transmortale Vollmacht und Testamentsvollstreckung

  • Hallo,

    ich habe hier folgenden Fall, auf dem ich schon länger rumgucke, aber irgendwie nicht weiter komme:

    Am 01.06. wurde ein Kaufvertrag beurkundet. Die Veräußerin wurde darin vertreten aufgrund Vorsorgevollmacht, liegt auch vor. Alles supi.

    Die AV wurde am 09.06. in das Grundbuch eingetragen.

    Nun reicht das Nachlassgericht am 31.08. das Eröffnungsprotokoll und not. Testament zur Akte.

    Die Veräußerin ist am 29.05. verstorben (also vor Beurkundung).

    Bei dem vorliegenden Testament handelt es sich um ein gemeinschaftliches Testament mit dem Ehemann, welcher vorverstorben ist.

    Die Erbeinsetzung lautet:

    "Wir setzen uns gegenseitig zum alleinigen Erben ein. Jedoch nur als Vorerben. Er ist von allen Beschränkungen befreit.

    Die Nacherbenanwartschaft ist weder vererblich noch veräußerlich. Hiervon ausgenommen ist die Veräußerung an den Vorerben.

    Nacherben sind die Urenkel a) - d) zu gleichen Teilen.

    [...]

    Für den Fall, dass der jüngste Nacherbe das 21. Lebensjahr noch nicht vollendet haben sollte, ordnen wir nach dem Tode von uns beiden Testamentsvollstreckung an. Zur Testamentsvollstreckerin ernennen wir Steuerberaterin X, mit der Aufgabe, ab dem Zeitpunkt des Eintritts des Nacherbfalls, das ererbte Vermögen der Nacherben zu verwalten, bis der jüngste der Nacherben das 21. Lebensjahr vollendet hat und zu diesem Zeitpunkt das ihnen zustehende Nachlassvermögen festzustellen und an sie herauszugeben.

    [...]"

    Bei dem im Kaufvertrag handelnden handelt es sich weder um einen Nacherben, noch um die Testamentsvollstreckerin.

    Ein TV Zeugnis wurde erteilt.

    Nun beantragt der Notar die Eigentumsumschreibung im Grundbuch auf Grundlage des Vertrages vom 01.06.

    Die Frage die ich mir hier stelle: Durfte der Bevollmächtigte handeln oder ist seine Vertretungsmacht durch die Testamentsvollstreckung eingeschränkt/erloschen? Oder muss der Testamentsvollstrecker dem Vertrag noch zustimmen?

    Über etwas Input wäre ich sehr dankbar :)

  • Ich hatte das Problem gerade auch und habe dazu die folgende BGH-Entscheidung gefunden:

    Das Verhältnis von postmortaler Vollmacht zu einer vom Erblasser angeordneten Testamentsvollstreckung kann nicht allgemein, sondern nur im Einzelfall aufgrund einer Auslegung der Vollmachtsurkunde und der letztwilligen Verfügung unter Berücksichtigung des Erblasserwillens ermittelt werden. (amtl. Ls.) (BGH, Beschl. v. 14.9.2022 – IV ZB 34/21 (ZEV 2022, 719))

    Die Entscheidung findet man auch bei beck-online.

    Grüße aus dem Rheinischen
     Bee
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    Jedes Wort ist falsch und wahr, das ist das Wesen des Wortes.
    Max Frisch

  • Vielen Dank schon mal :)

    Heißt im Ergebnis: Immer eine Einzelfallprüfung.

    Im TV Zeugnis heißt es "Die TV'in ist bis zur Vollendung des 21. Lebensjahres der Miterbin d) zur Erfüllung ihrer Verwaltungsaufgaben auch berechtigt, eventuelle in der Erbmasse befindliche Immobilien zu veräußern und zu belasten, soweit dieses der ordnungsgemäßen Verwaltung des Nachlasses entspricht."

    (Das not. Testament aus welchem die TV hervorgeht ist aus März 2016).

    Bei der Vollmachtsurkunde handelt es sich hier um eine klassische Generalvollmacht, die nach dem Tod des Vollmachtgebers unverändert weiter besteht. (Vollmacht ist von Februar 2018).

    So würde ich nach Prüfung nun zu folgendem Ergebnis kommen:

    Die Eigentumsumschreibung im Grundbuch kann vollzogen werden. Der Bevollmächtigte handelt aufgrund der Generalvollmacht. Diese ist wirksam und nicht widerrufen. Da die Vollmacht nach dem Testament verfasst wurde, muss der Erblasserin bewusst gewesen sein, dass mehrere Personen nach ihrem Ableben zur Handlung befugt sind.

    Es lässt vermuten, dass es der Wille der Erblasserin war, die Erben im jungen Alter zu schützen (TV endet mit Vollendung 21. Lebensjahr der jüngsten Miterbin). Der TV hat ja nun noch die Hand auf dem Verkaufserlös.

    Aber ich muss sagen, zu 100% bin ich von der Lösung auch nicht überzeugt.

