Vollmacht oder nicht?

  • "Vereinbarung,
    zwischen meiner Ehefrau und mir. Ich möchte meiner Ehefrau das alleinige Wohnrecht und auch meine Hausanteile überlassen. Wir haben uns im gegenseitigen Einvernehmen geeinigt, sie hilft mir bei der Wohnungssuche und ich habe die Zusage, dass sie mir bei der Pflege und allen Behördengängen hilft, da ich 2004 an Kehlkopfkrebs erkrankt bin und seit dem auch nicht mehr sprechen kann.
    Sie überlässt mir das komplette Pflegegeld, um mich zu unterstützen und ich so den Ausgleich des Hauses bekomme."

    Diese formlose Schriftstück vom 18.09.2006 wird aufgrund Vertrag vom 08.01.2020 (Eingang hier am 10.09.2020) vorgelegt. Ehefrau überträgt den hälftigen Grundstücksanteil des Mannes auf sich selbst aufgrund dieser "Vollmacht", wie der Notar es nennt. Keine Gegenleistung, schuldrechtliche Aufrechnung aller Dinge, die die Ehefrau bis jetzt gemacht hat für den Mann. Die formale Vollmachtsbestätigung (hilfsweise die Genehmigung der Erklärungen) erfolgt von der Betreuerin des Mannes, da er seit 2018 unter Betreuung steht und im Bereich der Vermögenssorge mit Einwilligungsvorbehalt. Er und seine Frau leben schon seit 2005 nicht mehr zusammen, der Ehemann hatte eine eigene Wohnung. 2018 zog er in eine Pflegeeinrichtung.
    Eine Einsicht in die Betreuungsakte ergab, dass der Notar gleich nach Beurkundung eine beglaubigte Abschrift der Urkunde mit dem Antrag auf betreuungsgerichtliche Genehmigung dort einreichte. Anfang September nahm er dann den Antrag dort zurück (brauche man nicht, es gibt ja die Vollmacht und die muss durch die Betreuerin lediglich bestätigt werden) und reichte die Sache dann hier zum Grundbuch ein.
    Habe zwischenverfügt und eine betreuungsgerichtliche Genehmigung gefordert, da ich keine Vollmacht zur Auflassung in dem Schriftstück erkennen kann, auch wenn ich ich mich auf den Kopf stelle. Es kam natürlich eine Beschwerde; ich hätte nicht wirklich ausgedeutet. Ein unbeteiligter Dritter kann darin sehr wohl eine Vollmacht erkennen.

    Was könnt Ihr darin erkennen?

  • Der Beschwerde hätte ich niemals abgeholfen- ich sehe hier keine Vollmacht (auch wenn ich mich auf den Kopf stelle)

    - hier kann ich eine Übertragungsabsicht gegen Pflegegeld und Hilfe sehen- es war wohl beabsichtigt durch Pflege und Hilfe eben einen Heimaufenthalt zu vermeiden, mehr lässt sich beim besten Willen nicht erkennen.


    Gehen wir mal davon aus, man könne darin eine Vollmacht sehen- dann würde ich mir Fragen stellen:

    Sie überlässt mir das komplette Pflegegeld, um mich zu unterstützen und ich so den Ausgleich des Hauses bekomme."

    1. Wie hoch war der Wert des Anteils des Betroffenen?
    2. Wieviel Pflegegeld hat er danach erhalten, um den unter 1. aufgezeigten Wert zu bekommen?
    3. Wenn 2. nicht =1. , sprich er noch nicht alle Beträge hätte- dann wäre es meines Erachtens auch nicht dem Willen des Betreuten entsprechend das Haus zu übertragen, da er bei "Bevollmächtigung" davon ausging, dass seine Exfrau die Haushälfte abpflegt/abarbeitet. Aufgrund des Aufenthaltes im Pflegeheim könnte sich dies aber nicht erfüllt haben und dies wäre auch zukünftig ausgeschlossen.
    4. Hier wäre zu erfragen, warum die Betreuerin diese Vollmacht bestätigt und nicht sogleich widerrufen hat: Die Betreuerin ist jetzt auch für die Kontrolle von Vollmachten zuständig, sofern es der Betreute nicht mehr kann und entsprechend muss sie auch prüfen, ob die Vollmacht hier so genutzt wird, wie vom Betreuten gewollt.
    Ist die ggf. enthaltene Vollmacht zu widerrufen, der Betreuer wickelt das Rechtsgeschäft ab und natürlich mit den bekannten Absicherungen bezüglich des nunmehr nicht mehr durch Pflege(überflüssig, da Heim) sondern durch Zahlung zu leistenden Betrages.


