über sowas Bescheid!

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