Fiskuserbrecht - Rpfleger 2024, 11

  • Es gibt so etwas wie eine Offenkundigkeit. Es mag sein, dass es einen Fall gibt, bei dem man 4 Wochen nach dem Erbfall völlig zurecht das Fiskuserbrecht feststellt. Aber eben nicht in dieser Häufigkeit.

    Insofern kann ich den vorstehenden Post nicht nachvollziehen. Die Masse an Daten ist Beleg genug, dass da etwas ganz gewaltig nicht stimmt. Abgesehen davon, würde ich mich natürlich freuen, wenn das Ministerium eine Überprüfung aller Akten im Einzelnen anordnet. Das kann aber Cromwell nicht selbst tun. Er hat kein Einsichtsrecht.


    Bei etwas Nachdenken…ist der Post nicht nachzuvollziehen.

    -------------------------:aktenEine wirklich gute Idee erkennt man daran, daß ihre Verwirklichung von vorn herein ausgeschlossen erschien. (Albert Einstein):gruebel: ------------------------------------

    Nachlass-Kanzlei / Büro für gerichtliche Pflegschaften / Nachlasspflegschaften, Nachlassverwaltungen, Testamentsvollstreckungen, Nachlassbetreuungen /
    Nachlasspfleger Thomas Lauk - http://www.thomaslauk.de

  • Das kann aber Cromwell nicht selbst tun. Er hat kein Einsichtsrecht.

    Generell richtig - aber für wissenschaftliche Zwecke dürfen die Akten mit Genehmigung des Amtsvorstandes herausgegeben werden, s. ZVG-Untersuchung durch die HWR vor einigen Jahren. Ich selbst durfte ebenfalls schon mal eine ZVG Original-Akte für wissenschaftliche Zwecke auswerden. Aber man denke auch an Sachverständige, diesen dürften die Akten ebenfalls übergeben zu sein.

  • Absurd. Bei allen Gerichten in Niedersachsen würde das niemals genehmigt werden. Und wenn, dann nur weil Cromwell die Auswertung wie geschehen veröffentlicht hat. Das ist aber nicht unsere Aufgabe. Jetzt ist die Justiz oder Politik gefragt. Aber da sehe ich eh schwarz.

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  • Wenn ich mir den Gegenstand der Untersuchung meiner Abhandlung betrachte, wird man sich wohl unschwer ausmalen können, wie etwaige Akteneinsichtsgesuche (in mehr als 1.500 Nachlassakten pro Jahrgang!) verbeschieden worden wären.

    Und handelt es sich nicht um "valide" Daten, wenn aufgrund eines einfachen Rechenexempels zweifelsfrei festgestellt wird, dass in 80 % aller Fiskuserbrechtsfälle keine vorherige öffentliche Aufforderung erfolgt? Und sind es keine "validen" Erkenntnisse, wenn unter Nennung der betreffenden Verfahren festgestellt wird, dass Fiskuserbrechtsfeststellungen bereits nach wenigen Arbeitstagen erfolgen, obwohl der vorhandene Aktivnachlass in hunderttausende von Euro geht? Und sind es keine "validen" Daten, wenn festgestellt wird, dass im Jahr 2023 etwa von einem Drittel aller niedersächsischen Nachlassgerichte überhaupt keine öffentlichen Aufforderungen vorliegen und dass es von mehr als 20 % aller niedersächsischen Nachlassgerichte während der Jahre 2022/2023 keine öffentlichen Aufforderungen gegeben hat? Und sind es schließlich keine "validen" Zahlen, wenn festgestellt wird, dass von diversen Großgerichten entweder überhaupt keine oder nur ganz wenige öffentliche Aufforderungen vorliegen?

    Wie ich schon sagte: Die Zahlen sind so, wie sie eben sind und der bloße Überbringer der schlechten Nachricht ist nicht ihr Verursacher.

