Wohnungskündigung bei Haftstrafe - Anhörung

  • Die Betreuerin möchte die Mietwohnung der Betreuten kündigen, da diese eine zweijährige Haftstrafe verbüßt. Sie beantragt hierzu die betreuungsgerichtliche Genehmigung. Betreffs Übernahme der Mietkosten während der Haftzeit liegen ablehnende Bescheide vom Jobcenter und vom Sozialamt vor. Die Betreute hat schriftlich geäußert, dass sie mit der Wohnungskündigung nicht einverstanden ist. Persönliche Anhörung kann ich nicht machen, da sich die JVA in einem anderen Bundesland befindet. Müsste ich hier die Sache zur Rechtshilfe an das am Sitz der JVA zuständige Gericht geben, um die in § 299 FamFG vorgeschriebene persönliche Anhörung zu gewährleisten? Die Betreute ist ohne Zweifel anhörungsfähig, so dass ich hier keinen Platz für einen Verfahrenspfleger sehe.

  • mein Bauchgefühl sagt ja. einen ähnlichen Genehmigungsfall hatte ich während meiner Zeit in der Betreuung auch mal.

    Du würdest dann die Verfahrensakte an das jeweilige Betreuungsgericht senden, damit die Kolleg*innen vor Ort einen Überblick haben und die würden dann die Anhörung durchführen, protokollieren und dir zurückschicken.

  • Ablehnende Bescheide? Sind die für das Gericht überhaupt bindend? So lange du nicht genehmigst hast läuft der Mietvertrag weiter. Ist doch wie beim ‚Umzug‘ eines Sozialhilfeempfängers in ein Pflegeheim. Und da müssen die Sozialämter auch weiterzahlen (zuzüglich zu den Heimkosten) bis zur Genehmigung. Und hier kommt die Betroffene ja nach zwei Jahren wieder raus -und hat dann keine Wohnung mehr-. Der Wunsch der Betroffenen ist nachvollziehbar. Wie begründet denn die Betreuerin ihre Kündigungsabsicht? Mit den Ablehnende Bescheiden? Hat die Betreuerin Rechtsmittel eingelegt?

    Anhörung auf jeden Fall im Wege der Rechtshilfe. Juristisch wäre evtl. eine Vorführung der Betroffenen denkbar. Hier bei uns werden Strafgefangene aus den JVAs zu Anhörungen auch vorgeführt. Ist in anderen Verfahrensarten durchaus üblich.

    Wenn die Betroffene nach Haftentlassung -dann mangels Wohnung- nicht an deinen Ort zurückkehren kann - evtl. sogar Grund für Verfahrensabgabe.

  • Lieber Kobus, vielen Dank fürs Mitdenken. Diese Gedanken habe ich mir natürlich auch bereits gemacht (nein - ablehnende Bescheide sind für das Gericht natürlich nicht bindend ;) ), wollte ich hier aber nicht thematisieren. Verfahrensabgabe wurde vom Richter bereits verneint.
    Es geht mir lediglich um Meinungen hinsichtlich der persönlichen Anhörung. Vielleicht gibt es ja Mitlesende, welche an einem Gericht am Sitz einer JVA tätig sind und aus Erfahrung berichten können ...

  • Nach einem Urteil des LSG Niedersachsen-Bremen ist das Sozialamt unter bestimmten Voraussetzungen verpflichtet die Miete während der Haft zu übernehmen.

    LSG Niedersachsen-Bremen, Urt. v. 24.06.2021, Az. L 8 SO 50/18

    ( gefunden hier: https://jurios.de/2021/08/26/soz…enthalt-zahlen/ )

    Inwieweit die Gründe hier vorliegen muss natürlich geklärt werden.

    Ich mutmaße jetzt mal, da die Inhaftierte ja unter rechtlicher Betreuung steht, dass da schon gesundheitliche Einschränkungen vorliegen.

    Kleine Ergänzung:

    Ich würde mir als Betreuer in solchen Fällen grundsätzlich von der betreuten Person schriftlich bestätigen lassen, dass sie die Wohnung behalten will und sie sich über die Folgen der Nichtzahlung der Mieten (Kündigung, Räumung etc.) im Klaren ist.

