Pflicht zur Verfügung

  • Grundsätzlich müssen Entscheider (ob Richter oder Rechtspfleger) keine Verfügung unter ihre Beschlüsse, etc. setzen. Etwas anderes gilt nur dann, wenn der Entscheider nach MiStra oder MiZi Bestimmungen treffen muss, oder eine Extrawurst braten will. Die Serviceeinheiten sind schließlich mit mittleren Beamten oder gleichwertigen Angestellten besetzt. Die werden nicht nur fürs Akte aufschlagen und Einheften von Papier bezahlt, sondern auch fürs Denken. Ansonsten könnte die Arbeit ja von einem Wachtmeister erledigt werden.

    Entschuldigt bitte meinen Zynismus, aber wenn ich mir z. B. den mittleren Dienst in der Finanzverwaltung (z.B. Steuerprüfung) ansehe, der macht das Gleiche wie der gehobene Dienst und trägt die gleiche Verantwortung, nur die Firmen sind kleiner. Ich will jetzt auch nicht alle Serviceeinheiten schlecht reden, viele arbeiten ordentlich und denken mit. Mir ist aber bei einigen Kollegen aufgefallen, dass sie mit Ablegung der Prüfung vergessen, dass es Gesetzestexte gibt, in denen auch mal nachgesehen werden darf.

    Eine Anmerkung zum Schluss: In den letzten Monaten meiner rechtspflegerischen Verwendung (bin ja jetzt nur noch Verwaltung), habe ich auch nichts mehr verfügt, und das lief ganz problemlos.

  • Bei uns werden großenteils die Verfügungen ebenfalls von den Gschäftsstellen erlassen und nicht von den Richtern/Rpfl.

    Bei diesen Verfügungen handelt es sich regelmäßig um formularmäßige Routineverfügungen. Bei Besonderheiten ist es dem Entscheider unbenommen selbst zu verfügen; ebenso ist es der Geschäftsstelle unbenommen, bei Zweifeln oder Schwierigkeiten die Akte wieder dem Entscheider vorzulegen bzw. zu fragen.
    Das läuft auch ganz gut so. Voraussetzung ist natürlich, dass man miteinander redet und nicht Aktenpingpong spielt.

    Un d schließlich gibt es Verfügungen, die geeignet sind, auf die Geschäftstelle übertragen zu werden (z.b. Bearbeitung einer M-Sache nach Erlass des PfÜB) und solche, die es nicht sind (Barbeitung einer K-Akte nach Anordnung des Verfahrens).

  • Soweit ich in #20 angesprochen wurde, kann ich sagen , dass das Vorverfügen ( speziell im "badischen Rechtsgebiet; ich liebe diesen Begriff:D) für den Richter historisch gewachsen ist.
    Offiziell geregelt ?:gruebel:.
    Nach meiner Kenntnis nicht.
    Wird Zeit , dass sich VIP:) meldet.:D

  • Ich verfüge alles selbst - was aber auch an meiner beruflichen Vergangenheit als mittlerer Beamter auf der Geschäftsstelle (mag den Begriff Serviceeinheit absolut net) zusammenhängt.

    Dafür wird von der Gst im Gegenzug auch mal eine Kleinigkeit erledigt, die sie eigentlich so nicht müsste. Mir ist es wichtig, das ein kollegiales Verhältnis untereinander herrscht, wobei ich mir natürlich auch nicht in meine Entscheidungen reinreden lasse.
    Im Endeffekt sind wir alle Menschen und das zählt,

  • Ich verfüge alles selbst - was aber auch an meiner beruflichen Vergangenheit als mittlerer Beamter auf der Geschäftsstelle (mag den Begriff Serviceeinheit absolut net) zusammenhängt.

    Dafür wird von der Gst im Gegenzug auch mal eine Kleinigkeit erledigt, die sie eigentlich so nicht müsste. Mir ist es wichtig, das ein kollegiales Verhältnis untereinander herrscht, wobei ich mir natürlich auch nicht in meine Entscheidungen reinreden lasse.
    Im Endeffekt sind wir alle Menschen und das zählt,


    Das ist das Entscheidende.