    Wie TL schon bemerkte: Jetzt sind die Justiz bzw. die Politik und ggf. auch die Staatsanwaltschaften am Zuge. Mein Vorschlag lautete dementsprechend mit Verweis auf die causa Gurlitt (in Bayern) auch dahin, dass eine mit erbrechtsspezialisierten Mitarbeitern besetzte Task Force eingesetzt werden soll, die alle einschlägigen Nachlassakten rückwirkend bis zum Jahrgang 2008 einer entsprechenden Prüfung unterzieht. Also genau das, was ich - da faktisch und rechtlich unmöglich - nicht selbst tat und auch nicht tun konnte.

  • Mittlerweile gibt es ein informationsfreiheitsgesetz.* Die Nachlaßakten dürften nicht mehr laufend sein, also abgelegt. Einer Auswertung Dritter müßte die Verwaltung schon gute Argumente entgegensetzen, wenn der "Auswerter" sich verpflichtet, die persönlichen Daten geheimzuhalten.

    Natürlich können nicht alle Akten angefordert werden. Cromwell hat jedoch sehr genau die Veröffentlichungen studiert. Exemplarisch könnte von einem "auffälligen" AG ein Jahrgang mal durchgesehen werden. Cromwell, bist ja wohl auch Rentner und hast vielleicht Zeit - mach doch dem AG den Vorschlag, Du nimmst vor Ort Akteneinsicht.

    Bei Deinem Engagement und der bereits intevestierten Arbeit, würde ich da dran bleiben.

    Mittlerweile drängt sich mir der Eindruck auf, der Executive sind die eigenen Gesetze lästig. Bestes Beispiel der Vorschlag einen § 94a ZVG einzuführen, und hier passend natürlich § 178a ZVG. Interessant war die Anhörung zur Änderung des § 5 WiStG von der Dezerentin Wagner, Stadt Frankfurt vor dem Rechtsausschuss am 19.2.2024. Da die Verfolgung von Wuchertatbeständen sehr mühselig sein kann, sollen die Anfordungen an den den Tatbestand nach unten gesenkt werden. Weiteres Beispiel das KAG - zahlt der Nutzer nicht, muss halt der Eigentümer dinglich dran glauben (VG Augsburg, Urteil v. 14.02.2023 – Au 8 K 22.1246, BeckRS 2023,9978, demnächst von mir besprochen in der IVR, Heft I/2024).

    Wir wollen doch alle Bürokratieabbau - aber so?

    *Damit konnte ich schon bei meiner Stadtverwaltung Punkten (die gewünschten Daten wurden mit Hinweis auf dieses Gesetz dann herausgeben - die Verwaltungsgebühren von ca. 30,00 EU bezahlte ich dann gerne).

  • Die Gesetze sind (ihnen) nicht nur lästig. Ich unterstelle öfter, dass sie die Gesetze einfach nicht mehr verstehen. Die Gesetze und deren historischer, gesellschaftlicher und rechtlicher Kontext werden schlicht nicht verstanden.

    "Just 'cos you got the power, that don't mean you got the right!" ((c) by Mr. Kilmister, passt zum Job)

    "Killed by Death" (ebenfalls (c) by Lemmy, passt eigentlich immer)

  • Erstmal Respekt Cromwell für den Rechercheaufwand! Vor einiger Zeit habe ich einen insolvenzrechtlichen Aufsatz verfasst, der auf Auswertungen von Daten des Statistischen Bundesamtes basierte. Das war schon eine Hausnummer, aber kein Vergleich zu der hier vorgestellten Arbeit.

    Ich frage mich allerdings, auf welcher rechtlichen Grundlage die Einsetzung einer Task Force erfolgen soll und mit welchen Befugnissen sie versehen werden sollte (Erbenermittlung?). Dem Vergleich zu Gurlitt vermag ich insofern nicht zu folgen, dass die Untersuchung der Herkunft von Kunstwerken etwas anderes ist als die Überprüfung von Akten, in denen Entscheidungen in sachlicher Unabhängigkeit (auch soweit diese mit Ermessensfehlern/Fehlern behaftet sind) getroffen wurden.