  • Ohne jetzt zu sehr off topic gehen zu wollen: wie sieht es denn mit der Genehmigungsfähigkeit gegen den Willen des Betroffenen aus?

    #5 lässt sich eine Belehrung quittieren. Ich musste gleich an eine Untervermietung denken. Hätte der Betroffene einen Anspruch auf Zustimmung des Vermieters nach § 553 I BGB und der Betreuer mit Vermögenssorge müsste sich dann um die Organisation der Mietzahlungen etc kümmern?

  • Wenn ich

    Ohne jetzt zu sehr off topic gehen zu wollen: wie sieht es denn mit der Genehmigungsfähigkeit gegen den Willen des Betroffenen aus?

    #5 lässt sich eine Belehrung quittieren. Ich musste gleich an eine Untervermietung denken. Hätte der Betroffene einen Anspruch auf Zustimmung des Vermieters nach § 553 I BGB und der Betreuer mit Vermögenssorge müsste sich dann um die Organisation der Mietzahlungen etc kümmern?

    Wenn ich die Frage richtig interpretiere ist damit gemeint, dass die sich in Haft befindliche Person die Wohnung für die Dauer der Haft untervermieten möchte?

    Wenn der Vermieter dem zustimmen muss, dann ist es wohl Aufgabe des Betreuers die regelmäßigen Mieteinnahmen zu überwachen.

    Eine Übernahme der Mieten durch SGB II oder SGB XII Leistungen wäre dann natürlich nicht möglich, da durch die "Untermietzahlungen" die Miete weiter bezahlt werden könnte.

    Aber ich denke mal das führt hier zu weit.

    Meiner Auffassung nach ist eine Kündigung durch den Betreuer, bei ausdrücklicher Weigerung der Betroffenen, soweit diese voll einwilligungsfähig ist und sich den möglichen Folgen der Weigerung der Kündigung bewusst ist, nicht möglich.

    Ob hier allerdings vielleicht doch §1821 BGB zutrifft sollte zumindest geprüft werden.

    (3) Den Wünschen des Betreuten hat der Betreuer nicht zu entsprechen, soweit

    1. die Person des Betreuten oder dessen Vermögen hierdurch erheblich gefährdet würde und der Betreute diese Gefahr aufgrund seiner Krankheit oder Behinderung nicht erkennen oder nicht nach dieser Einsicht handeln kann oder
  • Der jeweils zuständige Sozialleistungsträger muss lediglich bis 6 Monate leisten, wenn der Betroffene in der JVA einsitzt. Meine Betreuten waren mittellos. Dies hätte dazu geführt, dass der Vermieter seine ihm zustehende Miete nicht erhält. Dies wäre ein rechtswidriger Zustand gewesen, da ihm der Mietzins gem. Mietvertrag zusteht. Sollte das Betreuungsgericht nicht den Antrag auf Genehmigung der Kündigung des Wohnraumes genehmigen, könnte sich evtl. die Frage des Regress stellen? Die Sache kommt leider in der Praxis öfters vor....

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  • Inwieweit Regress? Gegen wen? Das Gericht? Es besteht doch der Wunsch des Betroffenen, oder zählt der Wunsch des Betroffenen seit 1.01.2023 nicht mehr? Zur Genehmigung trotz anderslautenden Wunsch bedarf es einer erheblichen finanziellen Gefährdung des Betroffenen. Gegen den Betreuer? Ohne Genehmigung kann dieser doch nicht kündigen? Den Betroffenen? Er will doch, dass nicht gekündigt wird? Der Vermieter? Er ist doch am Verfahren nicht beteiligt? Also wer will Regress gegen wen erheben?

    Letztendlich trägt der Vermieter wie stets das Risiko eines Mietausfalls und kann diesbezüglich seine eigenen Rechte wahrnehmen. Ich sehe hier -vor allem aufgrund der seit 1.01.2023 geltenden neuen Regeln des Betreuungsrechts- keinen Ansatzpunkt für einen Regress.

