Vorsorgevollmacht und verdeckte Erbauseinandersetzung

  • Hallo,

    ich habe folgenden Fall. Der Sohn tritt mit Vorsorgevollmacht (öffentlich beglaubigt) auf und überträgt das Haus der Mutter an seine Schwester. Der Wert ist mit 210.000,-€ angegeben. Davon muss die Schwester 105.000,-€ an den Bruder zahlen. Mutter befindet sich im Pflegeheim. Die Vorsorgevollmacht ist so ein Internetausdruck, eine Befreiung von 181 nicht erteilt. Würde die Schwester das Geld an die Mutter zahlen, hätte ich kein Problem damit. Mit der Zahlung an den Bruder treten für mich Probleme auf. In diesem Fall vertritt er doch seine Mutter und sich selbst. Im Hinblick auf eine vorweggenomme verdeckte Erbauseinandersetzung frage ich mich außerdem, ob die Vollmacht hier ausreicht oder der Vertrag bis zur Genehmigung der Mutter schwebend unwirksam ist? Prüft ihr das?

    LG

  • Im "Internetausdruck" steht meistens auch, dass Schenkungen "in dem Rahmen, der einem Betreuer gestattet ist" vorgenommen werden dürfen - ohne Genehmigung also gar nicht, auch nach der Neuregelung, wenn es sich nicht um Anstandsschenkungen handelt. Und mindestens teilunentgeltlich soll es ja hier wohl sein.

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  • Den Teil mit der Schenkung -im Rahmen, der einem Betreuer gestattet ist- enthält die Vollmacht nicht. Ich meinte hier eine vorweggenommene Erbauseinandersetzung :/ Es ist doch aber hier so, dass er seine Mutter und sich selbst vertritt, wenn das Geld auf sein Konto gehen soll?

  • Du meinst vermutlich eher die vorweggenommene Erbfolge. (Auseinandersetzung setzt voraus, dass es etwas auseinanderzusetzen gibt. Und die Erbengemeinschaft besteht nicht ohne Erbfall.)

    Bei der Übertragung des Hauses von der Mutter auf die Schwester vertritt der Bevollmächtigte Sohn nur die Mutter.

    Dass sich die Schwester verpflichtet, einen Geldbetrag an den Bevollmächtigten auszuzahlen würde ich davon trennen.

    Ich hätte wohl kein Problem mit § 181 BGB.

    Ob die Vollmacht für die Schenkung genügt (denn es soll ja wohl gar kein Geld an die Mutter fließen) würde ich prüfen.

  • Aus dem Sachverhalt ergibt sich nicht, ob zur notariellen Urkunde nur die (vertretene) Mutter und die Tochter oder auch der Sohn gehandelt hat und es ergibt sich auch nicht, ob die Zahlung an den Sohn sofort oder erst nach dem Ableben der Mutter erfolgen soll.

    Falls der Sohn auch im eigenen Namen gehandelt hat, halte ich den Vertrag nicht für vollzugsfähig, weil der Sohn nicht vom Verbot des Selbstkontrahierens befreit ist (er vereinbart zu seinen eigenen Gunsten und zu Lasten der Mutter, dass der hälftige Kaufpreis nicht an die Veräußerin, sondern an ihn selbst gehen soll). Aber auch wenn er nicht im eigenen Namen gehandelt hat, gilt nach meiner Ansicht im Ergebnis nichts anderes, weil dann der in solchen Fällen übliche Vertrag zugunsten Dritter (Sohn) vorliegt, an welchem auch die Mutter vertraglich beteiligt ist. Für die Problematik des Selbstkontrahierens macht dies nach meiner Ansicht keinen Unterschied.

  • Eine Schenkung liegt hier vor, weil das Haus (deutlich) mehr wert ist als die 210 K?

    Nein, sondern weil es 210.000 wert ist und der Bruder 105.000 bekommt (und die Mutter nichts).

    Wirtschaftlich bekommen sowohl der Sohn als auch die Tochter 105.000 geschenkt.

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  • Der Sachverhalt ist ein wenig dünn. Davon ausgehend, dass die Mutter als Alleineigentümerin (vertreten durch den Sohn) das Grundstück an die Tochter überträgt, prüfe ich als Grundbuch-Rpfl. lediglich die Auflassung/Bewilligung. Und in dem Vordruck ist doch sicherlich der Passus "...darf über Vermögensgegenstände jeder Art verfügen..." enthalten. Ich sehe das daher wie pdaw - als GBA muss Mann sich über die aufgeworfene Fragestellung eigentlich keine Gedanken machen...

  • Der Sachverhalt ist ein wenig dünn. Davon ausgehend, dass die Mutter als Alleineigentümerin (vertreten durch den Sohn) das Grundstück an die Tochter überträgt, prüfe ich als Grundbuch-Rpfl. lediglich die Auflassung/Bewilligung. Und in dem Vordruck ist doch sicherlich der Passus "...darf über Vermögensgegenstände jeder Art verfügen..." enthalten. Ich sehe das daher wie pdaw - als GBA muss Mann sich über die aufgeworfene Fragestellung eigentlich keine Gedanken machen...

