Nachlasspflegschaft anordnen?

  • Ich brauche mal Meinungen zu folgendem Fall:

    Erblasser ist im August 2022 verstorben. Mir liegt nun ein Schreiben eines Rechtsanwalts vor, der eine Nachlasspflegschaft gem. § 1961 BGB beantragt.

    Der Mandant des Rechtsanwalts führte zu Lebzeiten einen Prozess gegen den Verstorbenen. Der Verstorbene wurde auf Zahlung rückständiger Miete und Räumung der gemieteten Räume verklagt. Zwischen den beiden bestand ein Mietverhältnis.

    Nach dem Tod des Beklagten wurde das Verfahren gemäß § 246 ZPO ausgesetzt.

    Problem:

    Ich weiß, dass der Erblasser 3 Kinder (eines davon minderjährig) und eine Ehefrau hinterlassen hat, die bis zu seinem Tod mit ihm zusammen gelebt haben. Meiner Ansicht nach sind die Erben hier bekannt. Auch bin ich der Meinung, dass ich von einer Erbschaftsannahme aufgrund Verstreichenlassen der Ausschlagungsfrist ausgehen kann, sodass auch die Erbschaftsannahme nicht ungewiss ist.

    Was meint ihr? Könnte ich hier anordnen?

    Vielen Dank bereits im Voraus.

  • Nein, ich würde hier keine Nachlasspflegschaft anordnen. Auch nach § 1961 BGB müssen die Voraussetzungen des § 1960 Abs. 1 BGB gegeben sein, der Erbe muss also unbekannt sein oder die Annahme der Erbschaft ungewiss. Wenn der Erblasser im August 2022 verstorben ist und Frau und Kinder mit ihm zusammen lebten, ist davon auszugehen, dass sie Kenntnis vom Anfall der Erbschaft hatten. Die Ausschlagungsfrist ist lange verstrichen.

    Ich würde dem Gläubiger mitteilen, wer als gesetzlicher Erbe in Betracht kommt. Ggf. kommt später auch die Beantragung des Erbscheins durch den Gläubiger in Betracht, wenn die Erben dies nicht selbst machen.

  • Das war auch mein Gedanke. Jetzt trägt mir der Rechtsanwalt jedoch vor, dass er eine Vermögensverschleierung vermutet und sich die Erben so den Ansprüchen seines Mandanten entziehen wollen. Auch geht er davon aus, dass die Erben deswegen absichtlich keinen Erbschein beantragen.

    Irgendwie leuchtet mir das schon ein und ich würde ein Fürsorgebedürfnis sehen. Aber eben die Voraussetzung des unsicheren Erbrechtslage nicht.

  • Es bleibt dabei, dass (sofern konkret eine Nachlasspflegschaft beantragt ist) diese nicht angeordnet werden kann, weil die Erben nicht unbekannt sind.

    Dem RA steht es frei, im unterbrochenen Zivilprozess die Erben zu benennen. Oder er kann direkt Klage gegen die Erben einlegen.

    Wenn der RA was von Verschleierung etc. schreibt, könnte es natürlich auch sein, dass er eine Nachlassverwaltung und keine Nachlasspflegschaft will. Dann muss er das aber bitte auch konkret beantragen und ggf. Vorschuss leisten.

    Ich würde den Antrag auf NLP mit der Begründung „Erben sind bekannt“ zurückweisen und gut.

    -------------------------:aktenEine wirklich gute Idee erkennt man daran, daß ihre Verwirklichung von vorn herein ausgeschlossen erschien. (Albert Einstein):gruebel: ------------------------------------

    Nachlass-Kanzlei / Büro für gerichtliche Pflegschaften / Nachlasspflegschaften, Nachlassverwaltungen, Testamentsvollstreckungen, Nachlassbetreuungen /
    Nachlasspfleger Thomas Lauk - http://www.thomaslauk.de

  • Ergänzung: Das geht aber nur deswegen, weil die Erben wirklich abschließend bekannt sind und es sich nicht um eine z.B. in dritter Ordnung verzweigte Gemeinschaft handelt, bei der die abschließende Erbenermittlung noch nicht wirklich klar ist.