    Damit will ich nicht die Aufrechterhaltung fehlerbehafteter Entscheidungen rechtfertigen, aber es hätte sicherlich auch eine negative Ausstrahlung auf die sachliche Unabhängigkeit, wenn tausende oder zehntausende Akten, der genaue Umfang ist mir nicht ganz klar, überprüft würden. Habe ich hier länger nicht mehr gelesen, aber in der Vergangenheit gab es ab und zu auch Threads zur Aktenüberprüfung bei vermögenden Betreuten/Mündeln durch das Landgericht im Verwaltungswege. Da wurde zu Monierungen eigentlich immer sinngemäß geschrieben: muss einen nicht zwingend interessieren, siehe § 9 RPflG.

    wohoj Informationsfreiheitsrecht wäre für weitere Nachforschungen, ungeachtet der fehlenden Leistbarkeit, nicht weiterführend. Abgesehen davon, dass Niedersachsen meines Wissens kein IFG hat, sind nach meiner Kenntnis dort, wo eines besteht, Akten aus der Rechtsprechung in der Regel vom Anwendungsbereich ausgenommen.

    Vorsorglicher Hinweis: Ich war und bin dienstlich nicht mit Fiskuserbschaften befasst.

  • Natürlich wäre es gut, wenn die Indizienlage dazu führen würde, dass die Fälle im Einzelnen ausgewertet werden. Aber das sind mehrere (bezahlte) Vollzeitjobs. Mein Eindruck ist, dass der Staat sein (unser) Geld lieber anders ausgibt.

  • BREamter

    Ich könnte mir vorstellen, dass es eine wesentlich negativere "Ausstrahlung" auf die sachliche Unabhängigkeit hat, wenn sich herausstellt, dass sie im Ergebnis als Deckmantel dafür missbraucht wird, dem Fiskus Erbschaften "zuzuschustern", die ihm materiell nicht zustehen. Denn dann könnten wir sehr schnell - wenn auch zu Unrecht - an dem Punkt angelangt sein, dass die Frage aufgeworfen wird, ob ein Berufsstand, der sich dergleichen verhält, die sachliche Unabhängigkeit überhaupt "verdient". Und dass das Ganze kein Ruhmesblatt für unseren Berufsstand ist, steht wohl außer Zweifel, auch wenn die weit überwiegende Mehrheit der Kollegen die besagten Vorgänge sicherlich missbilligt (worauf ich in meiner Abhandlung auch hingewiesen hatte). Aber es gibt eben schwarze Schafe und wenn es viele schwarze Schafe sind, reden wir bereits über Schafherden.

    Bei der Task Force geht es um den politischen Willen, erkanntermaßen bestehende Misstände beseitigen zu wollen. Möglich ist auf der politischen Ebene alles, man muss es nur wollen. Und die Herkunft von Kunstwerken und die Herkunft von Erbschaften ist so unterschiedlich nicht. In beiden Fällen geht es darum, dass die jeweilige Herkunft auf einem Unrechtshandeln beruht oder jedenfalls beruhen kann. Und was sollte der Erwägung entgegenstehen, dass der Fiskus erklärt, eine ihm objektiv unrechtmäßig angefallene Erbschaft nicht behalten zu wollen, auch wenn sie ihm "in sachlicher Unabhängigkeit" zuerkannt wurde?

    Ich denke, dass der von mir unterbreitete Vorschlag um einiges "milder" ist, als wenn die Staatsanwaltschaft tausende von Nachlassakten in eigener Prüfung sichtet.

    Es liegt mir völlig fern, das Ergebnis solcher - gleich durch wen - vorgenommener Prüfungen in irgendeiner Weise vorwegnehmen zu wollen. Das von mir recherchierte umfangreiche statistische Material deutet aber darauf hin, dass es bei den Fiskuserbschaften in vielerlei Hinsicht nicht mit rechten Dingen zugeht.

