• Wie will der nicht deutsch sprechende Vormund mit Behörden usw. klarkommen, wenn es schon an der Sprache scheitert (von der Kenntnis des sozialen Systems usw. mal ganz abgesehen)?


    Gegenfrage: Wenn der Vormund nicht nur Übersetzungsprobleme hätte, sondern sogar taubstumm wäre, sollte man ihn dann von Behördenseite aus auch diskriminieren?

  • Wie will der nicht deutsch sprechende Vormund mit Behörden usw. klarkommen, wenn es schon an der Sprache scheitert (von der Kenntnis des sozialen Systems usw. mal ganz abgesehen)?


    Gegenfrage: Wenn der Vormund nicht nur Übersetzungsprobleme hätte, sondern sogar taubstumm wäre, sollte man ihn dann von Behördenseite aus auch diskriminieren?


    Nein, weil er erst gar nicht die Voraussetzungen des § 1779 Abs. 2 BGB erfüllen würde und daher nicht Vormund wäre.

    Was du populistisch "Diskriminierung" nennst, ist schlichtweg fehlende Eignung.

    Apropos Populismus: Diskriminiere ich einen Blinden wenn ich ihm sage, er könne keine Fußballspiele pfeifen?

  • Populismus hat in seiner heutzutage allgemein üblichen ("populistischen") abwertenden Verwendung entgegen seiner Wortbedeutung ja leider einen schlechteren Ruf als nötig, aber das nur am Rande.
    Platt gesagt würde ich sogar behaupten, dass Blinde selbst über die Eignung zum Richteramt verfügen können. Dem gegenüber wirkt das Vormundsamt fast wie ein rechtliches Weniger. So oder so gilt es aber, Betriebsblindheiten zu vermeiden.

  • Populismus hat in seiner heutzutage allgemein üblichen ("populistischen") abwertenden Verwendung entgegen seiner Wortbedeutung ja leider einen schlechteren Ruf als nötig, aber das nur am Rande.
    Platt gesagt würde ich sogar behaupten, dass Blinde selbst über die Eignung zum Richteramt verfügen können. Dem gegenüber wirkt das Vormundsamt fast wie ein rechtliches Weniger. So oder so gilt es aber, Betriebsblindheiten zu vermeiden.


    Wir haben 2 blinde Richter(innen) an unserem Gericht, was zumindest eine deiner Thesen stützt.

    Im Übrigen lese ich aus deinem Beitrag keinen Bezug zur aktuellen Problematik heraus, denn blind ist etwas anderes als Taubstumm und warum die Nichtbestellung wegen einer Sprachbarriere Diskriminierung sein soll, hast du nach wie vor nicht erläutert.

    Dass im jeden Fall eine Einzelfallprüfung durchgeführt werden muss, brauche ich wohl nicht zu erwähnen.

  • Dass im jeden Fall eine Einzelfallprüfung durchgeführt werden muss, brauche ich wohl nicht zu erwähnen.


    Solange das geschieht, habe ich da auch nicht solche Bauchschmerzen wie dann, wenn per se jeder mit Barrieren welcher Art auch immer aussortiert werden würde. Natürlich sollte eine Barriere auch Anlass sein, die Eignung ergebnisoffen zu problematisieren.

  • Im Übrigen lese ich aus deinem Beitrag keinen Bezug zur aktuellen Problematik heraus, denn blind ist etwas anderes als Taubstumm und warum die Nichtbestellung wegen einer Sprachbarriere Diskriminierung sein soll, hast du nach wie vor nicht erläutert.

    Davon ab muss man ab und zu auch mal den Elfenbeinturm verlassen und der Realität ins Auge sehen, und die lautet nun mal (fast immer) in solchen Fällen: Es! Funktioniert! Nicht!

    "Es ist nicht wahr, dass die kürzeste Linie immer die gerade ist."
    (Gotthold Ephraim Lessing)

  • Der Vormund kann nicht nur mit dem Gericht schlecht bis gar nicht kommunizieren, sondern auch mit Behörden, Ärzten usw. Das Amt auszuüben wird durch die Sprachbarriere nicht gerade leichter.

