E-Justiz: Anwaltsvollmacht nur in Papierform?

  • Das Kammergericht (B.v. 12.1.2024 - 1 Ws 122/23) überrascht mich mit einer Entscheidung. Demnach genügt zum Vollmachtnachweis nicht der elektronisch übermittelte Scan einer Vollmachtsurkunde. Im konkreten Fall ging es um die zugleich erteilte Geldempfangsvollmacht (in einer Strafsache). Zwar trifft es zu, dass die Übermittlung ja nur durch den Rechtsanwalt mit dessen elektronischer Signatur erfolgt, für die Wirksamkeit der Vollmacht es aber auf seinen Mandanten ankommt. Ich wäre aber nie auf die Idee gekommen, zusätzlich zu einem elektronisch übermittelten Antrag nun noch Papierbelege anzufordern.

    Das KG beruft sich auf den Wortlaut des § 80 ZPO, wonach die Vollmacht schriftlich zu den Akten zu reichen ist. Daher meine Frage: Ist das überall außer an meinem Gericht Standard?

  • Hier am Amtsgericht wird in Strafsachen die Geldempfangsvollmacht (bei Strafsachen, Kostenfestsetzung nach Freispruch etc.) als elektronisch übermittelter Scan akzeptiert. Die Bezirksrevisorin hat dagegen auch noch nie etwas eingewandt.

  • Die Entscheidung ist zwar im Zusammenhang mit einem Kostenfestsetzungsverfahren (hier in Strafsachen) ergangen. § 80 ZPO gilt aber überall im Zivilprozess, einschl. Zwangsvollstreckung etc. Das heißt, wenn der Gesetzgeber es auch schaffen sollte, zB ein elektronisches Vollstreckungstitelregister zu schaffen, dann wird es trotzdem auch künftig die Notwendigkeit geben, jedenfalls die Vollmacht in Papierform einzureichen. (Wie soll das mit der E-Akte eigentlich gehen?)

  • Nach Musielak/Voit/Weth, 20. Aufl. 2023, ZPO § 80 Rn. 14 sei bei elektronischer Übermittlung der Vollmacht § 130a ZPO zu beachten. Also sollte die Einreichung mittels qualifizierter Signatur des bevollmächtigten RA möglich sein.

    Entscheidungen für die Akzeptanz der elektronisch übermittelten Vollmacht:

    Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz, Urteil vom 3. November 2021 – 7 Sa 123/21 –, Rn. 84, juris
    LG Bonn, Urteil vom 7. Februar 2022 – 9 O 202/21 –, Rn. 35, juris

    (Die Entscheidung des KG kann ich nicht so recht nachvollziehen. Klagen und Anträge müssen von Rechtsanwälten zwingend elektronisch eingereicht werden, die Vollmacht soll dann aber nur in Papierform akzeptiert werden (?).
    Natürlich ist mit dem Besitz von Original-Vollmachten grundsätzlich ein Rechtsschein verbunden. Es kommt auch immer mal vor, dass ein Anwaltswechsel in einem Verfahren erfolgt. Aber bislang habe ich es noch nie gesehen, dass in diesen Fällen das Original der Vollmacht aus der Gerichtsakte zurückgefordert worden wäre.
    Außerdem frage ich mich, ob der vom KG benannte § 126 BGB überhaupt für gerichtliche Verfahren gilt. Ist das nicht eher eine Regelung, die für das materielle Recht Anwendung findet?)

    Einmal editiert, zuletzt von Frog (22. Februar 2024 um 10:29)

  • Sorry, falls das jetzt zu sehr OT ist, aber ich muss das mal loswerden. Ich kann es gut verstehen, dass nicht immer klar ist, was man wie einreichen muss.

    In Ermittlungsverfahren/Strafsachen gibt es ja immer noch zulässige Einreichung in Papierform oder eben elektronisch, je nachdem, wen man vertritt. Vor einigen Monaten bin ich in einem Ermittlungsverfahren als Geschädigtenvertreter zwecks Akteneinsicht aufgetreten. Das ging in Papierform, weil Behörden in Verfahren nach der StPO nicht zu elektronischen Einreichung verpflichtet sind.

    Einige Zeit danach haben wir einen Mahnbescheid bekommen. Ich war schon drauf und dran, den Vordruck für den Widerspruch auszufüllen, bis mir die Eintragung "Sie dürfen dieses Formular nicht benutzen" aufgefallen ist. Den Widerspruch im Mahnverfahren muss auch eine Behörde elektronisch einreichen. Die Übermittlung gelang dann auch beim zweiten Versuch.

