Neues Betreuungsrecht (Freibetrag für Vergütungen)

  • Hallo,

    zum 01.01. wird ja anscheinend der Freibetrag für die Betreuervergütungen auf 10.000 Eur erhöht. Die bei uns tätigen Berufsbetreuer weisen nun auf immense Einkommensverluste bei gleichzeitig steigendem Arbeitsaufwand hin. Anscheinend sind in diesem Bereich zwischen 5.000 und 10.000 Eur viele Betreute unterwegs. Ich frage mich, ob dem Gesetzgeber diese Folge der Erhöhung des Freibetrags klar war

    . Unsere Betreuer sind ziemlich frustriert, wie sieht das bei anderen aus?

  • Kai 9. Dezember 2022 um 15:29

    Hat den Titel des Themas von „Neues Betreuungsrecht“ zu „Neues Betreuungsrecht (Freibetrag für Vergütungen)“ geändert.
  • Hallo, dazu hatte ich doch schon am 30.11.22 einen Thread eröffnet (unter „Mittellosigkeit“). Und ja, die Erhöhung von 5.000 auf 10.000 kommt zum 1.1.23 im Rahmen des Bürgergeldgesetzes. Hat das parlamentarische Verfahren durchlaufen. Dort findet sich die unscheinbare Änderung (des § 1 der VO zu § 90 SGB XII): Seite 38, Art. 9: https://dserver.bundestag.de/btd/20/038/2003873.pdf

    Das heißt: liegt das Vermögen des Betreuten zwischen 5.000 und 10.000 €: alle Abrechungsmonate, die bis zum 31.12.22 enden, sind vom Tabellenwert weiter als vermögend zu berechnen, Abrechungsmonate danach als mittellos. Alle Gerichtsentscheidungen ab dem 1.1.23 haben - für die Person des Zahlungspflichtigen und den Staatsregress - den Betrag von 10.000 zugrunde zu legen.

    Wobei die Anzahl der von dieser Änderung betroffenen Personen doch wohl eher klein sein dürfte.

    Einmal editiert, zuletzt von HorstD (10. Dezember 2022 um 10:08)

  • Hallo,

    zum 01.01. wird ja anscheinend der Freibetrag für die Betreuervergütungen auf 10.000 Eur erhöht. Die bei uns tätigen Berufsbetreuer weisen nun auf immense Einkommensverluste bei gleichzeitig steigendem Arbeitsaufwand hin. Anscheinend sind in diesem Bereich zwischen 5.000 und 10.000 Eur viele Betreute unterwegs. Ich frage mich, ob dem Gesetzgeber diese Folge der Erhöhung des Freibetrags klar war

    . Unsere Betreuer sind ziemlich frustriert, wie sieht das bei anderen aus?

    Wie viele Betreuungen führen die sich beklagenden Berufbetreuer? Mein "Vorverständnis" in diesem Bereich ist dadurch gekennzeichnet, dass Berufsbetreuungen wirtschaftlich geführt werden (müssen) und dass die Vergütung nach einigen Jahren im Heim und im Segment nicht vermögend einfach nicht auskömmlich erscheint. Dann wird ein "Ehrenamtler" gesucht.

  • Wobei die Anzahl der von dieser Änderung betroffenen Personen doch wohl eher klein sein dürfte.

    Also die Berufsbetreuerin, die sich bei mir aufgelöst gemeldet hat, führt etwa 50 Betreuungen und kann anscheinend künftig einige bisher vermögende Betroffene nur noch als mittellos abrechnen. Die Vorgehensweise bei der Umstellung der Berechnung war mir bereits klar, ich frage mich aber, ob dem Gesetzgeber diese Folge der recht "unscheinbaren"Änderung bewusst war. Wie kann - moralisch, nicht rechtlich - begründet werden, dass unseren Berufsbetreuern ab Januar bei eher erhöhtem Arbeitsaufwand etwa 25 % weniger Vergütung zusteht als im Dezember. Ich denke nicht, dass diese Folge vom Gesetzgeber gesehen wurde, und halte sie für nicht vertretbar.

  • Die Vergütung ist für Berufsbetreuer und für Vereine mit den dort beschäftigten Vereinsbetreuern wenig auskömmlich.