  • Cromwell

    Das zur negativen "Ausstrahlung" Gesagte sehe ich genauso. Ich wollte eigentlich auch nur darauf hinweisen, dass das bei einer groß angelegten Aktenüberprüfung dann erst recht und richtig durchschlagen würde.

    In Sachen Task Force gibt es in Niedersachsen einen inhaltlich anders gelagerten Präzedenzfall aus der Vergangenheit, siehe nachstehender Artikel bei lto.de aus 2017:

    Inwiefern das logistisch und personell auf eine Task Force Fiskuserbschaften übertragbar wäre, ist eine andere Frage.

    Eine (freiwillige) Herausgabe objektiv unrechtmäßig erlangter Fiskuserbschaften könnte ohne Aufhebung oder Annahme/Feststellung der Nichtigkeit der Beschlüsse über den Eintritt einer Fiskuserbschaft ein haushaltsrechtliches Problem darstellen (in Bezug auf Auszahlungen als solche, konkrete Beträge spielen dabei weniger eine Rolle). Kann ich bei Interesse auf abstrakter Ebene gerne etwas näher darstellen.

  • Ich habe anhand der bekannten Anzahl von Fiskuserbschaften berechnet, dass in Niedersachsen für den Zeitraum von 2008 bis 2003 insgesamt etwa 25.000 Nachlassverfahren zu überprüfen wären, dass sich diese Zahl aufgrund des hohen Anteils von Ausschlagungs- und Überschuldungsfällen und von Kleinnachlässen bis zum Betrag von 5.000 € auf etwa 13.000 Nachlassverfahren reduziert und dass sie sich noch weiter auf etwa 10.750 Nachlassverfahren reduziert, wenn man auch die Nachlässe im Bereich von 5.000 € bis 10.000 € von der Prüfung ausnimmt (zur Berechnung vgl. Rpfleger 2024, 11, 25).

    Nach dem verlinkten Artikel (lto) waren in der besagten Angelegenheit 200 Sonderprüfer im Einsatz, welche ca. 2.000 Examensabschlüsse und 16.000 Klausuren überprüften. Der hiermit verbundene personelle und zeitliche Aufwand war sicher nicht geringer als die von mir angeregte und für erforderlich gehaltene Überprüfung der genannten Anzahl von Fiskuserbrechtsfällen. Dies belegt, dass eine solche Überprüfung ohne weiteres möglich ist, wenn es hierfür den erforderlichen politischen Willen gibt.

    Das von meinem Vorredner geschilderte haushaltsrechtliche Problem im Sinne der Herausgabe von dem Fiskus zuerkannten Erbschaften sehe ich im Ergebnis nicht, weil ich davon ausgehe, dass eine solche Herausgabe die vorherige nachlassgerichtliche Aufhebung der Feststellung des Fiskuserbrechts voraussetzt (was von Amts wegen erfolgen kann und somit nicht einmal einen entsprechenden Antrag voraussetzt). Es bleibt also natürlich dabei, dass die "Beseitigung" des festgestellten Fiskuserbrechts und die hierfür erforderlichen nachträgliche Erbenermittlung die originäre Aufgabe der Nachlassgerichte (und ggf. von zu bestellenden Nachlasspflegern) ist. Die Task Force prüft somit anhand der Nachlassakten lediglich, ob die Vorausetzungen für die Feststellung des Fiskus im Einzelfall objektiv vorlagen und wenn dies nicht der Fall (oder zumindest zweifelhaft) ist, kann (und muss) der Fiskus selbst eine entsprechende Überprüfung bei den jeweiligen Nachlassgerichten anregen. Die sachliche Unabhängigkeit wird von einer solchen Anregung nicht tangiert. Das ist nicht anders, als wenn jemand die amtswegige Einziehung eines nach seiner Ansicht originär unrichtigen Erbscheins anregt. Eine andere Frage ist dann, ob derjenige Rechtspfleger, der die Fiskuserbrechtsstellung vorgenommen hat (falls er noch beim Nachlassgericht tätig ist und für das betreffende Verfahren zuständig wäre), von der entsprechenden Prüfung ausgeschlossen ist oder ob er sich einer solchen Prüfung jedenfalls im Wege der Selbstablehnung enthalten sollte.

