Schuldner kann VA nicht abgeben

  • Hallo!
    Ich habe ein Problem, bei dem ich nicht weiter weiß. :(

    Schulderin ist eine Firma, GF ist Heinz.
    Heinz ist Mitte 80, wurde offenbar als Strohmann eingesetzt und hat einem anderen Generalvollmacht erteilt. :rolleyes:

    Nun sollte Heinz die VA abgeben, kann dies aber nicht, weil er überhaupt keine Ahnung hat, welches Vermögen die Firma hat usw.

    Seit Oktober ist er nun in Erzwingungshaft.

    Sein Rechtsanwalt hat inzwischen eine einstweilige Verfügung gegen den Bevollmächtigten erwirkt, dass dieser Auskunft erteilen soll. Diese konnte leider nicht zugestellt werden, da keiner weiß, wo der Bevollmächtigte ist.

    Ich habe jetzt einen Antrag auf dem Tisch, dass Heinz aus der Haft entlassen werden möge, weil er alles Erdenkliche getan hat, aber faktisch zur Abgabe der VA nicht in der Lage ist.
    (Beschwerdefrist ist abgelaufen.)

    Mein Richter und ich sind nun uneinig, ob es sich um eine Entscheidung nach § 765a oder nach § 766 handelt.
    Ich meine, wenn Heinz tatsächlich (glaubhaft dargelegt) nicht in der Lage ist, die Auskünfte zu erteilen, hätte eine Verhaftung nicht erfolgen dürfen, weil das Ziel der Erzwingungshaft ohnehin nicht zu erreichen gewesen wäre.

    Was meint ihr so? :/

  • ??

    Heinz muss doch nur angeben was er weiß

    Wenn also GVZ fragt: Hat Firma Grundeigentum - sagt Heinz weiß ich nicht

    wenn GVZ fragt: Hat Firma offene Forderungen - sagt Heinz weiß ich nicht

    Dann versichert er die Richtigkeit und Vollständigkeit seiner Angaben. Fertig.

    Er versichert ja nur dass das was er erklärt (nämlich nichts zu wissen) richtig ist.

    Mehr verlangt doch eine Vermögensauskunft nicht.

    Hat er wirklich immer gesagt er weiß nichts über das Vermögen? Dann ist mir unklar, wie er damit in Haft kommen konnte.

    Oder hat er sich geweigert Angaben zu machen?

  • Die Frage habe ich mir auch gestellt. :saint:
    Es hätte so einfach sein können, aber er ist wohl zu den Terminen gar nicht gekommen und danach meinte der GV
    dass "weiß ich alles nicht", einer Verweigerung gleich käme. Hat der Gl. auch nicht akzeptiert.

    Deswegen bin ich auch unsicher, ob ich wirklich zu § 766 komme, weil ich ja kein Fehlverhalten habe.

  • Na ja.... Jede Frage einfach mit "Weiß nicht" zu beantworten, dürfte dem Sinn und Zweck der Vermögensauskunft zuwiderlaufen.

    Oft haben die Schuldner zwar wirklich keinen Überblick über ihre Vermögensverhältnisse, die Mitwirkungspflicht des Schuldners im VA-Verfahren dürfte sich auch auf die Verpflichtung, sich einen entsprechenden Überblick zu verschaffen, erstrecken (so z.B. auch: MüKoZPO/Forbriger, 6. Aufl. 2020, ZPO § 802c Rn. 25). Andernfalls könnte der Schuldner, der sich bewusst nicht informiert, sich dem Verfahren zur Abgabe einer Vermögensauskunft faktisch entziehen.

    Was die Ausgangsfrage angeht gibt es mehrere denkbare Alternativen:

    Wenn man sich auf den Standpunkt stellen würde, dass der Haftbefehl schon nicht erlassen werden durfte, weil der Schuldner seiner Mitwirkungspflicht (im Rahmen seiner Möglichkeiten) gegenüber dem Gerichtsvollzieher nachgekommen ist, wäre es die Beschwerde nach § 793 ZPO.

