Der BGH hat die Führung von Anderkonten (konkret: Sammelanderkonten) durch anwaltliche Pfleger (Betreuer etc.) bekanntlich für unzulässig erklärt, weil diese Art und Weise der Kontenführung einen Verstoß gegen das Vermögenstrennungsgebot des § 1805 BGB darstellt (BGH Rpfleger 2019, 201).
Gleichwohl erlebe ich mitunter in meiner gutachterlichen Praxis, dass nach wie vor Anderkonten unbeeindruckt weitergeführt werden und dass dies auch im Rahmen der nachlassgerichtlichen Prüfung der Rechnungslegung nicht beanstandet wird.
Wie kann das sein?
Das sich manche Banken zu Unrecht weigern, ein Konto auf "unbekannte Erben" zu eröffnen, ist für die Weiterführung (oder sogar die Neueinrichtung!) von Anderkonten natürlich kein durchgreifendes Argument.
Die Führung von Anderkonten wird u. a. auch deshalb für unzulässig gehalten, weil (a) die Erben ohne Mitwirkung des Pflegers auch nach Aufhebung der Nachlasspflegschaft keinen unmittelbaren Zugriff auf diese Konten haben und (b) die Gläubiger des Pflegers in das Anderkonto vollstrecken können. Beides ist zweifelsfrei zutreffend.
Aber wird nicht umgekehrt ein Schuh daraus? Denn wenn der Anwalt der Kontoinhaber ist und deshalb seine Gläubiger vollstrecken können, heißt dies doch im Umkehrschluss, dass über einen Titel verfügende Nachlassgläubiger nicht in dieses Anderkonto vollstrecken können.
Erfüllt dies in der Person des anwaltlichen Nachlasspflegers nicht den Tatbestand der Vollstreckungsvereitelung nach § 288 StGB i. V. m. § 14 Abs. 1 Nr. 3 StGB?
Und müsste ein Nachlasspfleger, der nach wie vor Anderkonten führt (oder sogar neu einrichtet) und diese Praxis auf Verlangen des Nachlassgerichts nicht ändert, nicht sofort entlassen werden?
Es ist kein akzeptabler Zustand, dass sehenden Auges weiterhin höchstrichterlich für unzulässig erklärte Verfahrensweisen (vom Pfleger) angewendet und (vom Nachlassgericht) geduldet werden.
Ein Anderkonto kann zudem auch nicht mit einem Sperrvermerk nach § 1809 BGB versehen werden, weil der Pfleger nicht über ein fremdes, sondern über ein eigenes Guthaben verfügt. Damit greifen auch die gesetzlichen Genehmigungstatbestände nicht. Auch dies ist kein haltbarer Zustand.
Meinungen?