  • Naja, wenn wir die sachliche Unabhängigkeit verlieren, wird aus der Faulheit einiger Kollegen (einen anderen Grund sehe ich nicht, gegen geltendes Recht zu verstoßen...ups, doch, wenn das Recht unbekannt ist; ist die Frage was schlimmer ist, nicht besser arbeiten zu wollen oder es nicht besser zu können) doch die Anweisung von oben, dass wir das Fiskuserbrecht "sofort" festzustellen haben.

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    "Killed by Death" (ebenfalls (c) by Lemmy, passt eigentlich immer)

  • Rechtswidrige Weisungen brauchen auch von bloßen Verwaltungsbeamten nicht befolgt zu werden. Ob man sich ihnen widersetzt, ist eine andere Frage. Wer in sachlicher Unabhängigkeit Unsinn angestellt hat, wird dies ohne sachliche Unabhängigkeit erst recht tun.

  • Cromwell

    Danke für die Erläuterung. Wenn vor der Herausgabe der Erbschaft durch den Fiskus die Feststellung des Fiskuserbrechts aufgehoben worden ist, ist das natürlich haushaltsrechtlich unproblematisch. Ich hatte zuvor angenommen, dass hiermit eine freiwillige Herausgabe ohne Aufhebung der Feststellung des Fiskuserbrechts gemeint war.

    Ich finde jetzt auch die Aufgabe und Rolle einer Task Force nachvollziehbar dargelegt gegenüber dem Anfang des Threads (den ich von Beginn an mitgelesen habe, auch wenn ich erst vor einigen Tagen erstmals etwas geschrieben habe). :thumbup:

    Persönlich (ich wohne in Niedersachsen) hat mich das Thema in der bisher noch nicht umgesetzten Überlegung bestärkt, ein Testament zu errichten.

  • Ich werde voraussichtlich im Lauf des Tages - wohl am späteren Nachmittag - im Anschluss an die Januar-Statistik 2024 (#58) die aktualisierte Statistik für den Zeitraum Januar/Februar 2024 im Hinblick auf die seitens niedersächsischer Nachlassgerichte veranlassten öffentlichen Aufforderungen im Bundesanzeiger einstellen.

  • Im Anschluss an die unter #58 eingestellte Statistik für Januar 2024:

    Öffentliche Aufforderungen der Nachlassgerichte Niedersachsens zur Feststellung des Fiskuserbrechts

    Statistik für den Zeitraum vom 01.01.2024 bis 29.02.2024


    Im Zeitraum von Januar bis Februar 2024 kam es zu 87 öffentlichen Aufforderungen:

    36 im Januar 2024

    51 im Februar 2024


    Im Hinblick auf die jeweiligen Nachlasswerte verteilten sich diese 87 öffentlichen Aufforderungen wie folgt:

    27 Ausschlagungs- und Überschuldungsfälle (31,03 %)

    26 Fälle mit fehlenden Angaben zum Nachlasswert (29,89 %)

    34 Fälle mit Angaben zum Nachlasswert (39,08 %)


    Die letztgenannten 34 Fälle mit Angaben zum Nachlasswert verteilten sich wie folgt:

