Aufgebot §927 BGB Ausschluss eines Eigentümers

  • Hallo liebe Kollegen und Kolleginnen,

    nach nunmehr einer erneuten Unterbrechung von einigen Monaten habe ich nun wieder die Aufgebotsverfahren in neuer Zuständigkeit zurückerhalten.

    Es wurde bei meinem Vorgänger ein Antrag auf Durchführung des Aufgebotsverfahrens nach §927 BGB eingereicht.

    Im Grundbuch eingetragen sind die Eheleute Mickymaus und Tommymaus mit dem Zusatz: in gesetzlicher Gütergemeinschaft des rheinischen Rechts, jetzt übergeleiteter Fahrnisgemeinschaft-

    Die Antragstellerin sowie der Neffe und die Nichte der Antragstellerin tragen nun vor, dass die eingetragenen Eigentümer bereits verstorben sind. Kopie der Sterbeurkunde wurde vorgelegt. Eintragungen in das Grundbuch, die der Zustimmung des Eigentümers oder eines Erben bedurften sind seit 30 Jahren nicht erfolgt.

    Eine durchgehende Erbenkette bis zu den Antragstellern lässt sich aufgrund nicht vorliegender Unterlagen zur Erbfolge nach den eingetragenen Eigentümern nicht belegen. Es wird jedoch von gesetzlicher Erbfolge der bisherien eingetragenen Eigentümern ausgegangen. Aufgrund dieser Vermutung wurde das Grundstück durch die Familie der Antragstellerin über 30 Jahre als Eigentum genutzt. Das Grundstück befindet sich seit mehr als 30 Jahren im Eigenbesitz der Familie der Antragstellerin. Das Grundstück befand sich seit 1965 komplett im Eigenbesitz der Frau Zuckermaus, Mutter der Antragstellerin bzw. Großmutter des Neffen und der Nichte der Antragstellerin. Diese hatte vermeintlich den Vater beerbt und auch später die Anteile der Mutter und des Bruders der ebenfalls verstarb. Nach dem Tod der Frau Zuckermaus wurde das Grundstück dann zunächst von der Antragstellerin und ihrem Bruder BrunoWild in Eigenbesitz gehalten und nach dem Tod des Bruders BrunoWild durch die Antragstellerin und ihrem Neffen und ihrer Nichte.

    Mein Vorgänger hat den Prozessbevollmächtigten der Antragstellerin nun folgendes geschrieben:

    "So, wie sich der Sachvortrag darstellt, hat die Mutter der Antragstellerin sukzessive das in Rede stehende Grundstück geerbt. Demnach ist zur Zeit eine Erbengemeinschaft oder die Antragstellerin allein, je nach Erbfolge nach derer Mutter, Eigentümer. Als Teil der Erbengemeinschaft können die anderen Miterben nicht über §927 BGB ausgeschlossen werden. Auch, wenn die Antragstellerin bereits Alleineigentümerin ist, scheidet ein Aufgebotsverfahren aus. Denkbar wäre lediglich, dass die gesamte Erbengemeinschaft ausgeschlossen werden würde. Dazu wäre jedoch der Erbnachweis notwendig, dass die Antragstellerin ihre Mutter nicht allein beerbt hat.

    Das Aufgebotsverfahren dient nicht der Umgehung von mehreren Erbscheinsverfahren."

    Ich bin hier ehrlich gesagt ratlos. Ich bin bislang immer davon ausgegangen, dass gerade das Aufgebotsverfahren nach §927 BGB die im Grundbuch eingetragenen Eigentümer ausschließen soll um die richtige Rechtslage herzustellen; insb. für die Fälle gedacht ist, in denen die Erbketten nicht mehr nachgewiesen werden können, jedoch bereits der Eigenbesitz über mehr als 30 Jahre bei jemandem besteht. Insoweit erschließt sich mir nicht, was mein Vorgänger da vorgetragen hat.

    Wie ist eurer Ansicht nach in der Sache zu handeln? Mithin stellt sich mir die Frage, ob die Zeit des Eigenbesitzes der Frau Zuckermaus der Antragstellerin und dem Neffen und der Nichte angerechnet werden kann.

    Für eure Rückmeldungen wäre ich dankbar.

  • Also die Zwischenverfügung deines Vorgängers irritiert mich auch.

    Richtig ist, dass keine einzelnen Miterben oder sonstige Gesamthandseigentümer sondern nur die Gesamthandsgemeinschaft als solche ausgeschlossen werden kann. Der Umstand, dass der Antragsteller als (Mit-) Erbe in Betracht kommt, steht dem Verfahren nicht entgegen.

    § 927 BGB verlangt bloß dass

    - der eingetragene Eigentümer verstorben ist

    - in den letzten 30 Jahren keine schädlichen Grundbucheintragungen erfolgt sind

    - der Antragsteller 30 Jahre Eigenbesitz an der Immobilie hat.

