Beratungshilfe bei Herausgabeansprüchen

  • Hallo,

    ich bin auf der Suche nach einem Meinungsbild, da mir die Fundstellen zu allgemein sind.

    Wie seht ihr das mit Beratungshilfe für Herausgabeansprüche?

    Hier liegt derzeit ein Fall vor, in welchem d. Ast. nach Trennung von der Gegenseite den Schlüssel für den PKW herausverlangt. Der Anspruch als solcher ist unstreitig, das das Fahrzeug bezahlt und sowohl im Besitz als auch Eigentum d. ASt steht. Auch schriftliche Forderungsschreiben an die Gegenseite liegen ordnungsgemäß vor.

    Die Gegenseite verweigert sich lediglich aus persönlichen Gründen.

    Unter den Rpfl hier im Haus gibt es jetzt zwei Lager:

    1. "Was soll der RA jetzt noch machen, eine anwaltliche erneute Aufforderung zur Herausgabe? das ist doch eine reine Drohgebärde, also mutwillig, sollen sie doch auf Herausgabe klagen, dafür gibt es PKH."

    2. "Wenn man der Logik folgt, kann Beratungshilfe nie für Ansprüche genutzt werden, die bei Verweigerungshaltung der Gegenseite einklagbar sind. Der außergerichtliche Weg ist aber das mildere und für alle Beteiligten günstigere Mittel und daher zu bevorzugen."

    Mich würde daher mal das allgemeine Meinungs- und Argumentationsbild interessieren.

    (Ich bin Team 2, da auch ich als Selbstzahler als "Vorstufe" zur gerichtlichen Forderung immer den RA vorschicken würde, bevor ich zum Gericht gehe. Ich kann mir auch keinen RA vorstellen, der es nicht zuerst "direkt" versucht und den Klageweg zumindest ankündigt.)

  • Beratungshilfe ist in erster Linie Beratung. Er hat alles unternommen, was man ihm alleine zumuten kann. Warum sollte sich der Antragsteller jetzt nicht über die Erfolgsaussichten einer entsprechenden Klage beraten lassen? Ich würde deshalb Beratungshilfe bewilligen.

    Die Vertretung ist nur dann von der Beratungshilfe umfasst, wenn sie auch tatsächlich notwendig ist. Aber das ist zumindest meiner Meinung nach erst bei der Fetssetzung der Vergütung zu entscheiden.

    "Auf hoher See und vor Gericht UND IN DER KLAUSUR ist man in Gottes Hand."
    Zitat Josef Dörndorfer

  • Ich befinde mich klar in Lager 1.

    Das Gegenargument des Lager 2, dass bei bloßer Verweigerungshaltung der Gegenseite Beratungshilfe kein Instrument darstellen würde, ist m.E. kein gutes

    -> M.E. stellt Beratungshilfe nunmal tatsächlich kein Instrument bei bloßer Verweigerungshaltung der Gegenseite dar

    (was nicht von einer differenzierten Betrachtung entbindet: Möglicherweise hat der Ratsuchende durchaus Bedarf an einer rechtlichen Beratung - bspw. hinsichtlich der Erfolgsaussichten, Beweispflichten, Möglichkeiten des Vorgehens etc- Aber so scheint es hier nicht zu sein)

    Ich kaufe ein "I" und möchte lösen! -BOCKWURST-


    Wenn ich sterbe, sollen meine Überreste in Disneyland verstreut werden.
    Außerdem möchte ich nicht verbrannt werden.

  • Ich war vor Urzeiten selber mal Anwalt und kann berichten, dass es in vielen Fällen sehr wohl einen Unterschied macht, ob Aufforderungsschreiben von der Partei selber oder vom RA kommen. Insofern teile ich die Meinung von "Lager 1" nicht.

    Zudem wie burkinafaso: Beratungshilfe für die Prüfung der Erfolgsaussichten einer Herausgabeklage.

  • Beratungshilfe ist in erster Linie Beratung. Er hat alles unternommen, was man ihm alleine zumuten kann. Warum sollte sich der Antragsteller jetzt nicht über die Erfolgsaussichten einer entsprechenden Klage beraten lassen? Ich würde deshalb Beratungshilfe bewilligen.

