'zig Beratungshilfescheine erteilen?

  • Hallo,

    bei mir spricht jemand vor, der mit seiner ehemaligen Lebensgefährtin / Ehefrau im Clinch liegt. Die haben sich gegenseitig 'zig mal angezeigt und eine schier

    unüberschaubare Anzahl von Anzeigen produziert. Jetzt möchte der Antragsteller im Namen seines Rechtsanwalts für jedes Verfahren einen extra Schein haben.

    Es muss in jeder Sache die Akte eingesehen werden, um eine sinnvolle Auskunft zu erteilen. Das wären alles extra Vorgänge und keinesfalls als eine Angelegenheit abzuhandeln.

    Wie seht Ihr das? Inwieweit ist das mitzutragen? Es sind wirklich sehr sehr viele Anzeigen!

    Für praktische Hinweise wäre ich dankbar.

  • Ich würde schon dazu tendieren, jeden einzelnen Tatvorwurf mit Ermittlungsverfahren (es geht um strafrechtliche Vorwürfe?!) gesondert als Angelegenheit zu betrachten und gesondert Beratungshilfe - beschränkt auf die Beratung wg. Strafsache

    strafrechtlich relevante Vorwürfe sind eine ernste Sache und man muss grds. bei jeder Sache gesondert überlegen und auch qualifiziert beraten werden, wie man sich im jeweiligen Ermittlungsverfahren sinnvoll verhält

    Ich denke gerade bei Ermittlungsverfahren mit all ihren Tücken und Schwierigkeiten, die für Normalbürger schwer bis gar nicht zu durchschauen sind - die Situation ist ja bisweilen geradezu kafkaesk - sollten die Hürden für das Beratungsbedürfnis nicht hoch gestellt werden.

    - vorausgesetzt es laufen bereits Ermittlungsverfahren gegen den Ratsuchenden - er sollte schon entsprechende Schreiben der Polizei mitbringen (für gewöhnlich die Einladung zur Beschuldigtenvernehmung)

    Ich würde überdies mit dem Antragsteller darüber sprechen, ob er auch eine Beratung wg. möglicher falscher Verdächtigung durch die Gegenseite benötigt und dafür gesondert BerH bewilligen (nicht beschränkt auf die Beratung, weil hier die zivilrechtliche Schadensersatzseite mit drin sein dürfte)

    Ich kaufe ein "I" und möchte lösen! -BOCKWURST-


    Wenn ich sterbe, sollen meine Überreste in Disneyland verstreut werden.
    Außerdem möchte ich nicht verbrannt werden.

  • Ich würde überdies mit dem Antragsteller darüber sprechen, ob er auch eine Beratung wg. möglicher falscher Verdächtigung durch die Gegenseite benötigt und dafür gesondert BerH bewilligen (nicht beschränkt auf die Beratung, weil hier die zivilrechtliche Schadensersatzseite mit drin sein dürfte)

    das geht doch gar nicht. Ich kann doch einen Ast. nicht noch einen Antrag einreden an den er gar nicht gedacht hatte

  • selbstverständlich sollte niemand irgendwem einen Antrag EINREDEN

    Aber ich habe als RAST - auch in der BerH - immer versucht, die Interessen und Vorstellungen der Ratsuchenden zu ergründen und auszuleuchten und mit ihnen herauszuarbeiten

    Letztlich halte ich das sogar oft für die eigentliche Herausforderung und Schwierigkeit der Tätigkeit in der RAST

    Die rechtsunkundigen, manchmal auch ungebildeten und/oder weitgehend ahnungslosen Bürger erscheinen und erzählen eine mehr oder minder diffuse geschichte; es ist dann an dem, der die RAST gerade besetzt, herauszuarbeiten, welche Anträge gestellt werden sollen.

    Und in einer Konstellation wie dieser würde ich mit dem Ratsuchenden auch darüber sprechen, ob er sich lediglich hinsichtlich der strafrechtlichen Vorwürfe beraten lassen möchte, oder ob er auch rechtlichen Rat darüber wünscht, wie er sich dagegen wehren kann, dass ihm jemand Diverses falsch andichtet, was für ihn potentiell mit erheblichen Nachteilen versehen sein kann

    Das ist meine Vorstellung einer bürgerfreundlichen und -orientierten Rechtsantragstelle.