  • Falls ich es richtig verstanden habe, datiert das gemeinschaftliche Testament mit der Anordnung der Vor- und Nacherbfolge nebst Testamentsvollstreckung vom März 2016 und die Vorsorgevollmacht stammt vom Februar 2018. Zum Zeitpunkt der Erteilung der Vorsorgevollmacht war aber offenbar bereits der eine Ehegatte verstorben, denn Du führst aus: „Da die Vollmacht nach dem Testament verfasst wurde, muss der Erblasserin bewusst gewesen sein…“ Also hat die Vorsorgevollmacht (nur) die Erblasserin, also die befreite Vorerbin erteilt, oder?

    Wie das DNotI im Gutachten im DNotI-Report 17/2022, 137 ff

    https://www.dnoti.de/fileadmin/user_upload/dnoti-reports/rep172022_light.pdf

    ausführt, gilt dann, wenn die transmortale Vollmacht nicht durch den die Vor- und Nacherbfolge anordnenden Erblasser, sondern durch den Vorerben erteilt wurde, dass der Vorerbe zu Lebzeiten in keiner Weise über die vom Erblasser angeordnete Nacherbfolge disponieren kann. Folglich sei dies auch dem transmortal Bevollmächtigten aufgrund der Vorsorgevollmacht des Vorerben nicht möglich. Denn er habe keine weitergehenden oder andersartigen Einwirkungsmöglichkeiten, als die Vorerbin selbst sie zu ihren Lebzeiten gehabt hätte.

    Vorliegend ist die Vorerbin von den Beschränkungen des § 2113 BGB befreit. Sie konnte also ohne Zustimmung der Nacherben vollentgeltlich verfügen. Diese Befugnis müsste dann auch dem oder der von ihr Bevollmächtigten zustehen. D. h., es kommt darauf an, ob es sich um ein vollentgeltliches Rechtsgeschäft handelt (siehe dazu etwa Müller-Christmann im beck-online.GROSSKOMMENTAR, Stand: 01.10.2022, § 2113 BGB RNern 141,142 mwN und zur Anhörung RN 146).

    Lieber einen Frosch küssen als eine Kröte schlucken :)

  • Falls ich es richtig verstanden habe, datiert das gemeinschaftliche Testament mit der Anordnung der Vor- und Nacherbfolge nebst Testamentsvollstreckung vom März 2016 und die Vorsorgevollmacht stammt vom Februar 2018. Zum Zeitpunkt der Erteilung der Vorsorgevollmacht war aber offenbar bereits der eine Ehegatte verstorben, denn Du führst aus: „Da die Vollmacht nach dem Testament verfasst wurde, muss der Erblasserin bewusst gewesen sein…“ Also hat die Vorsorgevollmacht (nur) die Erblasserin, also die befreite Vorerbin erteilt, oder?

    Genau die Vollmacht wurde nur von der Erblasserin erteilt.

    Es handelt sich mmN um eine vollentgeltliche Verfügung (Veräußerung an Dritte zu einem hier ortsangemessenem Kaufpreis).

    Vorliegend ist die Vorerbin von den Beschränkungen des § 2113 BGB befreit. Sie konnte also ohne Zustimmung der Nacherben vollentgeltlich verfügen. Diese Befugnis müsste dann auch dem oder der von ihr Bevollmächtigten zustehen. D. h., es kommt darauf an, ob es sich um ein vollentgeltliches Rechtsgeschäft handelt (siehe dazu etwa Müller-Christmann im beck-online.GROSSKOMMENTAR, Stand: 01.10.2022, § 2113 BGB RNern 141,142 mwN und zur Anhörung RN 146).

    Da es sich bei dem Übertragungsgegenstand um Alleineigentum der Erblasserin handelt (gehört nicht zur Nachlassmasse des vorverstorbenen Ehemannes, sondern war "schon immer" Eigentum der Erblasserin).

    Daher ist auch kein Nacherbenvermerk eingetragen. Daraus schlussfolgere ich nun, dass ich niemanden anhören brauche.

    Danke auch an das Gutachten vom DNotI!

  • Abwandlung:

    In meinem Grundbuch wurde bei Berichtigung aufgrund Testament ein TV-Vermerk eingetragen. Nun kommt der transmortal Bevollmächtigte und veräußert das Grundstück an Dritte. Der TV-Vermerk soll aufgrund Unrichtigkeit gelöscht werden. Begründung: Das Grundstück scheidet aus dem Nachlaß aus.

    Einen Testamenstvollstrecker gibt es laut Nachlaßakte nicht. Angeblich wurde die TV-Anordnung im privatschriftlichen Testament widerrufen. Dieses weitere Testaemnt ist weder dem NL-Gericht noch mir bekannt.

    Ich würde die Löschung des TV-Vermerks nur auf Vorlage eines Erbscheins ohne TV-Vermerk vornehmen. Seht Ihr das auch so?