    Nach Ablauf der Beschwerdefrist des § 793 ZPO käme die Erinnerung nach § 766 ZPO analog in Betracht. Hier können dann aber nur noch Umstände vorgebracht werden, die nach Erlass des Haftbefehls eingetreten sind (MüKoZPO/Forbriger, 6. Aufl. 2020, ZPO § 802g Rn. 24). Trägt der Schuldner vor, dass er sich nach Verhaftung um Auskunft beim faktischen Geschäftsführer bemüht hat, er hieran gescheitert und er seiner Mitwirkungspflicht nun ausreichend nachgekommen ist, wäre es meiner Meinung nach die Erinnerung.

    Parallel / Alternativ kommt auch noch § 765a ZPO in Betracht. Zu prüfen ist hier jedoch nicht, ob die Gründe für die Beugehaft noch weiter vorliegen, sondern nur, ob die weitere Vollstreckung eine sittenwidrige Härte bedeutet (wobei es bei der Prüfung zugegebenermaßen inhaltliche Überschneidungen geben könnte).

    Sofern man den Weg über § 765a ZPO einschlägt, wird es kompliziert.

    Bei typischen Strohmanngeschichten würde ich die sittenwidrige Härte verneinen. Wenn jemand als Strohmann fungiert, erhält er erfahrungsgemäß eine wie auch immer geartete Gegenleistung dafür, dass er seinen Namen für ein fremdes Gewerbe hergibt. Zudem wird sich auch der typische Bürger denken können, dass solche Strohmannkonstruktionen mit einem erheblichen rechtlichen Risiko verbunden sind und sich der faktische Geschäftsinhaber nicht grundlos einen Strohmann sucht. Wenn man sich dennoch auf eine solche Vereinbarung einlässt, muss man auch die rechtlichen Folgen tragen und die Geschäftsführerpflichten erfüllen.

    Etwas anderes kann dann gelten, wenn in der Person des Strohmanns ganz besondere Umstände hinzukommen (z.B. erhebliche Drucksituation aufgrund von Drohungen, Demenz oder andere kognitive Beeinträchtigungen).

    Im nächsten Schritt muss dann noch eine Interessensabwägung vorgenommen werden. Der Gläubiger hat ein offensichtliches Interesse an der VA und der Inhaftierung des Strohmanns. Nur der offiziell bestellte Geschäftsführer kann zur Abgabe der VA gezwungen werden. Dass der faktische Geschäftsführer ebenfalls zur Abgabe der VA verpflichtet ist, erscheint mir mehr als fraglich. Daher wird die Interessensabwägung grundsätzlich eher zugunsten des Gläubigers ausgehen (schon damit der Schuldner auch weiterhin die Motivation hat, die für die VA erforderlichen Auskünfte beim faktischen Geschäftsführer einzuholen).

  • Deswegen bin ich auch unsicher, ob ich wirklich zu § 766 komme, weil ich ja kein Fehlverhalten habe.

    Von dem Gedanken, dass § 766 ZPO nur bei Fehlverhalten in Betracht kommt, würde ich mich verabschieden. Du kannst Vollstreckungsmaßnahmen treffen, die zum Zeitpunkt des Erlasses absolut in Ordnung sind und bei denen eine Erinnerung dennoch erfolgreich ist. Zum Beispiel, wenn ein PfüB erlassen wird, danach die Insolvenz eröffnet wird und deine Vollstreckung in die Rückschlagsperre fällt.

  • Der Antragsteller ist zu befragen welchen Antrag er auf welcher rechtlichen Grundlage stellt..

    Ich suche mir als Gericht doch nicht den passenden Antrag raus damit ich statt geben könnte, sondern ich entscheide über das was beantragt ist. Zumal hier anwaltliche Vertretung gegeben ist.

    Ich würde dem RA anfragen was er beantragt unter kürzer Darlegung wie sein Antrag aktuell ausgelegt wird

  • Der Antragsteller ist zu befragen welchen Antrag er auf welcher rechtlichen Grundlage stellt..

    Ich suche mir als Gericht doch nicht den passenden Antrag raus damit ich statt geben könnte, sondern ich entscheide über das was beantragt ist. Zumal hier anwaltliche Vertretung gegeben ist.

    Ich würde dem RA anfragen was er beantragt unter kürzer Darlegung wie sein Antrag aktuell ausgelegt wird

    Den Spielraum hätte man aber ggf. (falsa demonstratia non nocet).