    Wir sind schließlich besser als bloße Schreibmaschinen, die die Worte der Antragsteller stumpf niederschreiben

    Ich kaufe ein "I" und möchte lösen! -BOCKWURST-


    Wenn ich sterbe, sollen meine Überreste in Disneyland verstreut werden.
    Außerdem möchte ich nicht verbrannt werden.

  • Ist schon sehr knifflig.

    Habe mal einen ähnlichen Fall gehabt, bei dem ich mir die gleichen Gedanken gemacht habe.

    WENN du den Mut hast, und es probieren willst, würde ich nicht über die "Angelegenheit" gehen sondern über die "Mutwilligkeit"

    §147 IV StPO sichert übrigens dem Beschuldigten ohne Rechtsanwalt das Akteneinsichtsrecht. Ich habe oft das Gefühl, dass diese Vorschrift gerne unter den Tisch gekehrt wird ("ohne Anwalt kann ich keine Akteneinsicht nehmen")

    Mein Fall, der Gott sei Dank nicht entschieden werden musste, war, dass es unzählige gleichlautende Tatvorwürfe gab (einfache KV).

    Wenn's ähnlich gelagert ist, also identische/ähnliche Vorwürfe, kannst du ja mal versuchen, ein "Mutwilligkeitsszenario" aufzubauen. Sei dir nur bewusst, dass das Risiko bei einer Erinnerung damit auf die Nase zu fliegen nicht unerheblich klein sein dürfte ...

    "Jemand hat mir mal gesagt, die Zeit würde uns wie ein Raubtier ein Leben lang verfolgen. Ich möchte viel lieber glauben, dass die Zeit unser Gefährte ist, der uns auf unserer Reise begleitet und uns daran erinnert jeden Moment zu genießen, denn er wird nicht wiederkommen."

    Hier geht Ihre Spende nicht unter. Rette mit, wer kann.

    -Die Seenotretter, DGzRS-

  • Wenn's ähnlich gelagert ist, also identische/ähnliche Vorwürfe, kannst du ja mal versuchen, ein "Mutwilligkeitsszenario" aufzubauen. Sei dir nur bewusst, dass das Risiko bei einer Erinnerung damit auf die Nase zu fliegen nicht unerheblich klein sein dürfte ...

    Wobei da eventuell eine Argumentation über die "Angelegenheit" vielleicht doch zielführender wäre.

    Denn

    - einheitlicher Auftrag

    - Gleichartigkeit des Verfahrens

    - innerer, inhaltlicher Zusammenhang

    können gegeben sein bei identischen Beteiligten und vergleichbaren Vorwürfen. Ohrfeige vom Dienstag und Ohrfeige vom Montag könnten damit - auch wenn es zwei eigenständige Taten und Tatvorwürfe sind - beratungshilferechtlich am ehesten vergleichbar werden. KÖNNTEN (ich sage nicht, dass sie es sind, denn beim inneren, inhaltlichen Zusammenhang wird es teilweise sehr kritisch)!

    Was als Argumentation auch manchmal angeführt wird, ist das "unechte Musterverfahren", damit wäre ich im Strafrecht allerdings SEHR vorsichtig (und würde es selbst nicht anwenden), denn die Umstände eines Tatvorwurfs können sich von denen eines anderen Tatvorwurfs erheblich unterscheiden und die eine Beratung ist nicht auf den anderen Fall anwendbar.

    Allerdings bin ich in Strafsachen recht entspannt und erteile, wenn entsprechend viele Anzeigen/Anhörungen vorliegen, auch zig Scheine. Denn anders als in manchen zivil- oder sozialrechtlichen Konstellationen gibt es im Strafrecht selten einen wirklich "vergleichbaren" Fall, bei dem die Antragsteller*innen auf eine frühere Beratung zurückgreifen können. Und erst recht kann man - anders als bei wiederholten Widersprüchen wegen desselben Sachverhaltes - den rechtsunkundigen Bürgern auflasten, unterscheiden zu können, was wo gleich ist und wo der große Unterschied besteht.

    Wer "A" sagt, muss nicht auch "B" sagen. Er kann auch feststellen, dass "A" falsch war oder es auch noch "C" gibt.

    Wir Zauberer wissen über sowas Bescheid!

