Kündigungsfrist bei Anordnung noch nicht ganz abgelaufen

  • Ich habe ein Verfahren meiner jungen Kollegin übernommen. Die Vollstreckungsklausel für eine neuere Grundschuld wurde 1 Tag nach Errichtung der Urkunde erteilt, der künftige Eigentümer hat auch die Zwangsvollstreckungsunterwerfung erklärt und auf den Nachweis verzichtet, der das Entstehen und die Fälligkeit der Grundschuld bedingen. Ich meine, ich kann keine Klausel nach §726 verlangen.

    Bei dem Versteigerungsantrag wurde auch die zugestellte Kündigung beigefügt, allerdings erfolgte diese am 21.6.21. und die Anordnung war bereits am 01.12.2021, noch nicht ganz 6 Monate danach. Mittlerweile natürlich längst verstrichen. Hättet ihr Bedenken, das Verfahren fortzuführen?

  • Nein! Ich hatte einen entsprechenden Fall beim OLG Celle.

    Bei der Anordnung der Zwangsversteigerung hat das Zwangsversteigerungsgericht die ordnungsgemäße Klausel durch den Notar nicht zu prüfen. Dies gilt selbst dann, wenn die 6 Monatsfrist nicht abgelaufen sein kann. Dieses ist auch richtig, da nach den Entscheidungen des BGH vom 07.10.2020 (AZ VII ZB 2/20 und 5/18) ein Nachweisverzicht zulässig ist.

  • Ich hätte hier im Ergebnis auch kein Problem damit, das Verfahren weiter laufen zu lassen, da die Frist zwischenzeitlich ja abgelaufen ist und damit kein Hinderungsgrund (mehr) besteht.

    Allerdings sehe ich hier grundsätzlich sehr wohl eine Prüfungspflicht für den Ablauf der Kündigungsfrist beim Versteigerungsgericht.
    Es liegt zumeist eine einfache notarielle Klausel nach § 724 ZPO vor. Das Erfordernis einer Klausel nach § 726 ZPO wird von der Rechtsprechung verneint, sodass der Notar keine Prüfung der Fälligkeit vornehmen muss. Das Kündigungserfordernis zur Fälligkeit des Grundschuldkapitals nach § 1193 Abs. 1 S. 1 BGB ist jedoch gesetzlich normiert. Damit ist die Kündigung und auch der Ablauf der Kündigungsfrist grundsätzlich vor der Anordnung des Verfahrens vom Vollstreckungsgericht zu prüfen (§ 751 Abs. 1 ZPO). Die Prüfungskompetenz, dass der Ablauf der Kündigungsfrist als besondere Vollstreckungsvoraussetzung durch das Vollstreckungsgericht zu prüfen ist, hat der BGH in seiner Entscheidung vom 30.03.2017 (AZ: V ZB 84/16) vorausgesetzt und das LG Trier hat sich dieser Auffassung im Beschluss vom 26.01.2018 (AZ: 5 T 5/18) auch angeschlossen.

    Wir verlangen daher vor Anordnung des Verfahrens (bei einer Sicherungsgrundschuld nach dem 19.08.2008 versteht sich) den Nachweis der Kündigung, dessen Zustellung beim Schuldner und den Ablauf der Kündigungsfrist.

  • Ein bisschen anders steht das da aber schon. Die Kündigungsfrist ist Bedingung i.S.v. Par. 726 ZPO, wegen eines Nachweisverzichts aber nicht vom Notar zu prüfen. Er erteilt daher eine Klausel nach Par. 724 ZPO. Das ZV-Gericht prüft weder Bedingung noch Verzicht, sondern ordnet aufgrund der erteilten Klausel an. Danach wird es interessant.

  • Selbst bei einem Nachweisverzicht ist die Kündigung nebst Kündigungsfrist zu prüfen, siehe BeckOK ZVG/Ertle Rn. 32 ff / Böttcher, Rn. 63a, je zu § 16 ZVG.

    Auch wenn man die Prüfung der Kündigung durch das Vollstreckungsgericht nicht für geboten hält: Ein Verfahren ohne abgelaufene Kündigungsfrist oder gar ohne erfolgte Kündigung ist für den Gläubiger ein Risiko. Meist werden die Anträge dann nach Hinweis auf § 1193 BGB (einstweilen) zurückgenommen.