    Ich hatte mal den Eindruck, dass mit der Vergütung und der letzten Anpassung diese Entwicklung bei einer Betreuung durch Behörden-Mitarbeiter enden wird oder sogar soll.

    Bei 50 Betreuungen und einem vermögend-mittelos-Mix ist jährlich 1600 bis 1800 als Vergütung pro Betreutem zu rechnen.

    Bei etwa 50% Sachkosten bleiben jährlich maximal 50.000 für Kranken- und Altersversicherung sowie Steuern. Es gibt zunehmend wohl immer weniger geeignete Personen, die das erstrebenswert finden.

  • Das Bürgergeldgesetz stammt aus dem

    Bundesarbeitsministerium (die haben mit der Justiz nix am Hut). Dass über die VO zu § 90 SGB XII auch die Betreuervergütung dran hängt, steht nirgendwo in den Papieren. Wobei das SGB XII selbst bei dem Ganzen eh schon eine absolute Randmaterie ist.

    Inhaltlich muss man natürlich sagen: Personen mit Sparguthaben zwischen 5 und 10.000 sind ja nicht wirklich vermögend. Vielleicht hört ja zumindest ein Schmu auf: Heimbewohner, bei denen das Schonvermögen durch Nichtverwendung des Barbetrags auf einmal „vermögend“ werden, statt dass der Sachverhalt rechtzeitig dem SHT gemeldet wird (was § 27b Abs. 3 SGB XII iVm § 60 SGB I) verlangt, damit sowas gar nicht erst passiert.

  • Heimbewohner, bei denen das Schonvermögen durch Nichtverwendung des Barbetrags auf einmal „vermögend“ werden, statt dass der Sachverhalt rechtzeitig dem SHT gemeldet wird (was § 27b Abs. 3 SGB XII iVm § 60 SGB I) verlangt, damit sowas gar nicht erst passiert.

    Das mag bei "klassischen" Heimen der Fall sein, aber wir haben hier in der Region eine sehr große Behinderteneinrichtung. Dort haben wir viele Betreute, die dank Bundesteilhabegesetz deutlich höhere Freibeträge haben und momentan so um die 8.000 € angespart haben. Diese fallen nun nächstes Jahr (zumindest zunächst) in die Mittellosigkeit zurück.

    Unsere Betreuer haben auch ganz schön geschluckt, als sie darauf hingewiesen wurden. Mehr Arbeit für weniger Geld kommt einfach nicht so gut an.

  • Wobei die Anzahl der von dieser Änderung betroffenen Personen doch wohl eher klein sein dürfte.

    Also die Berufsbetreuerin, die sich bei mir aufgelöst gemeldet hat, führt etwa 50 Betreuungen und kann anscheinend künftig einige bisher vermögende Betroffene nur noch als mittellos abrechnen. Die Vorgehensweise bei der Umstellung der Berechnung war mir bereits klar, ich frage mich aber, ob dem Gesetzgeber diese Folge der recht "unscheinbaren"Änderung bewusst war. Wie kann - moralisch, nicht rechtlich - begründet werden, dass unseren Berufsbetreuern ab Januar bei eher erhöhtem Arbeitsaufwand etwa 25 % weniger Vergütung zusteht als im Dezember. Ich denke nicht, dass diese Folge vom Gesetzgeber gesehen wurde, und halte sie für nicht vertretbar.

    Und was willst Du jetzt machen? Trotzdem weiter die vermögenden-Sätze festsetzen ohne rechtliche Grundlage?

    Das Gesetz ist nun mal da und wir müssen damit arbeiten. Ob es uns oder den Betreuern gefällt, darauf kommt es doch nicht an.

    Ich halte meine Besoldung auch schon lange nicht mehr für vertretbar.

    PS: Auch ich glaube, dass die Fälle zwischen 5.000 Euro und 10.000 Euro eher wenige sind. Pro Betreuer noch weniger.

  • Das verstehe ich ja auch. Das ist natürlich ein Einmaleffekt, der vor allem passiert, weil das jetzt so kurzfristig kommt.