  • Quasi die Frage nach dem richtigen "Formular". :) Bei mir ging es um die Auszahlung im Verteilungsverfahren einer Zwangsversteigerung. Man blättert also vergnügt in Kommentierung und Rechtsprechung und liest da, dass die Art der Vorlage den Unterschied zwischen der Einreichung eines "Originals" oder einer "Kopie" bedeute. Also die Frage danach, ob nun ein Rechtsschein gesetzt wird oder nicht. Bei der Auszahlung von 450.000 EUR hat mich das schon interessiert. Wegen der Entscheidung des AG Calw habe ich die Vollmacht dann moniert.

  • Erstmal danke an 15.Meridian für die Entscheidung. Der Mangel der VM des RA ist nur auf Rüge zu prüfen und die wurde durch den Bezi. erhoben. Meiner macht das zum Glück nicht, halte es auch für überzogen, Original zu verlangen. Kopie oder Versich. reicht. Probs. gab es deswegen auch noch nie.

    In der ZV gilt das genauso, ohne Rüge keine Prüfung der VM beim RA. (Ich weiß, da gibts auch abweich. MM.) Und selbst dann genügt die Versicherung auch ohne Urkunde, § 753 a ZPO.

    Das KG hat nicht gesagt, dass elek. Signatur nicht zulässig wäre, sondern dass diese vom Aussteller der Urkunde stammen muss und das ist der Mandant, § 126 a BGB. Klar, ist bei der eAkte nicht förderlich, nur letztlich ist der Scan und Signatur durch den RA nichts anderes als ein Fax oder Kopie, eingereicht durch den RA und die wurden seit jeher nicht akzeptiert von der Rspr.

    Von daher kann ich das KG gut nachvollziehen.

    Es ist immer besser, die Figuren des Gegners zu opfern.

    Savielly Tartakover

  • Etwas OT:

    Aber wo soll das hinführen, das ist doch im Zeitalter des ERV kaum noch umzusetzen? Was ist mit vom RA eingereichten Erklärungen der Parteien, wie z.B. für PKH und BerH? Da stammt bei elektronischer Einreichung die Signatur/Unterschrift auch nicht vom Erklärenden selbst. Oder denke ich da zu weit?

  • Etwas OT:

    Aber wo soll das hinführen, das ist doch im Zeitalter des ERV kaum noch umzusetzen? Was ist mit vom RA eingereichten Erklärungen der Parteien, wie z.B. für PKH und BerH? Da stammt bei elektronischer Einreichung die Signatur/Unterschrift auch nicht vom Erklärenden selbst. Oder denke ich da zu weit?

    Wenn man der o. g. Entscheidung des Kammergerichtes folgt, muss man auch die Einreichung der PKH-Erklärungen per Post verlangen.

  • Danke für diesen Hinweis auf Burhoff.

    Der Burhoffsche Vorschlag, statt einer Geldempfangsvollmacht sich den Erstattungsanspruch nachträglich abtreten zu lassen, wird freilich wieder dazu führen, dass die Abtretungserklärung mit der Mandantenunterschrift, also in Papierform, gefordert werden wird. In der Sache ist also nichts gewonnen. Wenn das Schule macht, wird die E-Akte ein großer Spaß (Papier-Sonderband für die Vertretung der Staatskasse).

  • Der Par. 753a ZPO gilt bei der Vollstreckung von Geldforderungen in das bewegliche Vermögen. Versicherung der anwaltlichen Vollmacht genügt. Was ist eigentlich aus der beabsichtigten Parallelvorschrift Par. 764a ZPO beim Vollstreckungsgericht geworden.

    2 Mal editiert, zuletzt von 45 (24. Februar 2024 um 10:31)

  • Laut einem Referentenenwurf sollte der Par. 753a ZPO gegenüber dem Gerichtsvollzieher gelten und ein Par. 764a ZPO gehenüber dem Vollstreckungsgericht. Zweck der Übung war laut dem Entwurf ausdrücklich, dass man u.a. wegen der Vollmachten keine hybride Aktenführung wollte. Beides galt aber nur zur Mobiliarvollstreckung. Hat man jetzt offenbar allein in den Par. 753a ZPO gepackt. Bedeutet für mich in der Immobilarvollstreckung dann aber im Umkehrschluss, dass dort die hybride Akte weiterhin gewollt ist? Oder ich übersehe immer noch irgendeine Norm.

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