    Der Erbe muss weder unbekannt sein noch muss zur Erbfolge nach den eingetragenen Eigentümern vorgetragen werden. Insbesondere braucht man keinen "negativen Erbnachweis". Es verhält sich vielmehr so, dass die Erbengemeinschaft auch dann ausgeschlossen werden könnte, wenn die im Grundbuch eingetragenen, noch lebenden Miterben (die in der Regel Antragsteller sind) dem Verfahren zustimmen (OLG Frankfurt, Beschluss vom 7. März 2016 – 20 W 62/16 –, Rn. 6).

    Was die Zurechnung von Besitzzeit angeht, würde ich in §§ 927 Abs. 1, 943 BGB schauen. Die Besitzzeit des Rechtsvorgängers des Antragstellers wird diesem zugerechnet. Hier würde man gegebenenfalls wirklich Erbnachweise brauchen, wenn dein Antragsteller nicht selbst schon 30 Jahre Besitzzeit zusammenbekommt.

    Wenn der 30 jährige Eigenbesitz (ggf. mit Zurechnung der Besitzzeit des Rechtsvorgängers) nachgewiesen wird, würde ich das Aufgebot wohl erlassen.

  • Danke für die Rückmeldung. Wie ist denn diese Fahrnisgemeinschaft der auszuschließenden Eigentümer im Aufgebotsverfahren zu behandeln?

    Könnte denn dann aufgrund des Aufgebotsverfahrens nach §927 BGB die Antragstellerin zu 1/2 Anteil und der Neffe nebst Nichte zu je 1/4 Anteil im Grundbuch eingetragen werden?

  • Wie ist denn diese Fahrnisgemeinschaft der auszuschließenden Eigentümer im Aufgebotsverfahren zu behandeln?

    Zu der Problematik habe ich zunächst nichts geschrieben, da ich mir nicht 100% sicher bin.

    Meinen Recherchen nach handelt es sich um einen altrechtlichen Güterstand. Nach dem, was ich gelesen habe, würde ich von einer Gesamthandsgemeinschaft ausgehen. Dann müssten Mickymaus und Tommymau zwingend gemeinsam ausgeschlossen werden.

    Für den Fall, dass sich jemand (z.B. ein Grundbuchkollege aus RLP) besser mit diesen Altrechten auskennt, lasse ich mich aber auch eines Besseren belehren.

    Zitat

    Könnte denn dann aufgrund des Aufgebotsverfahrens nach §927 BGB die Antragstellerin zu 1/2 Anteil und der Neffe nebst Nichte zu je 1/4 Anteil im Grundbuch eingetragen werden?

    Das ist für uns eigentlich egal. Nach § 927 Abs. 2 BGB kann der Antragsteller eine Aneignungserklärung gegenüber dem GBA abgeben und sich so ins Grundbuch eintragen lassen. Bei mehreren Antragstellern ist eine gemeinsame Aneignungserklärung abzugeben und eine Bestimmung zum Gemeinschaftsverhältnis nach § 47 GBO zu treffen (Schöner/Stöber GrundbuchR, Rn. 1026, beck-online).

    Ist nur eine Antragstellerin vorhanden, wird nur diese eingetragen werden können. Ob diese im Nachgang Grundstücksteile übereignet ist ihre Entscheidung.

    Was die genau vereinbaren, kann uns egal sein.

  • Die Fahrnißgemeinschaft war kein altrechtlicher Güterstand, sondern war in den §§ 1549ff BGB (Stand 1.1.1900) geregelt. Der altrechtliche Güterstand der Gütergemeinschaft rheinischen Rechts (also die communauté légale des napoleonischen Code Civil) wurde am 1.1.1900 zur Fahrnißgemeinschaft, nicht zur allgemeinen Gütergemeinschaft. Die §§ 1549ff. BGB i.d.F. vom 01. April 1953 gelten weiterhin (Art. 8 Teil I Nr. 7 Gleichberechtigungsgesetz).

    "Allen ist alles egal, außer der Handyvertrag" - Kraftklub

  • Hallo,

    ich bearbeite seit heute vertretungsweise Aufgebotsverfahren für ein anderes Amtsgericht. In einer Akte wurde das Aufgebot eines Grundstückseigentümers beantragt. Der Antragsteller hat mit notarieller Urkunde eidesstattliche versichert, dass zunächst eine Person x das Grundstück über 30 Jahre lang bewirtschaftete und er diese Fläche seit nunmehr 12 Jahren auf eigene Kosten bewirtschaftet. Es liegt ein Erbschein bezüglich des eingetragenen und am 06.08.1876 verstorbenen Eigentümers vor, wonach dieser von seinen sämtlich nachverstorbenen 10 Kindern und seiner Ehefrau beerbt wurde. Anschriften der Erben der nachverstorbenen Erben seien nicht bekannt.