    Auch im Sachenrecht findet § 181 BGB Anwendung, und er ist vom Grundbuchamt selbstverständlich zu prüfen.

  • Aus Grundbuchsicht sehe ich es auch so:

    Hier ist keine Betreuung anhängig, daher ist kein Genehmigungsbedürfnis gegeben und zu beachten.

    § 181 BGB dürfte hier nicht greifen, da bei der dinglichen Einigung über den Wechsel des Eigentums der Sohn nur für die Mutter auftritt.

    Offensichtliche Anhaltspunkte wegen Sittenwidrigkeit etwa durch Ausnutzung eines Vertrauens/Abhängigkeitsverhältnisses gibt es hier anscheinend nicht.

    Materiell - rechtlich ist in der Gesamtschau der dinglichen und schuldrechtlichen Rechtsgeschäfte der Auffassung von Cromwell zu folgen.

    Zudem ist beim Thema Schenkung vor/während der Pflegeheimunterbringung noch das Thema § 528 BGB (=Rückforderungen des Schenkers, um die Kosten Pflegeheim leisten zu können) oftmals relevant, sofern eine Bedürftigkeit - und damit die Verarmung des Schenkers eingetreten ist - ggü. dem Leistungsträger geltend gemacht wird. Dies ist dann aber aus Grundbuchsicht unbeachtlich.

  • Kann man die Vollmacht tatsächlich in der Weise interpretieren, dass der Bevollmächtigte nach dem Willen der Vollmachtgeberin zum dinglichen Vollzug eines Rechtsgeschäfts berechtigt sein soll, das er in schuldrechtlicher Hinsicht nicht abschließen kann?

  • Kann man die Vollmacht tatsächlich in der Weise interpretieren, dass der Bevollmächtigte nach dem Willen der Vollmachtgeberin zum dinglichen Vollzug eines Rechtsgeschäfts berechtigt sein soll, das er in schuldrechtlicher Hinsicht nicht abschließen kann?

    Nein, kann man nicht. Mindestens eine Evidenzkontrolle findet statt. Und der Vorsorgevollmacht immanent ist, dass sie nur fremdnützig und nicht eigennützig ausgeübt werden kann. Woher hier das Interesse des Vollmachtgebers an einer unentgeltlichen Übertragung auf Dritte kommen soll? Das OLG Düsseldorf hielt sogar einen Verkauf (an nahestehende Personen) zu einem evident unter dem Verkehrswert liegenden Kaufpreis für schädlich; erst recht muss das für eine unentgeltliche Übertragung gelten (OLG Düsseldorf, 02.09.2020, I-3 Wx 129/20:(

    Zitat

    Die Auflassung eines Grundstücks darf das Grundbuchamt nur eintragen, wenn ihm die Einigung über den Rechtsübergang nachgewiesen ist, §§ 925 BGB, 20, 29 GBO. Eine Eintragung darf nur – ausnahmsweise – abgelehnt werden, wenn feststehende Tatsachen eindeutig die Unwirksamkeit der Auflassung ergeben (Palandt-Herrler, BGB, 76. Aufl. 2017, § 925 Rn. 30). Wird die Erklärung über die Einigung – gleiches gilt für die Erklärung der Bewilligung der Eintragung des Eigentumswechsels nach § 19 GBO – von einem Vertreter im Namen des Berechtigten abgegeben, hat das Grundbuchamt den Inhalt und die Wirksamkeit der Vollmacht von Amts wegen selbständig zu prüfen, ohne an die Auffassung des Urkundsnotars gebunden zu sein (OLG Köln, a.a.O.; OLG München DNotZ 2019, 197 ff.; Holzer in BeckOK, GBO, 39. Edition, Stand: 1. Juni 2020, § 19 Rn. 98, 99). Ist eine Vollmacht im Außenverhältnis unbeschränkt erteilt, so hat das Grundbuchamt eine Eintragung dennoch abzulehnen, wenn es – etwa aus ihm bekannten offensichtlichen und eindeutig gefassten internen Bindungsklauseln – sichere Kenntnis vom Missbrauch der Vollmacht hat (OLG München, a.a.O. und NJW-RR 2013, 1174 f., jeweils mit weiteren Nachweisen). Das gilt allerdings nur, wenn massive Verdachtsmomente bestehen und der Missbrauch der Vertretungsmacht danach evident ist (OLG München FGPrax 2019, 61 ff.; vgl. auch OLG Köln, a.a.O., Rn. 28 ff.: in jenem Verfahren wurde die sichere Kenntnis des Grundbuchamts von einem Missbrauch einer Vorsorgevollmacht verneint). Weitergehend wird teilweise auch verlangt, dass dem Vollmachtgeber durch die Überschreitung der Innenverhältnisabrede (erkennbar) ein Vermögensschaden entsteht (32. Zivilsenat des OLG München FGPrax 2006, 201; offen dagegen der sodann für Grundbuchsachen zuständig gewordene 34. Zivilsenat des OLG München in NJW-RR 2013, 1174 ff.; einen erkennbaren Vermögensschaden verlangt auch Reetz in BeckOK, GBO, a.a.O., Stichwort, Vertretungsmacht Rn. 15, m.w.N.). Vorstehende Grundsätze werden mit dem im grundbuchrechtlichen Verfahren geltenden Legalitätsprinzip begründet: das Grundbuchamt darf aufgrund des Legalitätsprinzips nicht bewusst daran mitwirken, das Grundbuch unrichtig zu machen; die Gerichte sind gehindert, sehenden Auges eine für sie erkennbare unrichtige Eintragung vorzunehmen (Regler in BeckOGK, BeurkG, Stand: 15. Juli 2002, § 53 Rn. 32; vgl. zum Legalitätsprinzip: Demharter, a.a.O., Einleitung Rn. 1; Palandt-Herrler, a.a.O., Überblick vor § 873 Rn. 11 und 12). Andererseits gebieten die Grundsätze des grundbuchrechtlichen Verfahrens die Beschränkung des Prüfungsmaßstabes auf eine Evidenzkontrolle. Nur so wird der Aufgabenverteilung zwischen dem Grundbuchamt und den Zivilgerichten hinreichend Rechnung getragen. Für eine umfassende Tatsachenaufklärung ist im Grundbuchverfahren kein Raum, materiell-rechtliche Fragen sind in einem Zivilprozess zwischen den Beteiligten abschließend zu klären (so der Bundesgerichtshof für die Prüfpflichten eines Notars bei Vollziehung eines Vertretergeschäfts nach § 53 BeurkG, s. BGH FGPrax 2020, 43 ff., Rn. 20, zitiert nach juris).