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  • Ich sehe das so ähnlich. Die Lösung liegt hier in der ZPO --> § 239 Abs. 2 ZPO. Der Rechtsanwalt kann im Mietzahlungsprozess/Räumungsprozess den Antrag stellen, die passiv agierenden Erben zur Aufnahme des Prozesses und zur Teilnahme an der Hauptverhandlung zu laden. Erscheinen diese im Prozess nicht, wird dann der Antrag gestellt, die vorgetragene Rechtsfolge als zugestanden zu unterstellen, gem. § 239 Abs. 4 ZPO.

    Die Nachlasspflegschaft ist kein geeignetes Instrument um bekannte und prozessunwillige Erben zu vertreten.

  • Ich schließe mich hier einmal an, da ich auch unsicher bin, ob ich eine NLP anordnen sollte.

    Es liegt folgender SV vor:

    Ein RA beantragt NLP gem. § 1961 BGB mit der Grundlage, dass er die Nießbraucherin vertritt. Ein Mieter ist verstorben. Der Nießbrauch ist im besagten GB eingetragen. Allerdings ist darin auch ein Widerspruch bzgl. des Nießbrauchs eingetragen, welcher aufgrund einer einstw. Verfügung eingetragen wurde. Die Nießbraucherin erhielt den Nießbrauch aufgrund eines Vermächtnisses, welches ihr im Testament des vormaligen Eigentümers zugewandt wurde. In der Bewilligung für dieses Recht war laut RA wohl eine nicht gewollte Kostentragung für die Nießbraucherin, sodass daraufhin der Widerspruch eingetragen wurde. In der Zwischenzeit wurde das Eigentum am Grundstück von den Erben auf einen Dritten übertragen, welcher den NB übernahm.

    Ich habe nun um Vorlage eines Mietvertrages gebeten. Dieser wurde mir vorgelegt, allerdings ist Vermieter der neue Eigentümer und nicht die Nießbraucherin. Beigefügt wurde lediglich ein Schreiben an die verstorbene Mieterin vom RA, in welchem dieser erklärt, dass der Mietvertrag wegen Nichtigkeit des Nießbrauchsvertrages (zw. der NB und dem neuen Eigentümer) auf die Nießbraucherin übergegangen wäre.

    All das bezeugt für mich doch aber nicht, dass Vertragsinhaberin eigentlich die Niebrauchsberechtigte ist? Oder würdet ihr deshalb die NLP anordnen? Ich bin etwas ratlos und für Hilfe sehr dankbar.

  • Schuldrechtliche Verträge kann man schließen, wie es einem beliebt. Ob man sie erfüllen kann, ist eine andere Frage. Auch wenn ich Dein Auto verkaufe, ist dieser Kaufvertrag wirksam. Wenn also der neue Eigentümer der Vermieter ist, ist der Nießbraucher überhaupt nicht Vertragspartei (auch wenn er es hätte sein sollen), es sei denn, es gibt einen zweiten Mietvertrag zwischen Nießbraucher und Mieterin. Was der Anwalt der verstorbenen Mietering (bezüglich des "Übergangs" des Mietvertrags auf die Nießbraucherin) geschrieben hat, ist aufgrund des mitgeteilten Sachverhalts also rechtlicher Unsinn.