  • @ Intrepid:


    Ich meine, dass wir das Ganze mit Adora Belle schon mal diskutiert haben. Nur der Strafverteidiger hat ein umfassendes Akteneinsichtsrecht. Gegenüber dem Beschuldigten kann eine Akteneinsicht ganz oder teilweise mit dem Argument, dass einer solcher schutzwürdige Belange Dritter oder die Ziele des Ermittlungsverfahrens entgegen stehen, abgelehnt werden. Hierüber entscheidet der - zumindest in der Praxis nicht neutrale - Staatsanwalt bzw. der Strafrichter.

    Darüber hinaus kann auch bei zwei gleichen Sachverhalten eine unterschiedliche Verteidigungsstrategie angebracht sein.

    "Für das Universum ist die Menschheit nur ein durchlaufender Posten."

  • In BerH wg. strafrechtlich relevanter Vorwürfe hab ichs auf die Akteneinsicht nie ankommen lassen.

    Gem. §2 II BerHG wird in Strafsachen Beratungshilfe nur durch Beratung gewährt.

    Das Auftreten im Ermittlungsverfahren geht darüber hinaus und ist daher nicht umfasst.

    Ich kaufe ein "I" und möchte lösen! -BOCKWURST-


    Wenn ich sterbe, sollen meine Überreste in Disneyland verstreut werden.
    Außerdem möchte ich nicht verbrannt werden.

  • Es ist ein Catch22, weil ich nur als Verteidiger Akteneinsicht erhalte. Wenn ich aber Verteidigungsauftrag habe, dann geht der über die bloße Beratung hinaus, und damit wollen mir einige RPfl schon gar keine BerH mehr zugestehen. Und für den Mandanten ist die BerH sowieso nicht zielführend, weil ihm eine Beratung ohne Vertretung wenig nützt.

    Zur Bewilligungspraxis will ich mich gar nicht äußern. Jeder hat sein Päcklein zu tragen, das entscheidet mal schön selbst. Ich bin inzwischen aber froh über jeden, der ohne BHS kommt, weil ich dann nicht lang und breit erklären muss, wie wenig ich für 35 EUR tun kann.

  • @ Intrepid:


    Ich meine, dass wir das Ganze mit Adora Belle schon mal diskutiert haben. Nur der Strafverteidiger hat ein umfassendes Akteneinsichtsrecht. Gegenüber dem Beschuldigten kann eine Akteneinsicht ganz oder teilweise mit dem Argument, dass einer solcher schutzwürdige Belange Dritter oder die Ziele des Ermittlungsverfahrens entgegen stehen, abgelehnt werden. Hierüber entscheidet der - zumindest in der Praxis nicht neutrale - Staatsanwalt bzw. der Strafrichter.

    Darüber hinaus kann auch bei zwei gleichen Sachverhalten eine unterschiedliche Verteidigungsstrategie angebracht sein.

    Die Argumentation halte ich im Grundsatz für nachvollziehbar.

    Ich frage mich jedoch, ob man es dem Antragsteller, der ausschließlich eine Akteneinsicht wünscht (erlebt man ab und an bei Geschädigten) zumuten kann, zunächst selbst um Akteneinsicht zu bitten. Sofern umfassend Akteneinsicht gewährt wird, ist eine Bewilligung nicht erforderlich bzw. könnte die Mandatierung eines Rechtsanwalts mutwillig sein. Falls ihm keine oder nur eine partielle Akteneinsicht gewährt wird, dürfte es keine Möglichkeit geben, eine Bewilligung zu verweigern.

    Was ich mich in diesem Zusammenhang allerdings frage: Bekommen es die Antragsteller wenigstens mitgeteilt, dass ihnen Teile der Akte vorenthalten werden oder wird ihnen das (z.B. aus ermittlungstaktischen Gründen) verschwiegen? Wenn letzteres zutreffend wäre, dürfte sich meine Überlegung zur Eigeninitiative direkt wieder erledigt haben.

  • Hallo,

    bei mir spricht jemand vor, der mit seiner ehemaligen Lebensgefährtin / Ehefrau im Clinch liegt. Die haben sich gegenseitig 'zig mal angezeigt und eine schier unüberschaubare Anzahl von Anzeigen produziert. Jetzt möchte der Antragsteller im Namen seines Rechtsanwalts für jedes Verfahren einen extra Schein haben.

    Das ist doch offensichtlich ein Querulant, der einen Kleinkrieg mit seiner Ehefrau ausfechten will.

    Kann er machen, keine Frage, aber nicht auf Kosten der Staatskasse bzw. Steuerzahler.