    "Ich bin ja wirklich nicht tolerant, aber alles hat seine Grenzen!"
    (Heinz Becker)

  • Danke für die Lösungsvorschläge! <3

    In einem Telefonat mit meinem Richter hat der Rechtsanwalt mitgeteilt, dass sein Antrag (ursprünglich Beschwerde) als Antrag gem. § 765a ausgelegt werden solle. Dann hat mein Richter sich für unzuständig erklärt und mir die Akte zuverfügt.

    Insofern könnte ich ja irgendwie interpretieren, dass es wohl nicht § 766 sein soll, das hätte mein Richter ja selbst gemacht.

  • Deswegen bin ich auch unsicher, ob ich wirklich zu § 766 komme, weil ich ja kein Fehlverhalten habe.

    Von dem Gedanken, dass § 766 ZPO nur bei Fehlverhalten in Betracht kommt, würde ich mich verabschieden. Du kannst Vollstreckungsmaßnahmen treffen, die zum Zeitpunkt des Erlasses absolut in Ordnung sind und bei denen eine Erinnerung dennoch erfolgreich ist. Zum Beispiel, wenn ein PfüB erlassen wird, danach die Insolvenz eröffnet wird und deine Vollstreckung in die Rückschlagsperre fällt.

    Danke für den Hinweis! :thumbup:
    Das war erstmal immer eine meiner ersten Prüfungen.

  • Ist denn der 765a der richtige Weg? Ich meine, klar sind wir für 765a zuständig. Aber es geht letztlich um die Frage der Haft, also um eine Freiheitsentziehung...wäre das dann nicht Richtersache und eben nicht über 765a zu regeln?

    "Just 'cos you got the power, that don't mean you got the right!" ((c) by Mr. Kilmister, passt zum Job)

    "Killed by Death" (ebenfalls (c) by Lemmy, passt eigentlich immer)

  • Ich habe das jetzt über § 765a entschieden. Mein Richter fand nicht, dass er das über § 766 entscheidet.
    Der Vollzug der Haftbefehle ist für vier Monate ausgesetzt.

    Der Gläubiger wurde angehört und ist nicht einverstanden, deswegen erwarte ich ohnehin ein Rechtsmittel.
    (Sonst hätte ich´s vom Schuldner bekommen...)

    Ich halte euch da auf dem Laufenden. ;)

  • Ich habe das jetzt über § 765a entschieden. Mein Richter fand nicht, dass er das über § 766 entscheidet.

    Aus seiner Sicht nachvollziehbar, es spart ihm ja schließlich Arbeit, wenn der Rechtspfleger entscheidet. 8) Hatte denn der RA des Schuldners seinen Antrag entsprechend konkretisiert oder war das bloß die Idee deines Richters?

    Weshalb hast du eigentlich den Vollzug der Haftbefehle für vier Monate ausgesetzt?

    Gehe ich von deiner Aussage im Beitrag #1 aus, wären - sofern eine sittenwidrige Härte vorliegt - m. E. die Haftbefehle aufzuheben gewesen. Das Ziel der Erzwingungshaft ist bei diesem Schuldner schlicht nicht erreichbar. Er wird auch in vier Monaten nicht in der Lage sein, die Vermögensauskunft abzugeben.

    Betrachtet man die hier im Rahmen des § 765a ZPO mögliche Aufhebung des vom Richter erlassenen Haftbefehls durch eine Entscheidung des Rechtspflegers, könnte man zum Ergebnis kommen, dass die Zuständigkeit des Rechtspflegers hier nicht passt.

    Ich meine, wenn Heinz tatsächlich (glaubhaft dargelegt) nicht in der Lage ist, die Auskünfte zu erteilen, hätte eine Verhaftung nicht erfolgen dürfen, weil das Ziel der Erzwingungshaft ohnehin nicht zu erreichen gewesen wäre.

  • @ a141 All


    Moin,

    ich muss da mal sagen: ich vermisse die entsprechende Problemlösung:

    Ja, Heinz weiß nichts- aber: Er ist Geschäftsführer und kann somit alle Erkundigungen einholen, die machbar sind, er kann überall anfragen ob die Firma Vermögen hat (Grundbuchamt, Finanzamt, Bafin, Banken, Versicherungen etc. ) und diese Infos dann an den GV weitergeben.