    Nach dem Sachverhalt dürfte sich der Widerspruch nur auf einen inhaltlichen Teilaspekt des Nießbrauchs (nämlich die Kostentragungsregelung) beziehen, sodass der Nießbrauch als solcher materiell nicht in Frage steht (weshalb sich nicht erschließt, weshalb die Nießbrauchsbestellung "nichtig" sein soll; der Erwerber hatte den bereits eingetragenen Nießbrauch - so verstehe ich den Sachverhalt - ja nicht selbst bestellt, sondern lediglich das bereits eingetragene Nießbrauchsrecht übernommen). Es spielt somit im Hinblick auf die Existenz des Nießbrauchrechts keine Rolle, ob das Grundbuch im Hinblick auf diesen Teilaspekt tatsächlich unrichtig ist. Ich vermute allerdings, dass es sich um eine die Nießbraucherin belastende Kostenregelung handelt, sodass die besagte einstweilige Verfügung vom Anwalt der Nießbraucherin erwirkt worden sein dürfte (denn dann gab es keine der Bewilligung entsprechende dingliche Einigung). Zu einer Gesamtnichtigkeit dürfte das aber nicht führen, weil die Nießbraucherin in diesem Fall überhaupt keinen Nießbrauch (auch keinen ohne Kostenregelung) erworben hätte.

    Offenbar soll eine Nachlasspflegschaft für die unbekannten Erben der verstorbenen Mieterin angeordnet werden. Sollten deren Erben tatsächlich i. S. der §§ 1960, 1961 BGB unbekannt sein (der Sachverhalt sagt hierzu nichts), fragt sich aber immer noch, worin der geltend gemachte Anspruch der Nießbraucherin i. S. des § 1961 BGB gegen die verstorbene Mieterin bestehen soll. Einen Anspruch auf Mietzahlung gibt es - wie ausgeführt - aufgrund der fehlenden vertraglichen Grundlagen nicht, sodass sich dieser Anspruch wohl nur auf den Abschluss eines bislang fehlenden Mietvertrags unter Beteiligung der Nießbraucherin richten könnte. Denn nach dem aktuellen schuldrechtlichen Vertragsstand schulden die Erben der Mieterin die Miete nicht der Nießbraucherin, sondern dem nunmehrigen Eigentümer.

  • …anordnen und fertig. Die Erben sind unbekannt und alles andere wird sich im Rahmen der NLP zeigen.

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  • Ich schließe mich hier einmal an, da ich auch unsicher bin, ob ich eine NLP anordnen sollte.

    Es liegt folgender SV vor:

    Ein RA beantragt NLP gem. § 1961 BGB mit der Grundlage, dass er die Nießbraucherin vertritt. Ein Mieter ist verstorben. Der Nießbrauch ist im besagten GB eingetragen. Allerdings ist darin auch ein Widerspruch bzgl. des Nießbrauchs eingetragen, welcher aufgrund einer einstw. Verfügung eingetragen wurde. Die Nießbraucherin erhielt den Nießbrauch aufgrund eines Vermächtnisses, welches ihr im Testament des vormaligen Eigentümers zugewandt wurde. In der Bewilligung für dieses Recht war laut RA wohl eine nicht gewollte Kostentragung für die Nießbraucherin, sodass daraufhin der Widerspruch eingetragen wurde. In der Zwischenzeit wurde das Eigentum am Grundstück von den Erben auf einen Dritten übertragen, welcher den NB übernahm.

    Ich habe nun um Vorlage eines Mietvertrages gebeten. Dieser wurde mir vorgelegt, allerdings ist Vermieter der neue Eigentümer und nicht die Nießbraucherin. Beigefügt wurde lediglich ein Schreiben an die verstorbene Mieterin vom RA, in welchem dieser erklärt, dass der Mietvertrag wegen Nichtigkeit des Nießbrauchsvertrages (zw. der NB und dem neuen Eigentümer) auf die Nießbraucherin übergegangen wäre.

    All das bezeugt für mich doch aber nicht, dass Vertragsinhaberin eigentlich die Niebrauchsberechtigte ist? Oder würdet ihr deshalb die NLP anordnen? Ich bin etwas ratlos und für Hilfe sehr dankbar.

    Um welchen der Verstorbenen geht es eigentlich bei der beantragten NLP?