    Wobei ja schon immer das Problem bestand: der Betreute hat ggf im Sozialrecht viel höhere Freibeträge, das gilt ja nicht nur bei EGH, sondern auch bei ALG 2 und Beziehern von Kriegsopferfürsorge. Die Vergütung rechnet immer mit dem Sozialhilfebetrag. D.h, was der Sozialstaat mit der einen Hand dem Betroffenen belässt, kassiert der Betreuer bzw mittelbar die Justizkasse wieder ein.

    Besonders krass war das mit dem höheren KoF-Freibetrag. Den räumt der Staat ja ein, weil der Betroffene seine Gesundheit bzw das Leben seiner Angehörigen für diesen Staat geopfert hat. Das ist eine seltsame Vergangenheitsvergessenheit, es dann bei der Vergütung anders zu sehen.

  • Hallo,

    zum 01.01. wird ja anscheinend der Freibetrag für die Betreuervergütungen auf 10.000 Eur erhöht. Die bei uns tätigen Berufsbetreuer weisen nun auf immense Einkommensverluste bei gleichzeitig steigendem Arbeitsaufwand hin. Anscheinend sind in diesem Bereich zwischen 5.000 und 10.000 Eur viele Betreute unterwegs. Ich frage mich, ob dem Gesetzgeber diese Folge der Erhöhung des Freibetrags klar war

    Gab es denn diese Aufregung über "immense Einkommensverluste" auch als die Erhöhung von 2.600,- € auf 5.000,- € erfolgte? Ich kann mich daran nicht erinnern.

  • Gut ist gerade aufgrund der gesamten wirtschaftlichen Situation nochmals ein weiterer Nackenschlag für einen Freiberufler. Unter Umständen könnte eine Neigung zum Vorschein treten zeitintensive und umfassende Betreuungen abzugeben und anstatt dessen verstärkte die Oma im Heim als Klientin zu bekommen.

  • Gut ist gerade aufgrund der gesamten wirtschaftlichen Situation nochmals ein weiterer Nackenschlag für einen Freiberufler. Unter Umständen könnte eine Neigung zum Vorschein treten zeitintensive und umfassende Betreuungen abzugeben und anstatt dessen verstärkte die Oma im Heim als Klientin zu bekommen.

    Das Phänomen hatten wir seit der pauschalisierten Vergütung schon immer. Es wird eher weiter an der Effektivität der Betreuungsführung gearbeitet, auch wenn die Betreuungsbehörden, welche die vorrangigen Leistungen auf den Betreuer zu schieben versuchen, brökeln. Es liegt an den Sozialarbeitern unter den Rechtlichen Betreuern, endlich zu begreifen und den Betreuungsbehörden deutlich zu machen, das Rechtliche Betreuung keine Soziale Arbeit ist.

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  • Und was willst Du jetzt machen? Trotzdem weiter die vermögenden-Sätze festsetzen ohne rechtliche Grundlage?

    Natürlich nicht, aber meiner Meinung nach sollte die Problematik zum Bundesverfassungsgericht gebracht werden. Die Erhöhung des Schonbetrags soll den Betroffenen begünstigen. Die Folge, dass die Betreuervergütungen sich dadurch drastisch reduzieren, wurde vermutlich übersehen und kann zumindest in Verfahren, die vor dem 01.01.2023 bereits laufend waren, nicht richtig sein.

    Und zur Frage, wie es bei der Erhöhung von 2.600 € auf 5.000 € war: Da die Erhöung geringer war, waren wohl rein rechnerisch nur knapp halb so viel Verfahren betroffen. Außerdem bedeutet die Reform zum 01.01. auch noch Mehrarbeit für die Betreuer, zusätzlich zu geringerem Einkommen.

  • Und was willst Du jetzt machen? Trotzdem weiter die vermögenden-Sätze festsetzen ohne rechtliche Grundlage?

    Natürlich nicht, aber meiner Meinung nach sollte die Problematik zum Bundesverfassungsgericht gebracht werden. Die Erhöhung des Schonbetrags soll den Betroffenen begünstigen. Die Folge, dass die Betreuervergütungen sich dadurch drastisch reduzieren, wurde vermutlich übersehen und kann zumindest in Verfahren, die vor dem 01.01.2023 bereits laufend waren, nicht richtig sein.