    Solche Leute kriegen von mir einen Schein. Dann weiß er, wie er sich zu verhalten hat.

    Alle übrigen Anträge weise ich zurück mit der Begründung "Mutwillen" und "Selbstzahlervergleich".

    Das hält auch im Erinnerungsverfahren, mein Beratungshilferichter ist der gleichen Meinung!

  • Tatsächlich eine gute (Gegen-)Frage.

    Weiß ich leider auch nicht...

    "Jemand hat mir mal gesagt, die Zeit würde uns wie ein Raubtier ein Leben lang verfolgen. Ich möchte viel lieber glauben, dass die Zeit unser Gefährte ist, der uns auf unserer Reise begleitet und uns daran erinnert jeden Moment zu genießen, denn er wird nicht wiederkommen."

    Hier geht Ihre Spende nicht unter. Rette mit, wer kann.

    -Die Seenotretter, DGzRS-

  • witzigerweise hatte ich heute beim "Hofgang" einen sehr interessanten Ausstausch mit einer unserer Bezirksrevisorinnen zum Thema der Beratungshife (auch wenn ich aus diesem Thema seit fast 25 Jahren raus bin).

    Es mutet schon etwas seltsam an, dass der Antragsteller "im Namen seines Anwalts" eine Beratungshilfe beantragt. Ergo dürfte diese ja schon gewährt worden sein, dann müsste der Anwalt den Antrag im Rahmen nachgängiger Beratungshilfe stellen, ein vorgängiger Beratungshilfeschein käme nicht in Betracht. Hier wäre der Sachverhalt aufzuklären !

    Desweiteren wäre abzukären, ob auch eine wirtschaftlich bemittelte Partei zum Zwecke der Akteneinsicht einen Anwalt beauftragen würde. Bei Defiziten des Antragenden, überhaupt zu verstehen, worum es geht, ließe sich ggfsl. anders beurteilen. Aber offenbar ist der Antragende auch zum Anzeigenschreiben in der Lage.

    Und selbst wenn dies alles so gegebenn wäre, dass eine anwaltliche Beratung (nur diese ist von der Beratungshilfe in Strafsachen umfasst) stellt sich die Frage, ob es sich nicht um "eine" Angelegenheit handelt.

    Es wäre zu prüfen, ob der Bezirksvrevisor anzuhöre wäre (ggfsl. Landesrecht !).

    herrschendes Recht ist das Recht der herrschenden
    Die Philosophen haben die Welt nur unterschiedlich interpretiert, es kommt darauf an, sie zu verändern! (K.M.)
    Ich weiß, dass ich nicht weiß (Sokrates zugeschrieben); jeder der mein Wissen erfolgreich erweitert, verbreitert mein Haftungsrisiko (nicht sokrates, nur ich)
    legalize erdbeereis
    :daumenrau

  • Es ist ein Catch22, weil ich nur als Verteidiger Akteneinsicht erhalte. Wenn ich aber Verteidigungsauftrag habe, dann geht der über die bloße Beratung hinaus, und damit wollen mir einige RPfl schon gar keine BerH mehr zugestehen. Und für den Mandanten ist die BerH sowieso nicht zielführend, weil ihm eine Beratung ohne Vertretung wenig nützt.

    Zur Bewilligungspraxis will ich mich gar nicht äußern. Jeder hat sein Päcklein zu tragen, das entscheidet mal schön selbst. Ich bin inzwischen aber froh über jeden, der ohne BHS kommt, weil ich dann nicht lang und breit erklären muss, wie wenig ich für 35 EUR tun kann.

    Das liegt nicht einmal im Ermessen der Rechtspfleger, das steht so im § 2 II S.2 BerHG.

    Und die Diskussion "Warum bloß Beratung und keine Vertretung?" habe ich aber auch regelmäßig, weil ich die Leute bei der Bewilligung auf der RAST immer schon darauf hinweise.

    In Strafsachen würde ich bei einer solchen Häufung auch eher auf Mutwilligkeit als auf die Angelegenheit setzen.

    Aber vielleicht hilft auch der Hinweis, dass pro B-Schein 15 € beim Anwalt fällig werden. Das macht das neue Hobby ziemlich schnell kostenintensiv für die Leute.

Jetzt mitmachen!

Sie haben noch kein Benutzerkonto auf unserer Seite? Registrieren Sie sich kostenlos und nehmen Sie an unserer Community teil!