    Hierzu auch:

    Aber ich sehe Anhaltspunkte für evtl. Ansprüche des Betroffenen für den Fall der Genehmigung. Vor allem, wenn der Betroffene nach Haftentlassung auf der Straße sitzt. Vor allem Bei Verstoß gegen den neuen Grundsatz Unterstützung vor Stellvertretung. Wieso Stellvertretung, wenn der eigenständig handlungsfähige Betroffene nicht handeln will?

    Und grundsätzlich unterstützt der Betreuer den Betroffenen bzw. wahrt dessen Interessen. Der Betreuer ist nicht derjenige, der dafür Sorge zu tragen hat, dass der Vermieter seine ihm zustehende Miete bekommt. Denn sonst bräuchten viele Mieter, die mit ihren Mietzahlungen in Rückstand sind, einen Betreuer.

    2 Mal editiert, zuletzt von Kobus (20. August 2023 um 11:26)

  • Wenn das so einfach wäre... Leider ist es nicht.

    Es gibt einen Grund warum der Betreute einen gesetzlichen Betreuer hat. Dieser vertritt ihn, wie hier in Wohnungsangelegenheiten und der Vermögenssorge. Davon darf ich aufgrund des Sachverhaltes ausgehen.

    M. E. darf der Betreuer nicht den Betreuten im Schuldenmachen unterstützen und den Vermieter damit am Vermögen schädigen. Wenn der Betreute zum Mond fliegen möchte, braucht der Betreuer in darin auch nicht zu unterstützen.

    Er kann sich die Wohnung nun mal finanziell nicht leisten und der Sozialleistungsträger braucht grundsätzlich nur bis 6 Monate zu leisten. Daran kommt man nicht vorbei. Folglich muss der Betreuer sich die Kündigung des Wohnraumes betreuungsgerichtlich genehmigen lassen und dann kündigen.

    Der Wunsch des Betreuten die Wohnung nicht zu kündigen würde den Vermieter an seinem Vermögen beschädigen. Das ist so gesetzlich nicht vorgesehen und auch nicht in Ordnung. Man sollte den Blick für die Realität nicht verlieren...

  • Und genau deswegen braucht der Betreuer zur Kündigung der Genehmigung des Gerichts. Und das Gericht hat im Genehmigungsverfahren zum Glück die Interessen des Vermieters nicht zu berücksichtigen.

    Und das mit den 6 Monaten Übernahme der Mietkosten durch die Sozialämter sehen die Sozialgerichte, zumindest was die starre Frist ohne Berücksichtigung der Interessen des Betroffenen angeht, zum Glück etwas anders.

    Was passiert eigentlich, wenn der Betroffene nach Kündigung die Wohnung nicht räumt. Ich ging bisher immer davon aus, dass ein Betreuer ohne Zustimmung des Betroffenen die Wohnung nicht betreten darf. Wie wird dann die gekündigte Wohnung der Räumung zugeführt? Es besteht ja nach Kündigung kein Recht zur Nutzung mehr. Jetzt haben wir den Schlamassel erst recht.

    Zur Aufgabe des Betreuers:

    Nicht Vertretung, sondern Unterstützung. So sieht es das Betreuungsrecht vor.

    Einmal editiert, zuletzt von Kobus (20. August 2023 um 16:11)

  • Und genau deswegen braucht der Betreuer zur Kündigung der Genehmigung des Gerichts. Und das Gericht hat im Genehmigungsverfahren zum Glück die Interessen des Vermieters nicht zu berücksichtigen.

    Und das mit den 6 Monaten Übernahme der Mietkosten durch die Sozialämter sehen die Sozialgerichte, zumindest was die starre Frist ohne Berücksichtigung der Interessen des Betroffenen angeht, zum Glück etwas anders.

    Was passiert eigentlich, wenn der Betroffene nach Kündigung die Wohnung nicht räumt. Ich ging bisher immer davon aus, dass ein Betreuer ohne Zustimmung des Betroffenen die Wohnung nicht betreten darf. Wie wird dann die gekündigte Wohnung der Räumung zugeführt? Es besteht ja nach Kündigung kein Recht zur Nutzung mehr. Jetzt haben wir den Schlamassel erst recht.