  • Wenn ich das richtig in Erinnerung habe, geht es aber nicht um eine Prüfung der Kündigungsfrist (Par. 1193 BGB), da der Par. 751 ZPO nicht richtig passt, sondern um eine Vollstreckungsandrohung i.S.v. Par. 1234 BGB. Der Par. 1193 BGB spielt da nur wegen der Dauer hinein, weil die Monatsfrist des Par. 1234 BGB in der Immobiliarvollstreckung zu kurz sei. Auf den Par. 1234 BGB wird in der neueren Rechtsprechung des BGH nicht mehr eingegangen Da wird nur noch das Vorliegen der notariellen Vollstreckungsklausel erwartet.

  • Die Vollstreckungsandrohung als Ersatz für die Kündigung betrifft mE nur die Vollstreckung aus den Zinsen (wenn die Zinsen vor Ablauf der Kündigungsfrist vorgeschoben werden sollen und aus dem Kapital noch nicht vollstreckt werden darf). Beim Kapital ist nach meinem Verständnis der Ablauf der Kündigungsfrist Antragsvoraussetzung.

    "Just 'cos you got the power, that don't mean you got the right!" ((c) by Mr. Kilmister, passt zum Job)

    "Killed by Death" (ebenfalls (c) by Lemmy, passt eigentlich immer)

  • aus der BGH Entscheidung, BGH V ZB 12/20:

    Zwar handelt es sich bei dem Kündigungserfordernis des § 1193 Abs. 1 BGB um eine Vollstreckungsbedingung i. S. des § 726 ZPO, ...., so dass der Notar grundsätzlich gehalten ist, eine qualifizierte Vollstreckungsklausel frühestens nach entsprechendem Nach weis der Kündigung der Grundschuld zu erteilen ....,Der Schuldner kann aber grundsätzlich auf den Schutz des Nachweiserfordernisses verzichten und erklären, dass der Notar dem Gläubiger eine vollstreckbare Ausfertigung ohne Nachweis der das Bestehen und die Fälligkeit der Zahlungsverpflichtung begründenden Tatsachen erteilen darf; die materielle Bedingung bleibt durch einen solchen Verzicht unberührt, verliert aber ihren Charakter als Vollstreckungsbedingung.

    Also ist die Fälligkeit durch das Klauselorgan zu prüfen; Ausnahme: Nachweisverzicht, aber nicht durch das Vollstreckungsorgan.

    Deswegen hat der BGH ja auch die Anordnung der Versteigerung bestätigt.

    Es kann daher m. E. nicht sein, dass wir auf einmal die Prüfung des § 726 ZPO verlagern, nach welcher Norm?

    Am Ende der BGH Entscheidung wird auch noch einmal klargestellt, dass es sich um materiell-rechtliche Einwendungen handelt.

    Ergänzung:

    Auch BGH VII ZB 56/18 verweist auf die Vollstreckungsabwehrklage.

  • Nach meinem Verständnis prüfen wir die Kündigung nebst Ablauf der Frist nicht im Rahmen der Klauselerteilung oder deren Wirksamkeit sondern als eigene Antragsvoraussetzung, so wie Titel - Klausel- Zustellung - Eigentümerstellung.

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  • BGH, Beschluss vom 30.3.2017 – V ZB 84/16, ua Randnummern 21 und 32 bei Beck-online.

    Jetzt ist die andere Entscheidung aus 2020 natürlich deutlich jünger und der BGH ändert ja auch hin und wieder seine Rechtsauffassung. Von Aufgabe der bisherigen Ansicht habe ich aber nichts gelesen und gerade die Begründung aus 2017 ist mE überzeugend und widerspricht der Aussage, dass der Schuldner dann eben Klage erheben muss.

