• Hallo,

    Testament eines Ehepaares:

    gegenseitige Erbeinsetzung, Erben des Letztversterbenden sollen die 2 Kinder des Mannes sein (Frau hat keine ihr bekannten Verwandten mehr)

    Es ist ein notarielles Testament, der Notar fügte folgendes für den Fall, dass der Ehemann zuerst verstirbt ein:

    1. Verlangt ein Kind nach dem Tod des Mannes den Pflichtteil, so wird es enterbt und das andere Kind bekommt beim Tod der Ehefrau seinen Anteil.
    2. Verlangen beide Kinder nach dem Tod des Mannes den Pflichtteil, so kann die Ehefrau frei über das Erbe verfügen, auch von Todes wegen.

    Es passierte folgendes: Der Mann verstarb im Jahr 1996, die Pflichtteilsklausel schreckte keines der Kinder ab, BEIDE verlangten den Pflichtteil.
    Die Frau starb 2021 , sie hat keine neue Verfügung von Todes wegen errichtet.


    Frage: Wer ist Erbe?
    1. die eventuellen Verwandten der Ehefrau bzw. der Fiskus, da beide Kinder durch das Pflichtteilsverlangen raus sind und 2. im Testament nur ein klarstellender Passus ist (was hier in anderen Testamenten noch nicht vorkam). Das "verlangt ein Kind" ist nicht ausschlaggebender Tatbestand, auch bei Unmöglichkeit der Übertragbarkeit auf das andere Kind ist Enterbung mit der Folge unbestimmter, den Erblassern unbekannter Erben gewollt. (hier wird es dann wohl der Fiskus, sofern kein Erbenermittler jemanden aus der Ehefrauenverwandtschaft auftreibt)

    2. weiterhin die Kinder des Ehemannes. Der Passus "verlangen beide Kinder" ist Tatbestandsmerkmal, mit der Folge dass die Ehefrau die Möglichkeit hatte durch Testament einen neuen Erben zu bestimmen.
    (eben weil der Notar mit den Eheleuten die Frage klären wollte- was wenn es beide verlangen, was dann?)
    Oder es so zu belassen und die Kinder Ihres Mannes bleiben im Boot, was dann mangels neuer Verfügung von Todes wegen anzunehmen wäre.

    3. andere Idee


    Bin gespannt...

    2 Mal editiert, zuletzt von Insulaner (29. Juni 2021 um 13:23) aus folgendem Grund: Sterbedaten nachgetragen

  • 2. weiterhin die Kinder des Ehemannes. Der Passus "verlangen beide Kinder" ist Tatbestandsmerkmal, mit der Folge dass die Ehefrau die Möglichkeit hatte durch Testament einen neuen Erben zu bestimmen.
    (eben weil der Notar mit den Eheleuten die Frage klären wollte- was wenn es beide verlangen, was dann?)
    Oder es so zu belassen und die Kinder Ihres Mannes bleiben im Boot, was dann mangels neuer Verfügung von Todes wegen anzunehmen wäre.

    Ich würde diese Auslegung bevorzugen. Enterben wollten die Eheleute nur dasjenige Kind, das den Pflichtteil geltend macht zugunsten des anderen Kindes, das den Pflichtteil nicht geltend macht. Sie hätten im Testament unschwer beide Kinder enterben und der überlebenden Ehefrau die alleinige Verfügungsmöglichkeit einräumen können.

    Das haben sie aber nicht gemacht, sondern sie haben der überlebenden Ehefrau die Möglichkeit eingeräumt, die Enterbung der Kinder nach eigenem Belieben selbst vorzunehmen. Von dieser Möglichkeit hat sie keinen Gebrauch gemacht.

  • Ich plädiere für

    1. die eventuellen Verwandten der Ehefrau bzw. der Fiskus, da beide Kinder durch das Pflichtteilsverlangen raus sind

    Meines Erachtens wollten die Testatoren jedes Kind, das beim 1. Sterbefall den Pflichtteil verlangt, als Schlusserbe ausschließen.

    Da auf diese Weise beide Schlusserben weggefallen sind, ist nach dem Tod der Witwe (mangels anderweitigem Testament) gesetzliche Erbfolge eingetreten.

