Kaufvertrag entgegen dem Willen des Betreuten

  • Hallo zusammen,

    folgender Fall beschäftigt mich:

    Der Betreute wohnt in einem Haus, das einer Erbengemeinschaft gehört. Zu der Erbengemeinschaft gehört auch der Betreute. Ein Erbe hat die Aufhebung der Gemeinschaft (Zwangsversteigerung) beantragt. Versteigerungstermin ist in Kürze. Nun kommt die Betreuerin und fragt an, ob ein Verkauf an einen Interessenten in Betracht komme. Preis über dem Verkehrswert-Gutachten. Die weiteren Erben sind einverstanden, der Betreute jedoch defintiv nicht. Er wohnt in dem Haus und wird dieses - auch nach der Versteigerung - freiwillig nicht verlassen.
    Laut Gutachten ist der Betreute mit komplexen Fragen überfordert. Ein Hausverkauf wird er jedoch dennoch verstehen, denke ich. Die Betreuerin hat den Willen des Betreuten zu beachten. Auf der anderen Seite verliert er sein Zuhause auf jeden Fall.

    Was meint ihr zu diesem Fall? :confused:

    Vielen Dank!
    Mini One

  • Um was dazu zu sagen gibt es viel zu wenig Infos. Hat der Betroffene einen Mietvertrag? Was wäre bei der Versteigerung finanziell zu erwarten? Wer ist Käufer - Investor oder jemand der selbst drin wohnen möchte? Wie ist die Vermögenssituation des Betroffenen? Kann er sich finanziell problemlos was neues suchen oder vielleicht sogar kaufen? Welche Pläne gibt es für die Zeit nach der Versteigerung? Usw.

  • Einen Mietvertrag gibt es nicht. Es war das Elternhaus und der Betreute wohnte nach dem Tod der Mutter einfach weiter dort. Er weigert sich auszuziehen.
    Der Käufer ist ein Ehepaar aus der Nachbarschaft (kein Investor). Sie zahlen ca. 30.000 EUR mehr als den Verkehrswert.
    Die Vermögenssituation des Betreuten ist schlecht (kein Vermögen, Antrag auf Grundsicherung läuft).
    Nach der Versteigerung/Verkauf soll er in eine betreute Einrichtung gehen, da eine Selbstversorgung schwierig ist (Alkoholiker).

  • Wichtig ist nicht nur der Wille des Betreuten, sondern auch das Wohl des Betreuten.

    Wenn das Haus nicht verkauft wird, wird es wohl im Rahmen der Teilungsversteigerung zu einem Eigentümerwechsel kommen. Warum sollte das für den Betreuten besser sein als ein Verkauf, bei dem der Erlös von Anfang an feststeht?

    "Auf hoher See und vor Gericht UND IN DER KLAUSUR ist man in Gottes Hand."
    Zitat Josef Dörndorfer

  • Kommst du zum Ergebnis, einen Verkauf zu genehmigen, wird der Betroffene -oder ggf. der bestellte Verfahrenspfleger- ins Rechtsmittel gehen.

    Lehnst du die Genehmigung ab, wird der Betreuer ins Rechtsmittel gehen bzw. die Teilungsversteigerung die Sache regeln.

    Hol auf jeden Fall ein Verkehrswertgutachten eines unabhängigen Sachverständigen ein, falls du den Kaufvertrag genehmigen willst.

    Liegt eigentlich bereits ein beurkundeter Kaufvertrag vor?

    Wenn nein: dann weis die Betreuerin auf das Beschwerderecht des Betroffenen und des Verfahrenspflegers hin. Für die Betreuerin wird auch im Falle deiner Genehmigung eine Unsicherheit bleiben. Wahrscheinlich wird sie deshalb vor einem Verkauf zurücktreten und der Zwangsversteigerung ihren Lauf lassen.

    Zumal: wie will die Betreuerin den Betroffenen aus dem Haus bekommen? Will sie den Betroffenen wegen einer evtl. Räumung der Zwangsvollstreckung unterwerfen. Letztendlich bekommt Siemens nur im Wege einer Unterbringung aus dem Haus. Oder der Erwerber -aber erst nach Eigentumsumschreibung- kann ihn wegen Eigenbedarf nach Räumungsklage auf die Straße setzen. Wie stellt sich die Betreuerin denn die Besitzübergabe -tatsächlicher Besitz- vor?

