PKH "fälschlicherweise" aufgehoben

  • Hallo an alle!

    Ich habe leider ein kleines Dilemma mit einer Akte. ;(

    Folgendes ist passiert:

    PKH wurde für beide Beklagten bewilligt. Im Wege der Überprüfungsfrist wurde dann von einem Kollegen (dessen Akten ich übernommen habe) die PKH aufgehoben wegen § 124 Abs. 1 Nr. 2 ZPO, weil die Änderung der Anschrift angeblich nicht mitgeteilt wurde. Nach LABO-Anfragen und Durchsicht der Akte, hat sich die Meldeanschrift jedoch nicht verändert und die Schreiben konnten auch zugestellt werden. Es wurde also leider nicht ordnungsgemäß aufgehoben. Die RM-Frist gegen den Beschluss ist auch schon abgelaufen; ein RM wurde jedoch nicht eingelegt.

    Daraufhin habe ich die Kosten mit Absprache meiner Kollegen zum Soll gestellt, weil ich die Aufhebung der Bewilligung anscheinend nicht rückgängig machen kann. Nun erschienen die Beklagten persönlich im Gericht und wollten wissen wieso sie aufeinmal etwas bezahlen müssen. Ich hab sie jetzt an die RAST verwiesen mit der Begründung einer Erinnerung nach § 66 GKG gg. die Sollstellung, damit ich ggf. mit § 21 Abs. 1 S. 1 GKG abhelfen könnte.

    Jetzt allerdings die Frage: Kann man die PKH irgendwie wieder "instandsetzen"?

    Leider bin ich noch neu im Zivilprozess und im Beruf selbst, weshalb PKH wirklich jedes mal ein Mysterium ist, wenn es bei mir auf dem Tisch liegt. :bahnhof:
    Ich würde mich über hilfreiche Antworten freuen!

  • richtig wäre sof Beschwerde gegen die Aufhebung der PKH und der dann abhelfen

    Laut Sachverhalt ist die Rechtsmittelfrist bereits abgelaufen. Für Wiedereinsetzungsgründe sehe ich keinen Anhaltspunkt (da käme insbesondere eine fehlende oder fehlerhafte Belehrung in Frage).

    Somit bleiben den Beklagten nur zwei Möglichkeiten: Entweder können sie bei der Gerichtskasse, welche die Sollstellung umsetzt, Zahlungserleichterungen beantragen (dann würden sie sich letztlich immer noch verschlechtern, sofern zuvor ratenfreie PKH bewilligt war) oder sie beantragen bei der Gerichtsverwaltung den Erlass der Kosten.

    Allerdings ist auch nicht recht verständlich, weshalb nicht fristgerecht Rechtsmittel eingelegt worden ist, nachdem die Zustellungen offenbar wirksam waren.

    "Willst du den Charakter eines Menschen erkennen, so gib ihm Macht." (Abraham Lincoln)

  • Da gibt es aber eine BGH Entscheidung, die das anders sieht.


    Ich habs hier gefunden, Bolleff hatte es eingestellt:


    § 68 Abs. 1 Satz 1 FamFG

    Das Ausgangsgericht (hier: Landwirtschaftsgericht) darf einer Beschwerde gemäß § 68 Abs. 1 Satz 1 FamFG nur abhelfen, wenn diese statthaft und auch im Übrigen zulässig ist. Deshalb muss es vor der Abhilfe auch die Zulässigkeit der Beschwerde prüfen.

    § 44 Abs. 1 und 2, § 45 LwVG

    Das Landwirtschaftsgericht ist jedenfalls nach Ablauf der Beschwerdefrist nicht befugt, die von ihm getroffene Kostenentscheidung von Amts wegen oder aufgrund der Gegenvorstellung eines Beteiligten abzuändern.

    pp.

    BGH, Beschluss vom 7. Oktober 2020 - BLw 1/19 -

    Vorinstanzen:
    OLG Frankfurt am Main
    AG Gelnhausen

    Anmerkungen:
    Mit dem 1. Leitsatz hat der BGH den Meinungsstreit (Rn. 9/10) nunmehr entschieden. In der Begründung zum 2. Leitsatz finden sich zudem grds. Ausführungen zur Gegenvorstellung und der Un-/Möglichkeit der Selbstkorrektur des Gerichtes (Rn. 26-28).

    » Die meisten Probleme entstehen bei ihrer Lösung. «

    Wo unsere Fahne weht, ist es für jedes Schiff zu spät wir sind im Kampfe vereint. Gottes Feind und aller Welts Freund...

    Der Totenschädel lacht, die schwarzen Fahnen wehen... Viva St. Pauli !
    http://www.youtube.com/watch?v=0M2mCKVoBrQ

    Einmal editiert, zuletzt von Störtebecker (25. März 2024 um 15:45) aus folgendem Grund: Gefunden

  • Störtebecker

    Interessant, dass es trotz der BGH-Entscheidung in der aktuellen Kommentierung dennoch teils (noch immer) anders vertreten wird.