    Die Reduzierung der Betreuervergütungen ist lediglich die mittelbare Folge der Erhöhung des Schonbetrages, wie auch bei der vorherigen Anpassung von 2.600,- € auf 5.000,- €. Da es sich bei dem Schonbetrag nicht um einen Betrag handelt, der exklusiv für die Betreuervergütung festgelegt wird, sondern dieser z. B. ebenfalls für Leistungen der Grundsicherung gilt, kann dahingestellt bleiben, ob der Gesetzgeber die Problematik übersehen hat.

    Jedenfalls fände ich es nicht gerechtfertigt, den für diverse Sozialleistungen geltenden Schonbetrag lediglich für neue Verfahren bzw. neue Anträge gelten zu lassen. Aus Sicht der Betroffenen hieße das ansonsten, z. B. bei der Überprüfung von bewilligter PKH, dass eine Zahlung aus dem Vermögen angeordnet werden müsste, wenn der bisherige niedrigere Schonbetrag im Bestandsverfahren weiter Anwendung findet, für einen neuen Antrag jedoch problemlos PKH ohne Zahlungspflicht bewilligt werden könnte, weil hier dann der neue, höhere Schonbetrag zu berücksichtigen ist.

    Und zur Frage, wie es bei der Erhöhung von 2.600 € auf 5.000 € war: Da die Erhöung geringer war, waren wohl rein rechnerisch nur knapp halb so viel Verfahren betroffen. ...

    Das würde ich aus der Erinnerung heraus bestreiten. Das Maß der Erhöhung spielt - natürlich je nach wirtschaftlicher Lage in der Region - eine eher untergeordnete Rolle.

    Es gab am hiesigen Gericht durchaus zahlreiche Betreute, die bei Geltung des Schonbetrages von 2.600,- € jeweils gerade so vermögend waren (teilweise wohl, weil der Betreuer darauf geachtet hat zu den entsprechenden Zeitpunkten...). Nach der Erhöhung auf 5.000,- € waren diese dann ständig mittellos, weil sie aufgrund der geringen Leistungen den Sprung über 5.000,- € nicht geschafft haben.

    Ob die rechnerisch größere Erhöhung sich tatsächlich stärker in Richtung Mittelosigkeit der Betreuten auswirkt, kann man wohl jeweils nur für ein konkretes Gericht beantworten.

  • Und was willst Du jetzt machen? Trotzdem weiter die vermögenden-Sätze festsetzen ohne rechtliche Grundlage?

    Natürlich nicht, aber meiner Meinung nach sollte die Problematik zum Bundesverfassungsgericht gebracht werden. Die Erhöhung des Schonbetrags soll den Betroffenen begünstigen. Die Folge, dass die Betreuervergütungen sich dadurch drastisch reduzieren, wurde vermutlich übersehen und kann zumindest in Verfahren, die vor dem 01.01.2023 bereits laufend waren, nicht richtig sein.

    Und zur Frage, wie es bei der Erhöhung von 2.600 € auf 5.000 € war: Da die Erhöung geringer war, waren wohl rein rechnerisch nur knapp halb so viel Verfahren betroffen. Außerdem bedeutet die Reform zum 01.01. auch noch Mehrarbeit für die Betreuer, zusätzlich zu geringerem Einkommen.

    Nochmal: Was hat das mit mir/uns zu tun?

    Ich habe dadurch nicht mehr Arbeit.

    Wenn es die Berufsbetreuer stört, werden sie schon selbst zum Verfassungsgericht gehen.

    Wir Rechtspfleger haben doch genug eigene Probleme

  • Das Bürgergeldgesetz enthält noch weitere auch für die Vergütung wichtige Änderungen. Erbschaften gehören ab 1.1.23 mehr mehr zum Einkommen nach § 82 SGB XII (sind daher auch nicht mehr auf 6 Monate zu verteilen). Sie werden demnach sofort zu Vermögen nach § 90 SGB XII (und daher auch bei der Betreuervergütung einzusetzen, sobald der neue Freibetrag von 10.000 € überschritten ist).

    Und bei § 90 SGB XII gibts auch eine interessante Neuerung: ein angemessenes PKW ist dann Schonvermögen (wie zuvor schon bei ALG 2) - zusätzlich zu den genannten 10.000 €. Auf die künftige Rechtsprechung bin ich gespannt.

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