  • Wir haben hier festgestellt, dass es verschiedene Fälle gibt. In manchen Fällen können die Leute zunächst nicht viel Deutsch, es reicht aber immerhin für eine Unterhaltung. Wenn wir den Eindruck haben, er ist selbst dahinter her und er weiß sich zu helfen und an wen er sich zum Übersetzen etc. wenden kann, dann macht er auch die Vormundschaft mit Ausnahme der asyl- und ausländerrechtlichen Angelegenheiten; für diese wird dann ein RA als Mitvormund ausgewählt.

    Wenn das JA und wir den Eindruck haben, der Vormund in spe wird auch in einem halben Jahr noch nicht recht auf deutsch kommunizieren können und er wird auch nirgends Hilfe abgreifen etc., dann wird er bereits vom JA nicht vorgeschlagen bzw. sein Vorschlag eher negativ beurteilt.

    Bis jetzt klappt das hinreichend gut. Natürlich bekommen wir keine geschliffenen Aufsätze, was die Berichte angeht, aber solange wir uns was darunter vorstellen können ...

    Schauen wir mal, welche Meinung wir in einem halben Jahr haben.

    Juppheidi, juppheida, Erbsen sind zum Zählen da ...

  • Dem kann ich mich nur anschließen. Einige ausländische Vormünder sind echt hinter den Angelegenheiten her und teilweise auch sehr hartnäckig. Einige, die meine Berichtsanfragen nicht verstehen, kommen oft selbst mit dem Mündel im Schlepptau. Dann erstatten mir beide persönlich Bericht (wobei oft die Mündel für die Vormünder dolmetschen) - das ist mir natürlich lieber als irgendein 08/15-Bericht.

    Hier werden Naturalvormünder im Regelfall auch erst bestellt, wenn wichtige Wegmarken geklärt sind, z. B. Asylantrag schon gestellt bzw. Aufenthalt zumindest vorläufig geklärt, gesundheitlich alles dringliche erledigt und Schule organisiert.
    Problematisch sind bei uns eher die Verfahren, die von anderen Gerichten kommen, bei denen die Richter die Vormünder auf Zuruf bestellen und wir dann nach deren Verteilung die Arbeit mit denen haben und bereits den Verpflichtungen hinterherrennen müss(t)en.

    Nebenbei: Inzwischen berichten unsere Profi-Vormünder, das in Bezug auf die Asylverfahren eine Amtsvormundschaft bzw. eine Vereinsvormundschaft idR nachteilig für die Mündel sind: Stellt ein Familienangehöriger als Vormund den Asylantrag, landen sie im Topf der Verfahren für die vergleichsweise zügige Bearbeitung, stellt der Profi den Antrag, landen sie im Topf für die Problemfälle - was zur Folge hat, dass die umF/MuFl noch Monate länger auf ihren Bescheid vom BAMF warten, als ihre volljährigen Landsleute. Ist das bei Euch auch so?

  • Dem kann ich mich nur anschließen. Einige ausländische Vormünder sind echt hinter den Angelegenheiten her und teilweise auch sehr hartnäckig. Einige, die meine Berichtsanfragen nicht verstehen, kommen oft selbst mit dem Mündel im Schlepptau. Dann erstatten mir beide persönlich Bericht (wobei oft die Mündel für die Vormünder dolmetschen) - das ist mir natürlich lieber als irgendein 08/15-Bericht.


    Und du hast dann die Zeit, alles zu protokollieren? :gruebel:

  • Natürlich ist das zeitaufwändig - und manchmal auch nervenraubend. Bevor ich aber monatelang der Einreichung von Berichtsformularen hinterherrenne und von den Behörden evtl. neue Anschriften mühsam erfragen muss, ist es mir lieber, wenn ich beide persönlich in Augenschein nehmen kann und sie mir wichtige Unterlagen zeigen.

    Die Zeit wird dann eben an anderer Stelle eingespart. Es gibt ja auch zahlreiche Vormundschaften mit einem Amtsvormund, in der sich die Überwachungstätigkeit des Rechtspflegers in engen Grenzen hält. Letztlich ist es eine Mischkalkulation. Ich persönlich bin hier der Überzeugung, dass man da als Rechtspfleger etwas offener in seiner Arbeitsweise sein sollte.

    Neben den Familiensachen mache ich hier außerdem noch Rechtsantragsstelle. Da sind auch ständig Leute da, da kommt es auf ein paar Ausländer mehr oder weniger nicht mehr an :cool:. Es ist auch mein Eindruck, dass sich die Leute dann kürzer fassen, wenn sie merken, dass der Flur voll ist.