    Die Vertretung ist nur dann von der Beratungshilfe umfasst, wenn sie auch tatsächlich notwendig ist. Aber das ist zumindest meiner Meinung nach erst bei der Fetssetzung der Vergütung zu entscheiden.

    Dagegen (m.E. leider und ein bisschen fraglich) OLG Stuttgart, 29.09.2022; 8 W 229/18

    Im Verfahren der Vergütungsfestsetzung im Rahmen der Beratungshilfe findet durch den Kostenbeamten keine Prüfung statt, ob eine Vertretung durch den Rechtsanwalt erforderlich im Sinne des § 2 Abs. 1 BerHG war. Die Änderungen des Beratungshilfegesetzes zum 01.01.2014 und zum 01.08.2021 geben diesbezüglich keine Veranlassung zu einer anderen Bewertung. (Leitsatz des Gerichts)

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  • Ich war vor Urzeiten selber mal Anwalt und kann berichten, dass es in vielen Fällen sehr wohl einen Unterschied macht, ob Aufforderungsschreiben von der Partei selber oder vom RA kommen.

    Das ist beratungshilferechtlich egal. Eine Bewilligung, weil das Anwaltsschreiben "mehr Eindruck macht" gibt es gerade nicht (so im Ergebnis z.B.: LG Itzehoe, Beschluss vom 04. Mai 2011 – 4 T 73/11).

    In der Sache selbst sehe ich es aber auch so, dass jedenfalls eine Beratung zum weiteren (ggf. gerichtlichen) Vorgehen erforderlich sein dürfte.

  • Ich war vor Urzeiten selber mal Anwalt und kann berichten, dass es in vielen Fällen sehr wohl einen Unterschied macht, ob Aufforderungsschreiben von der Partei selber oder vom RA kommen. Insofern teile ich die Meinung von "Lager 1" nicht.

    Zudem wie burkinafaso: Beratungshilfe für die Prüfung der Erfolgsaussichten einer Herausgabeklage.

    Dito, ebenso Team 2.

    Wer "A" sagt, muss nicht auch "B" sagen. Er kann auch feststellen, dass "A" falsch war oder es auch noch "C" gibt.

    Wir Zauberer wissen über sowas Bescheid!

  • Und um diese Verweigerungshaltung zu brechen, muss im Zweifel Klage eingereicht werden. Über die Erfolgsaussichten hierzu ist Beratungshilfe möglich; die Erfüllung der weiteren Voraussetzungen setze ich jetzt mal voraus.

  • Naja, die Frage stellt sich ja ohnehin immer (und ist meistens dahingehend zu beantworten, dass das KFZ Schonvermögen darstellt; entweder schon wegen des Wertes und/oder wegen der Erforderlichkeit für die Berufstätigkeit)

    Ich habe auch nichts gegen die Bewilligung von Beratungshilfe wegen der Erfolgsaussichten einer Herausgabeklage;

    allerdings halte ich das nicht für einen Automatismus. Es ist am Einzelfall zu prüfen, ob (zumindest im Ansatz) ein Beratungsbedürfnis tatsächlich besteht.

    Ist der Ratsuchende bei mir mit Fahrzeugschein und Brief und Rechnung und einer Nachricht des Besitzers: Ätsch, ich habe den Schlüssel und geb dir dein Auto nicht wieder, weil ich dich so hasse, dann wird er von mir keine Beratungshilfe bewilligt bekommen; auch nicht hinsichtlich der Erfolgsaussichten einer Herausgabeklage

    klar das ist ein Extrembeispiel und soll es aus Darstellungsgründen auch sein- die Wirklichkeit ist anders und häufig wird man zu dem Ergebnis gelangen, dass BerH für die Prüfung der Erfolgsaussichten der Klage bewilligt werden kann; aber ich will jetzt nicht pauschal sagen: klar das geht IMMER

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    Einmal editiert, zuletzt von JoansDong (19. Oktober 2023 um 12:09)