  • Wichtig wäre für den Betreuer zu klären, ob der Antragsteller, im Hinblick auf den in Kürze anstehenden Termin, bereit ist, die einstweilige Einstellung des Verfahrens zu erklären.

    Dann hätte man ein Zeitfenster, um eine Klärung zum Thema Verkauf, Genehmigungsfähigkeit, usw. herbeizuführen.

    Anderenfalls lösen sich mit dem Zuschlag (ab 50% des Verkehrswertes unproblematisch möglich) alle Überlegungen des Betreuungsgerichts in Luft auf.

    Ob der Betreute dann freiwillig ausziehen will oder nicht, ist dann auch egal. Ein Gerichtsvollzieher wird ihm bei der Räumung behilflich sein....

    Wohl und Wille müssen, wie schon geschrieben, nicht immer deckungsgleich sein.

    @Einstein: ein unabhängig erstelltes Verkehrswertgutachten dürfte aus dem Versteigerungsverfahren vorhanden sein.

  • Die Vorschläge hier sind alle gut und richtig.
    Problem ist aber, dass der Termin ja schon in Kürze ansteht, sodass es mir unmöglich erscheint, dass Genehmigungsverfahren vor dem Versteigerungstermin abzuschließen.
    Daher wäre wirklich abzuklären, ob eine einstweilige Einstellung des Termins in Betracht kommt.
    Ein freihändiger Verkauf ist grundsätzlich besser als in einer Versteigerung.


  • Ein freihändiger Verkauf ist grundsätzlich besser als in einer Versteigerung.

    Davon würde ich - je nach örtlicher Marktlage - nicht notwendigerweise ausgehen. Vielerorts sind aktuell wenige interessante Immobilienangebote für Selbstnutzer auf dem Markt. Da stürzen sich die Interessenten dann auf jedes halbwegs attraktive Einfamilienhaus. Wenn sich nur drei oder vier ernsthafte Bieter einfinden, geht der Erlös in solchen Fällen locker über den Verkehrswert. Und Verfahrenskosten dürften ja ohnehin schon einige entstanden sein, sodass da auch kein großes Einsparpotentiell zugunsten des freihändigen Verkaufs mehr liegt.
    Aber das kommt natürlich wirklich auf das Objekt und die allgemeine örtliche Marktlage an.

    Komplizierte Probleme heißen komplizierte Probleme, weil es keine einfachen Lösungen für sie gibt, sonst hießen sie einfache Probleme.

    - Frank Nägele, KStA v. 25.3.17 -

  • Ich würde als Betreuer prüfen, ob beim Betreuten Suizidgefahr besteht, wenn ja, dann Einstellung beantragen. Wenn nein, dann würde ich dem Verkauf nicht zustimmen und es auf die Versteigerung hinauslaufen lassen. Wenn ein Betreuer gegen den Willen des Betreuten verkauft, auch wenn es objektiv sinnvoll wäre, muss er (und das Gericht) damit rechnen, dass der Betreute einen Hass auf beide entwickelt und die Folgen sind oft dramatisch.

  • Ich würde als Betreuer prüfen, ob beim Betreuten Suizidgefahr besteht, wenn ja, dann Einstellung beantragen. Wenn nein, dann würde ich dem Verkauf nicht zustimmen und es auf die Versteigerung hinauslaufen lassen. Wenn ein Betreuer gegen den Willen des Betreuten verkauft, auch wenn es objektiv sinnvoll wäre, muss er (und das Gericht) damit rechnen, dass der Betreute einen Hass auf beide entwickelt und die Folgen sind oft dramatisch.

    Besteht beim freihändigen Verkauf keine Suizidgefahr, wenn eine solche bei der Zwangsversteigerung besteht?

    Wenn der Betroffene einer Veräußerung nicht zustimmt würde ich eine Genehmigung zum Verkauf durch den Betreuer nicht zustimmen. Ggf. kann der Betreuer ja ins Rechtsmittel gegen meine Ablehnung einlegen.