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  • so sehe ich es mittlerweile auch; Der BGH führt seine Linie, dass das Vollstreckungsorgan sich im formalisierten Zwangsvollstreckungsverfahren auf die Klausel verlassen kann, soll und muss, fort- ich meine die zwischenzeitlich etwas anders klingenden Entscheidungen (insb. die von Araya zitierte Entscheidung) halte ich eher für überholt (auch wenn die Auffassung nicht ausdrücklich aufgegeben wurde!)

    (Ich habe BGH, Beschluss vom 30.3.2017 – V ZB 84/16 schon seinerzeit für eine ziemlich murkselige Entscheidung gehalten; siehe dort:

    (Un)zulässigkeit des "Nachweisverzichts" im Hinblick auf § 1193 II S.2 BGB n.F.?)

    Ich kaufe ein "I" und möchte lösen! -BOCKWURST-


    Wenn ich sterbe, sollen meine Überreste in Disneyland verstreut werden.
    Außerdem möchte ich nicht verbrannt werden.

  • BGH, Beschluss vom 30.3.2017 – V ZB 84/16, ua Randnummern 21 und 32 bei Beck-online.

    Jetzt ist die andere Entscheidung aus 2020 natürlich deutlich jünger und der BGH ändert ja auch hin und wieder seine Rechtsauffassung. Von Aufgabe der bisherigen Ansicht habe ich aber nichts gelesen und gerade die Begründung aus 2017 ist mE überzeugend und widerspricht der Aussage, dass der Schuldner dann eben Klage erheben muss.

    ich muss gestehen, dass genau dieser Beschluss damals bei mir ein großes Störgefühl ausgelöst hat, warum der BGH auf einmal Tatsachen des Klauselverfahrens in das Zwangsversteigerungsverfahren übertragen hat.

    Daher konnte ich mich für die Entscheidung nie erwärmen.

  • Für mich sind das zwei paar Schuhe.

    Kündigung und Fristablauf zur Klauselerteilung --> nicht unser Bier

    Kündigung und Fristablauf DAVON UNABHÄNGIG ALS WEITERE Antragsvoraussetzung --> von uns zu beachten

    Frage in die Runde: Ordnet irgendeine/r hier vor Fristablauf an?

    Und wie ist die Lehrmeinung in den FHs? Seit BGH in 2020 haben ja immerhin schon drei Jahrgänge den Abschluss gemacht (2020 zähle ich nicht mit, war uU zu knapp)

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  • Ich überlege jedesmal neu, wenn der Antrag vor Ablauf der Kündigungsfrist kommt.

    Dass es Sache des Schuldners ist, sich mit Abwehrklage zu wehren, finde ich wegen des materiell-rechtlichen Aspektes durchaus nachvollziehbar. Mir bereitet jedoch eher diese EU-Richtlinie RL 93/13, die Kollege Clemente letztens (finde ich leider gerade nicht) bewertet hat, Kopfschmerzen, so dass ich den Ablauf der Kündigungfrist besser abwarte.

  • Ich überlege jedesmal neu, wenn der Antrag vor Ablauf der Kündigungsfrist kommt.

    Dass es Sache des Schuldners ist, sich mit Abwehrklage zu wehren, finde ich wegen des materiell-rechtlichen Aspektes durchaus nachvollziehbar. Mir bereitet jedoch eher diese EU-Richtlinie RL 93/13, die Kollege Clemente letztens (finde ich leider gerade nicht) bewertet hat, Kopfschmerzen, so dass ich den Ablauf der Kündigungfrist besser abwarte.

    Clemens ClementeDie Grundschuldbestellungsurkunde im Lichte der RL 93/13Mögliche Schwachstellen der gegenwärtigen Formularpraxis und RechtsprechungZfIR 2021, 349 (in: Aufsätze)

  • Bei uns ist eigentlich nicht das Problem, dass der Antrag vor Ablauf der Kündigungsfrist kommt, sondern dass nur vorgetragen, aber nicht nachgewiesen wird, dass gekündigt wurde. Die Klausel wurde in den Fällen zu einer Zeit erteilt, als die Grundschuld nach Vortrag der Gläubigerin fällig war.

  • Ist es nicht logische Folge, dass wenn die Kündigung nur bei der Klauselerteilung zu prüfen ist und sie keine Antragsvoraussetzung ist, dann auch nicht vorzulegen ist?

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