  • Ich vermute allerdings, dass es sich um eine die Nießbraucherin belastende Kostenregelung handelt, sodass die besagte einstweilige Verfügung vom Anwalt der Nießbraucherin erwirkt worden sein dürfte (denn dann gab es keine der Bewilligung entsprechende dingliche Einigung). Zu einer Gesamtnichtigkeit dürfte das aber nicht führen, weil die Nießbraucherin in diesem Fall überhaupt keinen Nießbrauch (auch keinen ohne Kostenregelung) erworben hätte.

    Offenbar soll eine Nachlasspflegschaft für die unbekannten Erben der verstorbenen Mieterin angeordnet werden. Sollten deren Erben tatsächlich i. S. der §§ 1960, 1961 BGB unbekannt sein (der Sachverhalt sagt hierzu nichts), fragt sich aber immer noch, worin der geltend gemachte Anspruch der Nießbraucherin i. S. des § 1961 BGB gegen die verstorbene Mieterin bestehen soll. Einen Anspruch auf Mietzahlung gibt es - wie ausgeführt - aufgrund der fehlenden vertraglichen Grundlagen nicht, sodass sich dieser Anspruch wohl nur auf den Abschluss eines bislang fehlenden Mietvertrags unter Beteiligung der Nießbraucherin richten könnte. Denn nach dem aktuellen schuldrechtlichen Vertragsstand schulden die Erben der Mieterin die Miete nicht der Nießbraucherin, sondern dem nunmehrigen Eigentümer.

    Das hast du genau richtig erfasst, Cromwell. Danke!

    Die Erben des Mieters (also meines Erblassers) sind unbekannt. Ich frage mich eben auch, welchen Anspruch die gegen den Erblasser geltend machen wollen, weil ich eben bisher keinerlei Grundlage habe, aus der sich das ergibt. Es gibt nur Schriftverkehr zwischen dem "neuen Eigentümer" und dem RA der Nießbraucherin. Es laufen auch parallel Verfahren in der Zivilabt. und beim LG. Ich habe in eine Akte Einsicht genommen, das war aber wenig ergiebig.

  • Wenn die Erben unbekannt sind, anordnen. Das Nachlassgericht braucht nur eine glaubhaft gemachte Forderung gegen die Verstorbene. Materiellrechtliche Prüfungen oder Einreden hat das NLG nicht zu veranlassen bzw. zu beachten.

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  • Wenn die Erben unbekannt sind, anordnen. Das Nachlassgericht braucht nur eine glaubhaft gemachte Forderung gegen die Verstorbene. Materiellrechtliche Prüfungen oder Einreden hat das NLG nicht zu veranlassen bzw. zu beachten.

    Aber habe ich denn wirklich eine glaubhaft gemachte Forderung? Einen Mietvertrag können sie mir nicht vorlegen.

  • Begründung für die NLp:

    „Der potentielle Niesbrauchsnehmer will die Regelung der Wohnungsrückgabe einer mit unbekannten Erben verstorbenen Mieterin.“

    Alles andere ist Beiwerk und kein Kriegsschauplatz des Nachlassgerichts. Wenn die Erben unbekannt sind, wirst du eh irgendwann anordnen müssen. Dann lieber jetzt gleich und dem NLP die Sache überlassen, statt Stunden über Stunden über die Sache zu brüten.

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  • Begründung für die NLp:

    „Der potentielle Niesbrauchsnehmer will die Regelung der Wohnungsrückgabe einer mit unbekannten Erben verstorbenen Mieterin.“

    Alles andere ist Beiwerk und kein Kriegsschauplatz des Nachlassgerichts. Wenn die Erben unbekannt sind, wirst du eh irgendwann anordnen müssen. Dann lieber jetzt gleich und dem NLP die Sache überlassen, statt Stunden über Stunden über die Sache zu brüten.

    Ja okay. Danke für deine Meinung dazu. Ich ordne das nun an. Mittlerweile ist Mieter Nr. 2 in derselben Immobilie verstorben...

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