    20 Fälle mit einem Aktivnachlasswert von 150 € bis 5.000 € (58,83 %)

    06 Fälle mit einem Aktivnachlasswert von 5.000 € bis 10.000 € (17,65 %)

    02 Fälle mit einem Aktivnachlasswert von 10.000 € bis 20.000 € (5,88 %)

    01 Fälle mit einem Aktivnachlasswert von 20.000 € bis 30.000 € (2,94 %)

    02 Fälle mit einem Aktivnachlasswert von 30.000 € bis 40.000 € (5,88 %)

    01 Fälle mit einem Aktivnachlasswert von 40.000 € bis 50.000 € (2,94 %)

    01 Fälle mit höheren Aktivnachlasswerten (2,94 %)

    01 Fälle mit lediglich ungefähren oder gegenständlichen Angaben zum Nachlasswert (2,94 %)


    Die 33 Fälle mit bezifferten (und nicht lediglich ungefähren oder gegenständlichen) Angaben zum Nachlasswert repräsentierten einen Gesamtaktivnachlasswert von 341.222,72 €. Auf das Gesamtjahr 2024 hochgerechnet ergibt dies einen Gesamtaktivnachlasswert von 2.047.336,32 €.

    Zum Vergleich: Im Gesamtjahr 2022 (die Zahlen für 2023 liegen noch nicht vor) wurden aus niedersächsischen Fiskuserbschaften Gesamteinnahmen in Höhe von 21,52 Mio. € erzielt, was für einen Zeitraum von zwei Monaten einem Anteil von 3.586.666 € entspricht (1/6 von 21,52 Mio. €). Die sich zu dem Gesamtbetrag der Nachlasswerte im Zeitraum Januar bis Februar 2024 ergebende Diskrepanz ist derart exorbitant (341.222,72 € entsprechen lediglich 9,51 % der Nachlasswerte im Zeitraum 01-02/2022), dass selbst unter Berücksichtigung der Annahme, dass die Fiskuserbschaften im Jahr 2024 weniger werthaltig als im Vergleichszeitraum des Jahres 2022 ausgefallen sind, wohl weiterhin davon ausgegangen werden muss, dass die meisten (nicht offenbarten) Nachlasswerte den öffentlichen Aufforderungen ohne Angaben zum Nachlasswert oder dem Anteil von bislang durchgängig 80 % der Fälle zuzuordnen sind, bei welchen von vorneherein keine öffentliche Aufforderung erfolgt. Die genannte Diskrepanz ist umso bemerkenswerter, als im Zeitraum 01-02/2024 wesentlich mehr öffentliche Aufforderungen erfolgten (87) als im Vergleichszeitraum 01-02/2022 (53), was einem Zuwachs von 64,15 % entspricht.

    Die im Zeitraum Januar bis Februar 2024 erschienenen 87 öffentlichen Aufforderungen verteilten sich auf folgende 36 niedersächsische Nachlassgerichte, wobei die erste Zahl die Anzahl der öffentlichen Aufforderungen pro NachlG, die in Klammern gesetzte zweite Zahl die Gesamtzahl der öffentlichen Aufforderungen und die dritte Zahl die Anzahl der NachlG bezeichnet:

    10 = (10) 1: Cuxhaven

    07 = (07) 1: Stade

    05 = (15) 3: Celle, Hannover, Uelzen

    04 = (12) 3: Geestland, Gifhorn, Peine

    03 = (12) 4: Nienburg/Weser, Otterndorf, Tostedt, Wennigsen/Deister

    02 = (14) 7: Brake/Unterweser, Bremervörde, Buxtehude, Cloppenburg, Osnabrück, Stadthagen, Wilhelmshaven

    01 = (17) 17 Nachlassgerichte (Auflistung siehe nachfolgend)

    17 NachlG mit einer einzigen öffentlichen Aufforderung: Alfeld/Leine, Aurich, Bückeburg, Diepholz, Göttingen, Goslar, Hildesheim, Leer/Ostfriesland, Lehrte, Lüneburg, Meppen, Nordenham, Salzgitter, Stolzenau, Verden/Aller, Winsen/Luhe, Wolfsburg

    Von den übrigen 44 (von insgesamt 80) niedersächsischen Nachlassgerichten gab es somit keine öffentlichen Aufforderungen.