    Sprich: Ich hätte bei eventuellem Vollmachtsvermuten hier die Sache an das Betreuungsgericht gegeben mit der Bitte festzustellen, ob hier die Verpflichtungen aus dem Vertrag erfüllt sind (siehe 1-4), das Schriftstück aus Sicht des Betreuungsgerichts eine Vollmacht zur Grundstücksübertragung darstellt oder hier ein handeln der Betreuerin notwendig ist, auch um auszuschließen, dass hier eine (Teil) Schenkung zum Nachteil des Betroffenen erfolgt, sofern die Haussumme nicht abgearbeitet wurde.


  • Darin würde ich lediglich den Willen erkennen, dass der Eigentümer 2006 bereit gewesen wäre, eine Übertragung des Hauses zu vereinbaren, aber ganz sicher keine Vollmacht an die Ehefrau ohne weitere Mitwirkung des Eigentümers zu ihren Bedingungen diese Übertragung Jahre später vorzunehmen.

    Ergänzung zu Insulaner: das Grundbuchamt ermittelt nicht. Die Vollmacht muss aus sich heraus nachvollziehbar und eindeutig sein. Die Meinung des Betreuungsrechtspflegers würde mich - abgesehen vom Interesse am fachlichen Austausch - da nicht interessieren.

    Komplizierte Probleme heißen komplizierte Probleme, weil es keine einfachen Lösungen für sie gibt, sonst hießen sie einfache Probleme.

    - Frank Nägele, KStA v. 25.3.17 -

  • Ich würde hier eine durch den Mann damals beabsichtigte Überlassung an seine Frau sehen, die natürlich in Form der Auflassung hätte beurkundet werden müssen.
    In jedem Falle keine Vollmacht (die i.Ü. aufgrund Formmangels des § 29 GBO nichtig wäre).

  • Ich finde es erstaunlich, dass man in der Vereinbarung inhaltlich eine grundbuchtaugliche Vollmacht erblicken kann und dass die fehlende grundbuchtaugliche Form bislang niemandem aufgefallen sein soll.

  • Vielen Dank für die Antworten. Die Entscheidung des OLG Nürnberg kannte ich noch nicht, sehr aufschlussreich.
    Dann werde ich mal ganz genüsslich der Beschwerde nicht abhelfen und unserem OLG zum weiteren Zeitvertreib übersenden (aber bestimmt erst nächste Woche ... dann hat das OLG die Sache als "Weihnachtspost").

    Ansonsten schon mal allen (halbwegs) frohe Festtage (versuchen wir, das Beste aus der Situation zu machen) und bleibt gesund.

  • Langer Rede kurzer Sinn: Es fehlt an allem.

    An der Vollmacht, die keine ist, an der Form der Vollmacht (§ 29 GBO), so es denn eine wäre und an der Vollmachtbestätigung durch den "Richtigen" - und vermutlich auch an den betreuungsrechtlichen Kenntnissen des Urkundsnotars.

  • Nee, dem fehlt es eigentlich nicht an Kenntnissen ... ist der (neue) Vorsitzende unserer Landesnotarkammer ... ich gehe mal davon aus, dass das Betreuungsgericht die Genehmigung so nicht erteilen würde (die Aufrechnung der erbrachten "Leistungen" der Frau zum Wert des hälftigen Grundstücks = 75.000,00 EUR würde ich jedenfalls nicht anerkennen).

  • Nee, dem fehlt es eigentlich nicht an Kenntnissen ... ist der (neue) Vorsitzende unserer Landesnotarkammer ... ich gehe mal davon aus, dass das Betreuungsgericht die Genehmigung so nicht erteilen würde (die Aufrechnung der erbrachten "Leistungen" der Frau zum Wert des hälftigen Grundstücks = 75.000,00 EUR würde ich jedenfalls nicht anerkennen).

    Das hat nichts zu sagen. Immer wenn man hier Kunden (Makler) auf geänderte Bestimmungen hinweist, bekommt man erklärt - und durch Urkundenvorlage nachgewiesen - dass es KollegInnen gäbe, die es "für guten Kunden" nicht so ernst nehmen. Diese KollegInnen sind in der Regel Vorstandsmitglieder der Notarkammer.

    "Allen ist alles egal, außer der Handyvertrag" - Kraftklub

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