  • Wille und Wohl des Betreuten müssen meiner Meinung nach im Rahmen der Umstände des Einzelfalles ermittelt und berücksichtigt werden.
    Im vorliegenden Fall sehe ich den springenden Punkt darin ,dass der Betreute die Immobilie auf jeden Fall räumen muss. Er sich aber andererseits äußert, als sei die Frage ob er da überhaupt raus muss.
    Die Willens-Äußerung des Betreuten „Will da nicht ausziehen“ liegt meines Erachtens komplett neben der Sache, sie ist als wenn er „Ich will im Charlottenburger Schloss einziehen“ sagte. Der Betreuer hätte in jenem Fall auch nicht die Aufgabe alle möglichen Wohn-Lösungen zu verwerfen um einen Umzug ins Schloss vor zu bereiten. Der geäußerte Wille des Betroffenen könnte vielmehr einfach nicht umgesetzt werden. Daher kann die Ablehnung des Betreuten bei der Betrachtung möglicher Lösungen hier nicht den Ausschlag geben – der Betreute ist ja ohnehin gegen alles was geht.

    Bekäme ich auf eine „Was machen wir denn jetzt?“ Frage in der Anhörung trotz intensiver Bemühungen und Nachfragen keine Antwort, die die Umstände berücksichtigt, bestellte ich einen Verfahrenspfleger. Weil Betreuter nicht zur Sachlage („Was tun, wenn er aus dem Haus raus muss?“) angehört werden konnte, sondern lediglich realitätsfernen Illusionen nachhing.

    Bekäme ich vom Betreuten die Antwort „Ich will die Variante, mit der ich am längsten im Haus bleiben kann“ – „Ich will die Gläubiger maximal ärgern“ - „Ich will die Versteigerung, weil ich hoffe, dass mein Bruderden anderen Interessenten überbietet“ - „Ich will die Versteigerung, weil ich glaube, dass überhaupt keiner bietet“ oder was auch immer – nun, darüber kann man reden. DAS sind Aussagen, die zur aktuellen Situation passen. – Ob ich sie für klug halte, istein anderes Thema. Jedenfalls hat sich der Betreute dann zur Sache geäußert.


    Wäre das mein Verfahren. Ich würde (soweit noch nicht geschehen) den Betreuten anhören und über seine konkreten Vorstellungen was jetzt weden soll ausfragen. Wenn er nur „Ich bleib da ewig wohnen“sagte, wäre ich geneigt einen freihändigen Verkauf (selbstverständlich mit Gutachten, Verfahrenspfleger und allem Pipapo zu entsprechenden Konditionen) zu genehmigen, denn hier in unserer Gegend bekommt man freihändig fast immer mehr als in der Versteigerung. Und da der Betreute keinen sinnvollen Willen zu der aktuellen Situation geäußert hat, steht sein Wohl bei meiner Entscheidung an erster Stelle. Rechtsmittel einzulegen steht ihm selbstverständlich frei, ich nehm` das gern für ihn zu Protokoll.

    Einmal editiert, zuletzt von ??? (3. November 2020 um 08:40) aus folgendem Grund: Tippfehler

  • Dem kann ich nur zustimmen.

    Zudem ist Entscheidungsangst immer ein schlechter Ratgeber. Wenn sich die Sachlage nach den entsprechenden Ermittlungen so darstellt, dass sich der Betreute der Erbauseinandersetzung (und damit der Veräußerung des Objekts) aus rechtlichen Gründen nicht widersetzen kann, entspricht die Genehmigung dem objektiven Wohl des Betreuten, auch wenn der Betreute nicht einsieht, dass sie zu seinem Wohl erteilt wird. Dann muss sich eben das Beschwerdegericht mit der Angelegenheit befassen.

    Ist der Betreute geschäftsfähig und damit aufgrund eines rechtserheblichen Willens gerechtfertigterweise unvernünftig, sieht die Sache natürlich anders aus. In diesem Fall stellt sich allerdings die Frage, ob man die Betreuung nicht aufhebt, weil sie sich immer dann, wenn es darauf ankommt, als sinnlos erweist.

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