    Der Fall klingt für mich genauso als würde der mit Vermögenssorge ausgestattete bestellte Betreuer mir sagen, er würde kein Vermögensverzeichnis einreichen, da der Betreute dement ist und ihm keine Angaben macht... Da würde ich auch nicht auf die Zwangsgelder verzichten, denn es geht nicht nur um ein "Ich weiß nicht" sondern vor allem um ein "Ich möchte mich, obwohl ich alle Möglichkeiten habe darum nicht schlau machen". Der Heinz ist meines Erachtens vollkommen zu Recht in Haft gewesen, da er sich -obwohl er von der bevorstehenden Vermögensauskunft wusste- nicht um die Feststellung des Vermögens kümmerte... (Das mit der Verfügung gegen den Bevollmächtigten zähle ich nicht- das das nichts wird dürfte jeder erwartet haben)


    Ich würde als Praxislösung erwägen, dass der Heinz dem Gläubiger eine Vollmacht ausstellt, die diesem ermöglicht Informationen über das Vermögen der Firma zu bekommen (Vollmacht für alle Anfragen bezüglich der vertretenen Firma nach Kontenständen, Grundbucheintragungen etc. ). Dann kann der Gläubiger, der die Firma besser kennen wird als Heinz selbst bei den Banken etc. anfragen und sich die Informationen holen, die Heinz ihm schuldet... Da dürfte der Gläubiger zufrieden sein, denn er bekommt seine Informationen und der Heinz ist seine Sorgen auch los und du hast die Akte vom Tisch. Natürlich ist dies nicht der Sinne einer VA, aber der Verzicht auf weitere Haft und Erzwingung der VA (die, wenn Heinz die Nachforschungen anstellt, mit Sicherheit dürftig wäre) im Tausch gegen eine Auskunftsvollmacht für den Gläubiger sollte das Thema bestmöglich für alle lösen.


    Meinungen?

  • @ a141 All

    Da dürfte der Gläubiger zufrieden sein, denn er bekommt seine Informationen und der Heinz ist seine Sorgen auch los und du hast die Akte vom Tisch. Natürlich ist dies nicht der Sinne einer VA, aber der Verzicht auf weitere Haft und Erzwingung der VA (die, wenn Heinz die Nachforschungen anstellt, mit Sicherheit dürftig wäre) im Tausch gegen eine Auskunftsvollmacht für den Gläubiger sollte das Thema bestmöglich für alle lösen.

    Meinungen?


    Wenn die Beteiligten damit einverstanden sind, könnte man so etwas im Wege eines (Vollstreckungs-) Vergleichs machen.

    Ich als Gläubiger würde mich wahrscheinlich auf so etwas nicht einlassen.

    Die Vollmacht ist ja gut und schön, im Zweifelsfall weiß ich aber gar nicht, wo ich nachfragen soll. Ein ausländisches Bankkonto würde in der Auskunft der BaFin zum Beispiel gar nicht auftauchen. Dasselbe gilt z.B. für KFZs, die im Eigentum der Gesellschaft stehen, aber auf einen Dritten zugelassen sind. Auch sonstige Wertgegenstände oder Forderungen (bei einer Gesellschaft ist es durchaus denkbar, dass diese einzugsfähige Außenstände hat) sind über eine Vollmacht kaum zu ermitteln.

    Gerade bei einer so fragwürdigen Gesellschaft mit Strohmann dürften die Vermögenswerte versteckt sein.

    Irgendwer muss daher die Buchführung und sonstigen Geschäftsunterlagen der Gesellschaft durchsehen und dann die Vermögensauskunft abgeben.

  • Moin Corypheus,

    ja ich weiß- eine Goldrandlösung ist es nicht. Aber wie gesagt, dass Heinz, 80 , Beruf wurde nicht angegeben, mit null Motivation die Sache ordentlich in die Hand nimmt und mehr findet, als der Gläubiger selbst (der ja zumindest irgendeine Geschäftsbeziehung zur Firma hatte, damit schon Personen und Niederlassung kennt und ggf das Konto, auf das er seine Rechnung zahlte) halte ich für unwahrscheinlich. Ich als Gläubiger würde das schon eher selbst mit ner Vollmacht in die Geschäftsbücher gucken wollen, als dies Heinz dem Strohmann mit zweifelhaftem Wissen über das, was ich wissen will, zu überlassen...

    Dass bei so einer Firma mit Strohmann Vollstreckung extrem schwierig werden wird und auch die Suche nach Vermögenswerten (wie du richtig beschrieben hast): keine Frage!

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