    Zwischenfazit:

    Die Anzahl von 87 öffentlichen Aufforderungen für den Zeitraum Januar bis Februar 2024 entspricht einer auf das Gesamtjahr 2024 hochgerechneten Anzahl von 522 öffentlichen Aufforderungen. Im Vergleich zu den 425 öffentlichen Aufforderungen des Gesamtjahres 2023 deutet sich also eine höhere Anzahl öffentlicher Aufforderungen an. Den im aktuellen Zeitraum (Januar/Februar 2024) ergangenen 87 (36/51) öffentlichen Aufforderungen stehen für den gleichen Zeitraum des Jahres 2023 lediglich 49 (23/26) öffentliche Aufforderungen gegenüber. Dies entspricht im besagten Zweimonatszeitraum einer Zunahme der öffentlichen Aufforderungen um 77,55 %.

    Bezüglich der Urheberschaft der öffentlichen Aufforderungen verhält es sich weiterhin so, dass überwiegend diejenigen Nachlassgerichte „an der Spitze“ liegen, bei welchen schon in den Jahren 2022 und 2023 die meisten öffentlichen Aufforderungen zu verzeichnen waren (aktuell: Cuxhaven, Stade). Demgegenüber liegen nunmehr aber auch (wenige) öffentliche Aufforderungen von Nachlassgerichten vor, die in den beiden Jahren 2022 und 2023 überhaupt keine öffentlichen Aufforderungen erlassen hatten (Cloppenburg 2, Hildesheim 1, Stolzenau 1). Ähnliches gilt etwa für das NachlG Uelzen, von welchem bereits 5 öffentliche Aufforderungen vorliegen und damit mehr als im Gesamtjahr 2023 (3). Da bislang nur ein Zeitraum von zwei Monaten von der vorliegenden Statistik erfasst wird, bleibt abzuwarten, ob sich insoweit bei einzelnen Nachlassgerichten eine Veränderung in der Veröffentlichungspraxis andeuten könnte.

    Die Anzahl von öffentlichen Aufforderungen ohne Angaben zum Nachlasswert ist weiterhin unverhältnismäßig hoch (26 von 87 = 29,89 %) und Angaben zu den Verwandtschaftsverhältnissen des jeweiligen Erblassers sind in den öffentlichen Aufforderungen weiterhin regelmäßig nicht enthalten (anders lediglich in den öffentlichen Aufforderungen des NachlG Peine vom 05.02.2024, des NachlG Osnabrück vom 19.02.2024 und des NachlG Hildesheim vom 26.02.2024, in welchen die vorverstorbenen Erblassereltern oder anderweitige Verwandtschaftsverhältnisse angegeben sind).

    Hinweise:

    Im Statistikzeitraum wurden insgesamt 88 öffentliche Aufforderungen seitens niedersächsischer Nachlassgerichte veranlasst. Die öffentliche Aufforderung des NachlG Peine vom 11.01.2024 betraf jedoch nicht die Feststellung des Fiskuserbrechts, sondern den Ausschluss von Beteiligten im Erbscheinsverfahren, sodass in die Statistik nur 87 öffentliche Aufforderungen Eingang gefunden haben.

    In der öffentlichen Aufforderung des NachlG Tostedt vom 06.02.2024 ist die Norm des § 2358 Abs. 2 BGB als Rechtsgrund angegeben, obwohl diese im BGB nicht mehr existente Norm bereits mit Wirkung vom 17.08.2015 in das FamFG ausgelagert wurde (§ 352d FamFG) und sie zudem nur im Erbscheinsverfahren und nicht im Fiskuserbrechtsfeststellungsverfahren einschlägig ist (für Letzteres gilt § 1965 BGB). Im Jahr 2023 ist dem NachlG Tostedt das betreffende Versehen sogar bei 14 öffentlichen Aufforderungen unterlaufen (am 16.01.2023, 15.02.2023, 13.03.2023, 17.03.2023, 31.03.2023, 03.04.2023, 20.04.2023, 2x am 27.04.2023, 2x am 15.05.2023, 05.06.2023, 12.06.2023 und am 07.12.2023), während dies bei den im Jahr 2023 ergangenen übrigen 20 (von insgesamt 34) öffentlichen Aufforderungen des NachlG Tostedt nicht der Fall war.