    Noch haut es einigermaßen hin, momentan tragen wir auch mehr Verfahren ab, als neue reinkommen. Wenn Mutti allerdings wieder im großen Stil einlädt, kann sich das wieder ändern. Wenn dann wieder massenhaft neue umF da sind, werde ich diesen "Service" wohl auch wieder einschränken müssen. Aber in Anbetracht der derzeitigen Häufung von Attacken von Flüchtlingen in Bayern und woanders werden sich die verantwortlichen Politiker wohl etwas mehr überlegen müssen, ob sie wieder jeden ungeprüft reinlassen - aber der letzte Aspekt wäre wohl eigenen thread wert.

  • Nur so viel zum politischen Teil: Ob ich die Leute hereinlasse, ist eine ganz andere Frage als die, ob ich die Leute unregistriert und unkontrolliert hereinlasse. Man sollte diese beiden Aspekte auseinander halten.

    Derzeit braucht aber niemand einzuladen, denn die muFl sprießen gerade wie Pilze aus dem Boden. Kann natürlich auch am schwülwarmen Wetter hier liegen. Der Passauer Bürgermeister funkte kürzlich an die Presse, der Druck über die bekanntlich geschlossene Balkanroute nehme langsam wieder zu. Und ich glaube auch nicht, dass in Libyen und auf dem Mittelmeer Ruhe eingekehrt ist, nur weil man von dort zur Zeit wenig hört, weil in Libyen gerade nur alltägliche troubles herrschen und in Italien im Moment die Banken Vorrang haben.

    Kann also auch passieren, dass dasselbe geschieht wie vor der Grenzöffnung: Weniger, aber mit denen hat man viel mehr Arbeit, weil die Hälfte von ihnen hochgradig traumatisiert ist. So wie die 15jährige, von der das JA irgendwann nach zwei Monaten sagte, jetzt fängt sie langsam an zu reden. Inhalt der ersten Sätze: Als wir in Libyen losgefahren sind, waren die zwei Reihen neben mir noch besetzt. In Italien waren sie dann leer.

    Juppheidi, juppheida, Erbsen sind zum Zählen da ...

  • Bei uns oben in Franken sind noch nicht so viele neue da. Aber ich fürchte auch, dass jetzt über den Sommer und Herbst wieder mehr kommen. Mal schauen, wie es weiter geht.

    Nach dem "Boom" im letzten Jahr taten die letzten Monate einmal gut, um durchzuschnaufen und Überstunden abzubauen. Hier wurde bereits auch schon Personal wieder abgezogen. Hoffentlich kommt das wieder zurück, wenn die Zahlen wieder in die Höhe schnellen.

  • Bei uns in Sachsen haben die enormen Zahlen an Verfahren Ruhen elterliche Sorge und Vormundschaft zu keinerlei sichtbarem Anstieg bei dem Personalbedarf in den Pensenberechnungen geführt, weder bei den Richtern noch bei den Rechtspflegern (und natürlich den Geschäftsstellen, die damit auch Mehrarbeit haben). Das finden wir alle einschließlich der Richter schon "sehr erstaunlich". Aber offenbar hat man wieder einen Trick erfunden, wie man diesen Anstieg möglichst nicht ausweisen muss .... eben das alte Lied. :mad: Wie ich hörte, hat man den Personalbedarf auf Grundlage echter Zahlen zuletzt im August 15 berechnet und dann erst wieder April 16. Somit hat man mal schön die enormen Zahlen der mdj. Flüchtlinge in den Wintermonaten umschifft. Und in diesem Zusammenhang noch gleich was anderes, was sehr "motivierend" ist: Im Dezember 2015 hat das BVerfG (mit einem klaren Zahlenwerk) festgestellt, dass die Besoldung verfassungswidrig ist nach Streichung des Weihnachtsgeldes für die Beamten. Der Freistaat wurde aufgefordert, bis 1.7.2016 eine gesetzliche Regelung zu finden, um dies (rückwirkend) zu ändern. Was ist passsiert: Es hat wohl eine Einigung zwischen Gewerkschaften und Finanzministerium gegeben, auch sollen erste Gespräche im Landtag stattgefunden haben (wobei dort unsere Vertreter schon eigenartigen Fragen ausgesetzt waren), aber mit einer Verabschiedung des Gesetzes ist wohl erst im Oktober zu rechnen. Da dann noch eine Software erstellt werden muss (hätte man längst in Auftrag geben können, denn höchstwahrscheinlich wird alles so kommen, wie bereits vereinbart), ist kaum noch damit zu rechnen, dass es in diesem Jahr noch einen Cent gibt. Soviel dazu, was eine Landesregierung und Abgeordnete vom Bundesverfassungsgericht halten.
    Und eben genauso wird die enorme Mehrbelastung durch die mdj. Flüchtlinge ignoriert - ja "ignorieren" ist in beiden Fällen das richtige Wort.:mad::daumenrun