    Zur Aufgabe des Betreuers:

    Nicht Vertretung, sondern Unterstützung. So sieht es das Betreuungsrecht vor.

  • Und genau deswegen braucht der Betreuer zur Kündigung der Genehmigung des Gerichts. Und das Gericht hat im Genehmigungsverfahren zum Glück die Interessen des Vermieters nicht zu berücksichtigen.

    Und das mit den 6 Monaten Übernahme der Mietkosten durch die Sozialämter sehen die Sozialgerichte, zumindest was die starre Frist ohne Berücksichtigung der Interessen des Betroffenen angeht, zum Glück etwas anders.

    Was passiert eigentlich, wenn der Betroffene nach Kündigung die Wohnung nicht räumt. Ich ging bisher immer davon aus, dass ein Betreuer ohne Zustimmung des Betroffenen die Wohnung nicht betreten darf. Wie wird dann die gekündigte Wohnung der Räumung zugeführt? Es besteht ja nach Kündigung kein Recht zur Nutzung mehr. Jetzt haben wir den Schlamassel erst recht.

    "Zur Aufgabe des Betreuers:

    Nicht Vertretung, sondern Unterstützung. So sieht es das Betreuungsrecht vor."

  • Und genau deswegen braucht der Betreuer zur Kündigung der Genehmigung des Gerichts. Und das Gericht hat im Genehmigungsverfahren zum Glück die Interessen des Vermieters nicht zu berücksichtigen.

    Und das mit den 6 Monaten Übernahme der Mietkosten durch die Sozialämter sehen die Sozialgerichte, zumindest was die starre Frist ohne Berücksichtigung der Interessen des Betroffenen angeht, zum Glück etwas anders.

    Was passiert eigentlich, wenn der Betroffene nach Kündigung die Wohnung nicht räumt. Ich ging bisher immer davon aus, dass ein Betreuer ohne Zustimmung des Betroffenen die Wohnung nicht betreten darf. Wie wird dann die gekündigte Wohnung der Räumung zugeführt? Es besteht ja nach Kündigung kein Recht zur Nutzung mehr. Jetzt haben wir den Schlamassel erst recht.

    "Zur Aufgabe des Betreuers:

    Nicht Vertretung, sondern Unterstützung. So sieht es das Betreuungsrecht vor."

  • Die Verwaltungspraxis ist 6 Monate Mietzahlung für Haft.

    Prognose im Einzelfall entscheidend

    „Ob die Miete übernommen werden muss, hängt immer von einer Prognose im Einzelfall ab“, erläutert Pressesprecher Carsten Kreschel „je näher die Entlassung rückt, desto konkreter kann ein Anspruch werden und je länger die Haft noch dauert, desto schwieriger wird es für die Betroffenen. Grundsätzlich gibt es aber keine starren Grenzen.“

    Hinweis: Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen, Urteil v. 24.6.2021, L 8 SO 50/18

  • Kommt jetzt noch eine Frage von Dir oder hast Du Dich selbst zum ERgebnis geleitet?

    "Ändere die Welt, sie braucht es." Brecht

    K. Schiller: "Genossen, lasst die Tassen im Schrank"


    "Zu sagen, man müsste was sagen, ist gut. Abwägen ist gut, es wagen ist besser." Lothar Zenetti

  • Bitte lies mal § 1823 BGB. Durch wird von Vertretung gesprochen und nicht von Unterstützung.

    Eine Wohnungsräumung ist gesetzlich vorgeschrieben. Ein Unterschied zwischen betreuten und nicht betreuten Personen gibt es bei der Räumung nicht.

    Lies doch mal bitte mal vorher § 1821 Abs. 1 BGB. Den interessanten Teil habe ich rot markiert:

    "Der Betreuer nimmt alle Tätigkeiten vor, die erforderlich sind, um die Angelegenheiten des Betreuten rechtlich zu besorgen. Er unterstützt den Betreuten dabei, seine Angelegenheiten rechtlich selbst zu besorgen, und macht von seiner Vertretungsmacht nach § 1823 nur Gebrauch, soweit dies erforderlich ist."

    "Allen ist alles egal, außer der Handyvertrag" - Kraftklub

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