  • Naja, die Frage stellt sich ja ohnehin immer (und ist meistens dahingehend zu beantworten, dass das nicht KFZ Schonvermögen darstellt; entweder schon wegen des Wertes und/oder wegen der Erforderlichkeit für die Berufstätigkeit)

    Ich fürchte, da hast du wohl eine Gesetzesänderung verpasst. Ich glaube zum Jahresbeginn haben die am § 90 SGB XII herumgedoktert... Es gibt jedenfalls nun den § 90 Abs. 2 Nr. 10 SGB XII der ein angemessenes KFZ (unabhängig von der Berufstätigkeit) vor der Verwertung schützt.

    In der Literatur (z.B. BeckOGK/Schwabe, 1.12.2019, SGB II § 12 Rn. 70) taucht nach wie vor die 7.500 € Grenze für die Angemessenheit eines KFZs im Sozialleistungsbezug auf. Jedoch stammt die zugrundeliegende Entscheidung des BSG aus dem Jahr 2007 (BSG, Urteil vom 6. 9. 2007 - B 14/7b AS 66/06 R (LSG Rheinland-Pfalz)).

    Der Wert wurde seinerzeit so ermittelt, dass ein 20%iger Abschlag auf den Betrag nach § 5 Abs. 1 KfzHV vorgenommen wurde.

    Allerdings hat sich § 5 Abs. 1 KfzHV zum 10.06.2021 geändert. Die Fördergrenze ist nunmehr auf 22.000 € gestiegen. Unter Berücksichtigung eines 20%igen Abschlags ergäbe sich nunmehr eine Angemessensheitsgrenze von rund 17.000 €.

    Ähnlich positioniert sich die fachliche Weisung der Bundesagentur für Arbeit zu § 12 SGB II. Dort wird unter Punkt 1.2.2 die Angemessenheitsgrenze bei 15.000 € gezogen. Daher würde ich KFZs bis zu einem Wert von 15.000,00 € schonen.

    Im Ergebnis werden wir daher kaum noch den Einsatz von Fahrzeugen anordnen können.

  • in der Tat, das ist an mir vorbeigerauscht :oops:

    was das Ergebnis anbelangt, sind wir ja letztlich einig (bzw. schließe ich mich deinen weitergehenden und präziseren Ausführungen an)

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    Wenn ich sterbe, sollen meine Überreste in Disneyland verstreut werden.
    Außerdem möchte ich nicht verbrannt werden.

  • Würde hier auch grundsätzlich Beratungshilfe bewilligen. Allerdings hat sich mir die Frage gestellt, ob überhaupt eine Bedürftigkeit beim Antragsteller vorliegt, wenn er Eigentümer eines KfZ ist.

    Das ist ein bisschen anachronistisch. Wie soll denn der Antragsteller das Fahrzeug, dessen Herausgabe ihm verweigert wird, für die Kosten der rechtlichen Beratung einsetzen?
    Der Anwalt wird sich kaum auf eine Verpfändung einlassen.

    "Für das Universum ist die Menschheit nur ein durchlaufender Posten."

  • Würde hier auch grundsätzlich Beratungshilfe bewilligen. Allerdings hat sich mir die Frage gestellt, ob überhaupt eine Bedürftigkeit beim Antragsteller vorliegt, wenn er Eigentümer eines KfZ ist.

    Das ist ein bisschen anachronistisch. Wie soll denn der Antragsteller das Fahrzeug, dessen Herausgabe ihm verweigert wird, für die Kosten der rechtlichen Beratung einsetzen?
    Der Anwalt wird sich kaum auf eine Verpfändung einlassen.

    Vorliegend geht es um die Herausgabe eines Schlüssels des KfZ, von daher gehe ich davon aus, dass der Antragsteller nach wie vor im Besitz des KfZ und des Zweitschlüssels ist. :)

    Letztendlich sind aber auch an mir die von Corypheus aufgezeigten Änderungen vorbeigerauscht. Allerdings aus dem Grund, dass ich schon seit 4 Jahren keine Beratungshilfe mehr mache.

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