    Wenn die Witwe ihre enterbten Stiefkinder doch noch hätte zu Schlusserben machen wollen, hätte sie (dank der durch Passus 2. wiedererlangten Testierfreiheit) dazu 25 Jahre lang Zeit gehabt.

  • Ich plädiere für

    1. die eventuellen Verwandten der Ehefrau bzw. der Fiskus, da beide Kinder durch das Pflichtteilsverlangen raus sind

    Meines Erachtens wollten die Testatoren jedes Kind, das beim 1. Sterbefall den Pflichtteil verlangt, als Schlusserbe ausschließen.

    Da auf diese Weise beide Schlusserben weggefallen sind, ist nach dem Tod der Witwe (mangels anderweitigem Testament) gesetzliche Erbfolge eingetreten.

    Wenn die Witwe ihre enterbten Stiefkinder doch noch hätte zu Schlusserben machen wollen, hätte sie (dank der durch Passus 2. wiedererlangten Testierfreiheit) dazu 25 Jahre lang Zeit gehabt.

    carlson, aus beruflicher Sicht sind wir vielleicht ein bisschen befangen.

    Ich war beinahe auch geneigt, für die gesetzliche Erbfolge zu plädieren und dann, zumal sich der Fall in meiner Heimat Niedersachsen zuträgt, die Bereitschaft zur Übernahme der Nachlasspflegschaft zur Ermittlung der gesetzlichen Erben zu signalisieren ;).

    Aber wenn die Eheleute beide Kinder des Mannes tatsächlich hätten enterben wollen, warum haben sie das nicht ausdrücklich so formuliert?

    Die Formulierung zu 2. erscheint mir eher als Ausweg, die Enterbung beider Kinder im Falle der Geltendmachung des Pflichtteils beider nicht verfügen zu wollen, aber dennoch die Drohung in den Raum zu stellen, später von der Ehefrau doch noch enterbt zu werden.

  • Es macht durchaus Sinn, ein Kind aus der Erbfolge herauszunehmen, wenn es den Pflichtteil geltend macht und mindestens ein anderes Kind übrigbleibt. Wenn aber alle Kinder den Pflichtteil verlangen, macht es ebenso Sinn, dem überlebenden Ehegatten für diesen Fall - im Gegensatz zum ersten Fall - eine Änderungsbefugnis einzuräumen und ihn selbst entscheiden zu lassen, ob er anderweitig testieren möchte. Dies gilt umso mehr, wenn keinen anderen näheren gesetzlichen Erben gibt, den die Erbschaft im Falle einer Enterbung beider Kinder anfallen könnte. Auch dies spricht also für einen bloßen Testiervorbehalt.

    In diesem Sinne ist die Bestimmung in Ziffer 2 völlig plausibel und eine Enterbung beider Kinder ist im Gegensatz zur Fallgestaltung in Ziffer 1 nicht angeordnet.

    Also bleibt es bei der Erbeinsetzung der Kinder, weil der überlebende Ehegatte nicht anderweitig verfügt hat.

  • Ich stehe in der Beratung auch immer vor dem Problem, dass die Pflichtteilsstrafklausel zu ungewollten Ergebnissen führt, wenn sie von allen Abkömmlingen ausgelöst wird. Daher halte ich Cromwells Antwort für plausibel.

  • Ich bleibe bei meiner Ansicht. Auf jeden Fall brauchts einen Erbschein und hierzu muss die "andere" Seite angehört werden.

  • Ich stehe in der Beratung auch immer vor dem Problem, dass die Pflichtteilsstrafklausel zu ungewollten Ergebnissen führt, wenn sie von allen Abkömmlingen ausgelöst wird. Daher halte ich Cromwells Antwort für plausibel.

    Es handelt sich allerdings um ein notarielles Testament. Und ich gehe deshalb davon aus, dass der Notar etwas für den Fall, dass alle Pflichtteilsberechtigten den Pflichtteil verlangen, etwas geschrieben hätte. Den Notar traf diesbezüglich eine Belehrungspflicht.

    Umkehrschluss: wenn der Notar keine gesonderte Regelung protokolliert ist auch nichts besonderes vereinbart.

  • Ich sehe es wie Cromwell.