    (Zugegeben verstehe ich bis heute nicht, weshalb der Gesetzgeber das Erfordernis der Zulässigkeit nicht mit in § 68 Abs. 1 S. 1 FamFG als Voraussetzung der Abhilfe aufgenommen hat. Lag dem eine bestimmte Absicht zugrunde?)

    Dann bleibt wohl tatsächlich nur der Kostenerinnerung abzuhelfen und Nichterhebung der Kosten wegen falscher Sachbehandlung.

  • Dann bleibt wohl tatsächlich nur der Kostenerinnerung abzuhelfen und Nichterhebung der Kosten wegen falscher Sachbehandlung.

    Das würde meines Erachtens aber auch eine spätere Aufhebung und Einforderung der PKH hindern, wenn ohne die jetzt erfolgte Aufhebung eine spätere Aufhebung erfolgen würde.

    Wenn man sich nicht an der Frage abarbeiten will, inwiefern jetzt noch eine abhilfefähige Beschwerde vorliegt, und eine schuldnerfreundliche Lösung gefunden werden soll, würde ich es so umsetzen:

    • Mahnsperre/Vollstreckungssperre setzen.
    • Mitteilung an Schuldner, dass die Mahnsperre/Vollstreckungssperre aufgehoben wird, wenn bei weiteren Aufforderungen zur Auskunftserteilung innerhalb der restlichen Überprüfungsfrist keine Antwort erfolgt.

    Wenn der Aufhebungsgrund (nicht mitgeteilte Änderung der Anschrift) objektiv falsch war, die Partei bei ihr zugestellten Schreiben aber nicht reagiert hat, bleibt die Frage, inwiefern hier Entgegenkommen angezeigt ist (weil die Aufhebung dann im Ergebnis zutreffend ist).

    Wenn die Partei anwaltlich vertreten war, hätte ggf. an den RA zugestellt werden müssen.

  • Ist es ein noch laufendes Ausgangsverfahren? Dann könnte PkH nämlich auf erneuten Antrag einfach wieder bewilligt werden. Und wenn man dort den Beginn entsprechend festsetzt, wäre das Problem auch gelöst.

    Mit freundlichen Grüßen
    AndreasH

  • Es kommt auch eine Stundung des Anspruchs nach § 109 Abs. 1 NJG (Zuständigkeit: GKostStAV) in Betracht. Man muss ihn nicht (jetzt schon) erlassen (falls die Überprüfungsfrist noch läuft) oder aufwendige Rechtsmittel bemühen. Damit scheint es mir am einfachsten zu sein. Dann ist der Zahlungsanspruch ebenso aufgeschoben wie bei einer Weiterbewilligung ohne Raten und sollte sich am Ende ergeben, dass es immer noch nicht aufgehoben werden würde, kommt ein Erlass in Betracht (§ 109 Abs. 2 NJG).

  • Dann bleibt wohl tatsächlich nur der Kostenerinnerung abzuhelfen und Nichterhebung der Kosten wegen falscher Sachbehandlung.

    Das würde meines Erachtens aber auch eine spätere Aufhebung und Einforderung der PKH hindern, wenn ohne die jetzt erfolgte Aufhebung eine spätere Aufhebung erfolgen würde.

    Wenn der Aufhebungsgrund (nicht mitgeteilte Änderung der Anschrift) objektiv falsch war, die Partei bei ihr zugestellten Schreiben aber nicht reagiert hat, bleibt die Frage, inwiefern hier Entgegenkommen angezeigt ist (weil die Aufhebung dann im Ergebnis zutreffend ist).

    Eine spätere (erneute) Aufhebung der PKH darf es nicht geben, da die jetzige Aufhebung offenbar nicht rückgängig zu machen ist (Rechtskraft).

    Da der angenommene Aufhebungsgrund objektiv falsch war, lag kein Grund zur Aufhebung der PKH vor. Daraus dürfen keine für die PKH-Partei negativen Folgen hergeleitet werden, auch wenn diese nicht reagierte im Sinne einer Mitteilung, dass die Anschrift doch noch aktuell ist.

    Wenn man sich nicht der Mindermeinung (z. B. Sternal, 21. Aufl. 2023, FamFG § 68 Rn. 16) anschließen möchte, dass der Beschwerde trotz RK abzuhelfen ist, bleibt m. E. nur die dauerhafte Nichterhebung der Kosten aufgrund unrichtigter Sachbehandlung. Da ist es auch nicht gerechtfertigt, die Kosten zunächst zu stunden und dann irgendwann vielleicht mal zu erlassen.

  • Sehe ich im Ergebnis wie Frog: Entweder gucken, dass man mit der Mindermeinung die sofortige Beschwerde doch noch gelten lässt oder gucken, was bei der nachträglichen Zulassung möglich ist.

    Ich würde das Problem des objektiv faschen Beschlusses nicht auf die Kostenebene verlagern.

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