    Kann ich hier ein Aufgebot nach § 927 BGB erlassen? Der aktuelle Besitzer hat das Grundstück erst seit 12 Jahren im Besitz und ist nicht Erbe des vorherigen Besitzers. Somit dürfte er doch gar kein Antragsrecht haben. Wie seht ihr das?

  • Danke, das hatte ich in der Kommentierung anders gelesen. Also kann jeder, der ein Grundstück ein paar Monate in Besitz hat, so ein Aufgebotsverfahren beantragen, wenn er angibt, dass der Grundbesitz seit insgesamt 30 Jahren in Fremdbesitz ist?

    Der Antragsteller kann ja nicht mal nachweisen, dass der vorherige Besitzer das Grundstück 30 Jahre in Besitz hatte.

    Eine Abwesenheitspflegeschaft käme hier nicht in Betracht?

  • Und dass die ganzen Erben namentlich bekannt sind, interessiert niemanden?

    Wenn das Grundstück wirklich so lange Zeit im Besitz eines anderen war, vermutlich nicht mal die Erben selbst.

    OLG Jena Beschl. v. 27.5.2013 – 9 W 197/13:

    "Der Umstand, dass die Erben des im Grundbuch als Eigentümer eingetragenen K. H. jun. namentlich bekannt sind, hindert die Durchführung des Ausschließungsverfahrens nach § 927 Abs. 1 BGB nicht."

  • Nochmal danke! Wie kann denn glaubhaft gemacht werden, dass das Grundstück so lange im Besitz eines anderen war? Nicht mal die Witwe des vorherigen Besitzers kann das bestätigen, da sie es nicht weiß.

    Also brauche ich als Gericht gar nichts weiter ermitteln? Einfach ein Aufgebot machen und dann wird der derzeitige Besitzer Eigentümer. Bei uns am Gericht wurde sowas, nach Auskunft meiner Kolleginnen, fast noch nie gemacht. Dann könnten wir so manche Grundbuchsache, in der wir jahrelang Erben ermitteln, schneller vom Tisch bekommen.

  • Sehr gut!

    Das werde ich erfragen. Das Verfahren läuft beim anderen Gericht bereits seit 2022. Mich wundert, dass die Kollegin diesbezüglich noch nicht nachgefragt hat. Sie hat sich bislang darauf beschränkt, den Erbschein des eingetragenen Eigentümers zu erlangen.

    Der Antragsteller könnte evtl. nachweisen, dass der vorherige Besitzer alle Abgaben für das Grundstück gezahlt hat. Ich werde auch erfragen, an wen Pacht gezahlt wird, da angegeben wurde, dass ein "Pachtverhältnis/mündlicher Nutzungsvertrag" besteht.

    Einmal editiert, zuletzt von Karo (20. Februar 2024 um 20:20)

  • Das steht so, ohne nähere Erläuterung oder Beifügung von Belegen, im Antrag. Ich gehe davon aus, dass keine Pacht gezahlt wird. An wen auch?

    Der Antragsteller erklärt nur, dass er alle nutzungsunabhängigen und alle nutzungsabhängigen Kosten des Grundstücks trägt und es wie sein eigenes bewirtschaftet.

  • Da würde ich auch genauer nachfragen. Ein Pachtverhältnis ist eine Form des Fremdbesitzes. Damit würde Eigenbesitz ausscheiden. Als Eigenbesitzer muss er öffentliche Lasten tragen (Grundsteuer, etc.).

    Haben mehrere Eigenbesitzer nacheinander das Grundstück in Eigenbesitz, werden die Ersitzungszeiten zusammengerechnet. Die insgesamt 30 Jahre müssen aber glaubhaft gemacht werden. Kann der Antragsteller das nicht, geht eben das Aufgebotsverfahren nicht.

    Dass eventuelle Erben bekannt sind, ist unproblematisch. Wenn sie bekannt sind, müssen sie aber als Beteiligte im Verfahren aufgenommen werden. Insofern würde ich auch die Erben ermitteln und ihnen das Aufgebot zukommen lassen. Vielleicht melden sie Rechte an.

  • Da würde ich auch genauer nachfragen. Ein Pachtverhältnis ist eine Form des Fremdbesitzes. Damit würde Eigenbesitz ausscheiden.

    Das Vermieten bzw. Verpachten würde den Antragsteller zum mittelbaren Besitzer machen (§ 868 BGB). Das reicht nicht nur für den Eigenbesitz (§ 872 BGB), sondern wäre sogar ein Hinweis darauf, daß er den Besitz am Grundstück wie "ihm gehörend" ausübt.

  • 45: Da fehlt ein "nicht" zwischen "Grundstück" und "wie", oder bin ich noch zu müde?

    Beginne den Tag mit einem Lächeln. Dann hast Du es hinter Dir. (Nico Semsrott)

    "Das Beste an der DDR war der Traum, den wir von ihr hatten." Herrmann Kant in einem Fernsehinterview

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