    -------------------------:aktenEine wirklich gute Idee erkennt man daran, daß ihre Verwirklichung von vorn herein ausgeschlossen erschien. (Albert Einstein):gruebel: ------------------------------------

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  • Das Verfahren wurde wie folgt beendet: Ein Erbschein seitens der Kinder des Mannes wurde von der Bearbeiterin als erfolglos eingestuft, dies dem Sohn so mitgeteilt und sein Termin für einen Erbscheinantrag bei Gericht abgesagt- da dieser ohnehin abgelehnt würde- auf die Möglichkeit sich rechtlich beraten zu lassen wurde hingewiesen, Nachlasspflegschaft wird eingerichtet.

    Hätte ich anders ausgelegt. Nun ja, die Kinder könnten ja weiterhin einen Erbscheinsantrag beim Notar stellen.

  • Das Gericht sagt den Termin für einen Antrag ab mit der Begründung, es würde den Antrag ohnehin ablehnen? Ein starkes Stück und eine Verweigerung des Rechtsweges (und Rechtsmittels)!

    Beginne den Tag mit einem Lächeln. Dann hast Du es hinter Dir. (Nico Semsrott)

    "Das Beste an der DDR war der Traum, den wir von ihr hatten." Herrmann Kant in einem Fernsehinterview

  • Die Bearbeiterin wird den Sohn höflich darauf hingewiesen haben, dass sie meine Auffassung nicht vertritt und den Antrag ablehnen wird. Und ihn gefragt haben ob er ihn in diesem Licht betrachtet nicht lieber gar nicht erst stellen möchte...

  • Das klingt jetzt doch viel weicher... :D

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  • Ich persönlich hätte wahrscheinlich bei Zweifeln versucht Licht in die Sache zu bekommen, indem ich die Notarin befragt hätte - in diesem Fall ist diese zwar seit letztem Jahr nicht mehr im Amt, jedoch am Gerichtsort wohnhaft und ich hätte dies als Glücksfall gesehen, denn in den meisten Fällen sind diese bereits bei 30 Jahre alten Testamenten bereits verstorben.

    Hätte von euch jemand dies in Erwägung gezogen? ich meine, die Notarin wird sich zwar nicht erinnern, aber wohl wissen, wie von ihr selbst erstellte Testamente wirken sollten..

  • Das ist eine gute Idee. Die Notarin wird auch sagen können, ob sie diese Klausel öfter verwendet hat.
    PS: Schwierig ist es immer in den Fällen, in denen mit der Frage schon die Andeutung mitschwingt, der Notar könnte seine Verpflichtung zur Erstellung eindeutiger Urkunden verletzt haben.

  • Das Verfahren wurde wie folgt beendet: Ein Erbschein seitens der Kinder des Mannes wurde von der Bearbeiterin als erfolglos eingestuft, dies dem Sohn so mitgeteilt und sein Termin für einen Erbscheinantrag bei Gericht abgesagt- da dieser ohnehin abgelehnt würde- auf die Möglichkeit sich rechtlich beraten zu lassen wurde hingewiesen, Nachlasspflegschaft wird eingerichtet.

    Hätte ich anders ausgelegt. Nun ja, die Kinder könnten ja weiterhin einen Erbscheinsantrag beim Notar stellen.

    Ohne überhaupt irgend etwas ermittelt zu haben, halte ich diese Verfahrensweise für äußerst zweifelhaft.

    An der Bestellung eines Nachlasspflegers mit umfassendem Wirkungskreis wäre man aber wohl schon wegen der gebotenen Anhörung der (noch zu ermittelnden) gesetzlichen Erbprätendenten kaum vorbei gekommen, weil die Erbfolge jedenfalls objektiv ungewiss ist.

    Die Kinder sind jedenfalls mit einer Gesamtquote von 50 % pflichtteilsberechtigt. Da kommt dann Freude auf, insbesondere wenn Grundbesitz vorhanden ist. Bin mal gespannt, wie sich der Nachlasspfleger verhält, wenn der Pflichtteils eingefordert wird. Bekommt ihr nicht, weil ihr Erben sein könntet, auch wenn das NachlG sagt, dass ihr es nicht seid?

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