  • Und in diesem Zusammenhang noch gleich was anderes, was sehr "motivierend" ist: Im Dezember 2015 hat das BVerfG (mit einem klaren Zahlenwerk) festgestellt, dass die Besoldung verfassungswidrig ist nach Streichung des Weihnachtsgeldes für die Beamten. Der Freistaat wurde aufgefordert, bis 1.7.2016 eine gesetzliche Regelung zu finden, um dies (rückwirkend) zu ändern. Was ist passsiert: Es hat wohl eine Einigung zwischen Gewerkschaften und Finanzministerium gegeben, auch sollen erste Gespräche im Landtag stattgefunden haben (wobei dort unsere Vertreter schon eigenartigen Fragen ausgesetzt waren), aber mit einer Verabschiedung des Gesetzes ist wohl erst im Oktober zu rechnen. Da dann noch eine Software erstellt werden muss (hätte man längst in Auftrag geben können, denn höchstwahrscheinlich wird alles so kommen, wie bereits vereinbart), ist kaum noch damit zu rechnen, dass es in diesem Jahr noch einen Cent gibt. Soviel dazu, was eine Landesregierung und Abgeordnete vom Bundesverfassungsgericht halten.

    Das Grundübel dabei ist, daß das alles sanktionslos vor sich geht. Neuregelung bis 1.7. treffen. Und wenn der vorbei ist? Macht nix...

    Aus meiner Sicht sollte es im Rahmen von verfassungswidrigen Normen genauso ein Verbot der geltungserhaltenden Reduktion geben, wie im AGB-Recht. Wenn die Klausel unwirksam ist (hier: Abschaffung Sonderzahlung), gelten die gesetzlichen Vorschriften (die abgeschaffte Regelung) und nicht das, was grade so noch verfassungsgemäß ist...

    §§ 36b II 2, 5 III 1 RPflG: Die vorgelegten Sachen bearbeitet der Rechtspfleger, solange er es für erforderlich hält.

  • Führt ihr in jedem Fall ein Ruhensverfahren durch? In Berlin scheint man zum Teil dazu überzugehen, hierfür ein Rechtsschutzbedürftnis zu verneinen, nachdem im Wege der einstweiligen Anordnung Ergänzungpsflegschaft (für die Personensorge) oder Vormundschaft angeodnet wurde.

    Arbeit dehnt sich in genau dem Maß aus, wie Zeit für ihre Erledigung zur Verfügung steht.

  • Führt ihr in jedem Fall ein Ruhensverfahren durch? In Berlin scheint man zum Teil dazu überzugehen, hierfür ein Rechtsschutzbedürftnis zu verneinen, nachdem im Wege der einstweiligen Anordnung Ergänzungpsflegschaft (für die Personensorge) oder Vormundschaft angeodnet wurde.

    Das verstehe ich nicht so recht. Die Anordnung einer Ergänzungspflegschaft oder Vormundschaft bei grundsätzlich bestehender elterlicher Sorge setzt doch voraus, dass diese zuvor entweder (partiell) entzogen oder ihr Ruhen festgestellt wird (der Fall eines gesetzlichen Vertretungsausschlusses dürfte bei den minderjährigen Flüchtlingen kaum vorkommen).

    "Willst du den Charakter eines Menschen erkennen, so gib ihm Macht." (Abraham Lincoln)

  • Es wird dort von den Richtern eine einstweilige Anordnung erlassen, wenn d. Mdj. ohne Eltern eingereist ist, da besondere Eile bestehe. Die Anordnugn wird dann (ab und an, zum Teil erfolgt keine weitere Anhörung, da diese ja d. Rpfl. im Ruhensverfahren machen könnte) nach Anhörung d. Mdj. bestätigt.

    Arbeit dehnt sich in genau dem Maß aus, wie Zeit für ihre Erledigung zur Verfügung steht.

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