    2 Mal editiert, zuletzt von Cromwell (1. März 2024 um 15:41) aus folgendem Grund: Schreibfehlerberichtigungen

  • Interessant wäre auch zu wissen, wieviel Tage jeweils zwischen Erbfall und Veröffentlichung vergangen sind. Das nämlich, ist die eigentlich wirklich wichtige Aussage.

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  • Bei den 7 öffentlichen Aufforderungen mit bezifferten Nachlasswerten von mehr als 10.000 € verhält es sich mit den nachlassgerichtlichen Bearbeitungszeiten bis zur öffentlichen Aufforderung wie folgt:

    1. AG Hannover, NLW 12.535,72 €, Erbfall am 15.09.2023, öffentliche Aufforderung am 09.01.2024

    2. AG Gifhorn, NLW 14.960,00 €, Erbfall am 04.05.2021, öffentliche Aufforderung am 19.01.2024

    3. AG Hannover, NLW 28.000,00 €, Erbfall am 08.09.1990, öffentliche Aufforderung veranlasst am 19.01.2024

    4. AG Hannover, NLW 40.000,00 €, Erbfall am 05.07.2001, öffentliche Aufforderung veranlasst am 19.01.2024

    5. AG Verden/Aller, NLW 79.666,70 €, Erbfall am 16.12.2022, öffentliche Aufforderung am 26.01.2024

    6. AG Uelzen, NLW 35.949,02 €, Erbfall am 21.08.1989, öffentliche Aufforderung veranlasst am 11.01.2024

    7. AG Göttingen, NLW 48.000,00 €, Erbfall am 27.02./02.03.2023, öffentliche Aufforderung veranlasst am 23.01.2024

    Sofern das Datum der Veranlassung aus der öffentlichen Aufforderung hervorgeht, wurde der Zeitpunkt dieser Veranlassung und nicht der Tag der Veröffentlichung genannt.

    Im Wesentlichen erscheinen die nachlassgerichtlichen Bearbeitungszeiten unkritisch (insbesondere in den Fällen 2, 3, 4, 6). Im Fall 1 waren es knapp vier Monate, im Fall 5 mehr als ein Jahr und im Fall 7 zehn Monate.

    Zur Einzelstatistik verweise ich auf die beigefügte PDF-Datei.

  • Ok das klingt alles erstmal unkritisch. Bis auf Fall 1.

    Zumindest sind das keine so krass kurzen Abstände wie es in der Vergangenen wohl häufig der Fall war.

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  • Man sieht nur, was man anhand dieser Veröffentlichungen auch sehen kann.

    Es sollte nicht aus dem Auge verloren werden, dass bislang in 80 % der Fälle von vorneherein keine öffentliche Aufforderung erfolgte (in der Statistik daher nicht enthalten) und dass wir nicht wissen, welche Nachlässe sich in den knapp 30 % der öffentlichen Aufforderungen verbergen, bei welchen keine Angaben über den Nachlasswert gemacht wurden. Ich habe in meiner Abhandlung statistisch nachgewiesen, dass sich der wesentliche monetäre Anteil der Fiskuserbschaften in eben jenen beiden Fallgestaltungen "verbergen" muss, weil die veröffentlichten Nachlasswerte weit hinter denen zurückbleiben, die der Fiskus nach eigener Angabe im betreffenden Zeitraum vereinnahmt hat.

    Einmal editiert, zuletzt von Cromwell (3. März 2024 um 10:53) aus folgendem Grund: Schreibfehler berichtigt.

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