  • Wenn das nachfolgende privatschriftliche Testament nicht bekannt ist, dann dürfte die damalige Eintragung richtig sein. Wenn der transmortal Bevollmächtigte den Grundbesitz wirksam veräußert, dann scheidet dieser aus dem Nachlassvermögen aus und ich würde den TV-Vermerk mit Eigentumswechsel löschen.

  • Zum Spannungsverhältnis von Nachlassvollmacht und Testamentsvollstreckung gibt es diesen Aufsatz:

    Jurksch, ZfIR 2021, 532 ff.

    Niemand ist unersetzbar. Die Friedhöfe liegen voll von Leuten, die sich für unersetzbar hielten (H.-J. Watzke). :cool:

  • Ich möchte meinen Fall hier zur Diskussion stellen:

    Grundstück steht laut GB im Eigentum der Eheleute A und B zu je 1/2

    Antrag auf Eintragung einer Auflassungsvormerkung geht ein (Kaufvertrag mit fremden Dritten), in diesem handelte Ehefrau A für sich und aufgrund transmortaler Vollmacht für den (verstorbenen) Ehemann B.

    In der Vollmacht ist im Zusammenhang mit der Fortgeltung über den Tod hinaus folgender Passus enthalten:

    "Der Bevollmächtigte ist, soweit von mir kein Testamentsvollstrecker eingesetzt oder dieser noch nicht handlungsfähig ist, berechtigt, meinen Nachlass bis zur amtlichen Feststellung meiner Erben in Besitz zu nehmen und zu verwalten."

    Vor ein paar Monaten sandte ein auswärtiges NLG dem GBA die Ausfertigung eines soeben erstellten Testamentsvollstreckerzeugnisses. Diesem ist zu entnehmen, dass sich die Ehefrau A als TV im Amt befindet und keinen Beschränkungen unterliege.
    Der Ehemann B verstarb bereits einige Jahre vor der Ausstellung des TV-Zeugnis. Einen Erbnachweis oder die Mitteilung d. Erbe/n erhielt das GBA vom NLG nicht.

    Ich habe die Entscheidung des BGH, Beschl. v. 14.9.2022 – IV ZB 34/21 gelesen, bin aber nicht sicher, was das für meinen Fall bdeutet.

    Meiner konkreten Fragen lauten:

    1. Muss ein TV-Vermerk eingetragen werden, auch wenn die Eintragung d. Erbe/n nicht beantragt wurde bzw. diese auch dem GBA gar nicht bekannt sind?

    2. Kann die bevollmächtigte Ehefrau noch aufgrund der Vollmacht handeln. M. E. klingt der oben zitierte Passus so als solle sie nur handeln, solange bis der TV ins Amt gelangt ist?

  • Ebenso.

    Der testamentatische Passus ist eindeutig. Dass die Bevollmächtigte und die Testamentsvollstreckerin personenidentisch sind, ändert nichts daran, dass die vom Erblasser beschriebenen Voraussetzungen nicht vorliegen.

    Die Testamentsvollstreckerin muss daher nachgenehmigen und natürlich müssen auch die Erben angehört werden.

  • ändert nix, der Vollmachtsumfang reicht nicht aus

    Tut mir leid, beim Kopieren ist der vorhergehende Satz verlorengegangen. Der Passus in der Vollmacht lautet also:

    "Die Vollmacht und der ihr zugrundeliegende Geschäftsbesorgungsvertrag bleiben in Kraft, auch wenn ich geschäftsunfähig werden oder sterben sollte.
    Der Bevollmächtigte ist, soweit von mir kein Testamentsvollstrecker eingesetzt oder dieser noch nicht handlungsfähig ist, berechtigt, meinen Nachlass bis zur amtlichen Feststellung meiner Erben in Besitz zu nehmen und zu verwalten."

  • Die Testamentsvollstreckerin muss daher nachgenehmigen und natürlich müssen auch die Erben angehört werden.

    Woraus ergibt sich das Erfordernis der Anhörung der Erben? Der TV muss doch die Entgeltlichkeit seiner Verfügung darstellen und das GBA das im Freibweis würdigen.

    Die Erben sind bei einer TV-Verfügung genauso anzuhören wie die Nacherben bei einer Verfügung des befreiten Vorerben. In beiden Fällen muss der jeweilige Personenkreis nämlich der Verfügung zustimmen, wenn keine volle Entgeltlichkeit vorliegt (§ 2113 Abs. 2 BGB einerseits und § 2205 S. 3 BGB andererseits).

  • "Die Vollmacht und der ihr zugrundeliegende Geschäftsbesorgungsvertrag bleiben in Kraft, auch wenn ich geschäftsunfähig werden oder sterben sollte.
    Der Bevollmächtigte ist, soweit von mir kein Testamentsvollstrecker eingesetzt oder dieser noch nicht handlungsfähig ist, berechtigt, meinen Nachlass bis zur amtlichen Feststellung meiner Erben in Besitz zu nehmen und zu verwalten."

    Also a contrario: soweit ein Testamentsvollstrecker eingesetzt und dieser handlungsfähig ist, ist es mit der postmortalen Vollmacht zuende.

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