    (...)


    Dass der Beteiligte zu 2 diese interne Abrede überschritten und damit die ihm erteilte Vollmacht missbraucht hat, ist aufgrund der im hiesigen Verfahren bekannt gewordenen Tatsachen offensichtlich und damit nach Maßgabe der vorstehenden Ausführungen ausnahmsweise auch im hiesigen grundbuchrechtlichen Eintragungsverfahren evident und beachtlich. Insbesondere die seit Erlass des Senatsbeschlusses vom 26. Februar 2020 hinzugetretenen Umstände führen zu dieser Schlussfolgerung.

    Die Auflassung des verfahrensgegenständlichen Grundbesitzes und die Bewilligung der Eintragung des Eigentumswechsels sind ersichtlich unter Verstoß gegen die dem Beteiligten zu 2 im Innenverhältnis gemachte Vorgabe nicht zum Wohle des Beteiligten zu 1, § 1901 Abs. 2 BGB, erklärt worden. Das belegt insbesondere der im Laufe des Verfahrens zu Tage getretene Umstand, dass die Beteiligten zu 2 bis 4 eine Veräußerung des Grundbesitzes zu einem Preis vereinbart haben, der erheblich unterhalb des tatsächlichen Grundstückswerts liegt. Der im Grundstückskaufvertrag vereinbarte Kaufpreis liegt bei 250.000,- €, davon soll ein Anteil von 10.000,- € auf die mitverkaufte Einrichtung entfallen. Ausweislich eines zur Grundakte gereichten Verkehrswertgutachtens liegt der tatsächliche Grundstückswert zum Stichtag des 31. Dezember 2019 jedoch bei 373.000,- €. Diese Differenz zwischen vereinbartem Kaufpreis und dem wirklichen Grundstückswert ist erheblich.

    "Allen ist alles egal, außer der Handyvertrag" - Kraftklub

  • Im Fall des OLG Düsseldorf gab es Bindungen im Innenverhältnis. Gibt es die denn vorliegend?

    Wie Kurze in Burandt/Rojahn, Erbrecht, 4. Auflage 2022, § 164 BGB RN 26 ausführt, liegt dann, wenn für den Geschäftsgegner offensichtlich ist oder offensichtlich sein muss, dass der Bevollmächtigte zwar aufgrund der Vollmacht handeln kann, aber im Innenverhältnis nicht handeln darf, ein evidenter Missbrauch vor. Dabei seien die Hürden hoch (siehe die dort genannten Nachweise).

    Grundsätzlich sei eine Vertretung auch bei einem Vollmachtsmissbrauch wirksam, trage also der Vollmachtgeber das Risiko des Missbrauches (RN 23).

    Das beklagen wohl auch die bei Miehler/Hartmann, „ZEV-Report Zivilrecht“, ZEV 2023, 439/442

    ZEV 2023, 439 - beck-online

    zitierten Abhandlungen von Sander in ZErb 2023, 1ff. und ZErb 2023,121 ff (Anm.: Die Zeitschrift ZErb steht mir nicht zur Verfügung)

    Lieber einen Frosch küssen als eine Kröte schlucken :)

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