  • Ich stimme SanchoB und Manfred zu. Eine Vfg. hat (in NRW) der Richter/Rechtspfleger nur dann zu machen, wenn dies (wie z. B. für Strafsachen) gesondert (z. B. in der GStO) geregelt ist oder wenn er nett ist.

    Ich bin oft nett. Viele andere auch, aber nicht alle. Vor allem kann, nur weil einige Entscheider mehr machen als sie nach dem Gesetz machen müsste, sich die Geschäftsstelle/Serviveeinheit nicht darauf berufen, dass auch die übrigen Entscheider die nichts verfügen dazu gezwungen werden können, diese freiwillige Leistung zu erbringen.

    Das JEDER an einem vernüftigen Betriebsklima interessiert sein dürfte ist eine Selbstverständlichkeit. Ich kann jedoch keinen Zusammenhang zu der Ausgangsfrage erkennen. Bei uns ist das Klima entweder gut oder schlecht. Aber das ist dann davon völlig unabhängig, ob der Geschäftsstelle alles vorgekaut wird.

    Zur Haftung: Der Richter/Rechtspfleger haftet für das was er verfügt. Verfügt er nichts, weil er auch nichts muss, ist seine Haftung natürlich geringer. Führt die Serviceeinheit jedoch nicht aus, obwohl sie dies auch ohne Verfügung tun müsste, so liegt die Haftung allien bei ihr. Daher würde ich die Einstellung "wenn der nix verfügt mache ich auch nix" in NRW gut überlegen.

    "Der Staat ist vom kühlen, aber zuverlässigen Wächter zur Amme geworden. Dafür erdrückt er die Gesellschaft mit seiner zärtlichen Zuwendung."

  • Ich glaube, unsere Geschäftsstellen hätten das Gefühl, dass die Richter ihnen nichts zutrauen, wenn die Richter verfügen würden, wer was bekommt... Ich denke, das ist bei den Urkundsbeamten und Justizfachangestellten ein wichtiger Teil der Ausbildung, damit kommen die klar.

    In BW ist es üblich, dass Richter nichts verfügen (ich glaube, durch Forum Star ändert sich das jetzt), Rechtspfleger aber müssen verfügen. ;)

    Zu Steinkauz' Begriff "Vorverfügen", das Wort kenne ich nicht. Mir fällt dazu ein, dass wenn ein Richter im Urlaub ist, die Geschäftsstelle für den Vertreter oft schon mal eine Verfügung vorbereitet - meinst Du das?


    _________________________________________________________________________________



    Alles hat einmal ein Ende.

    Sogar der Montag! :S

  • Ich schreibe meine Beschlüsse usw selbst am PC, von daher ist es mit sehr wenig Aufwand verbunden, da noch die Verfügung drunter zu hängen.

    Bin grundsätzlich etwas überrascht, da ich während meiner ganzen Justizlaufbahn es nie anderst gekannt habe, daß der Sachbearbeiter, egal ob Richter, Staatsanwalt oder Rechtspfleger die Verfügung macht.

  • Ich verstehe die Aufregung nicht. :gruebel: Gemäß § 168 Abs.1 Satz 1 ZPO führt die Geschäftsstelle die Zustellung aus. Von Verfügung steht da nichts, jedenfalls nicht im ersten Absatz. Was den Beschluss angeht, muss der Richter tatsächlich nichts verfügen. Fraglich bleibt allenfalls, was denn danach mit der Akte passieren soll. Wenn es sich um einen verfahrensbeendenden Beschluss handelt, halte ich das aber grundsätzlich auch für unproblematisch.

  • Ich verstehe die Aufregung nicht. :gruebel:


    Es ist m. E. ein emotionsgeladenes Thema, weil es bei diesem Thema vielen nur am Rande um konkrete rechtliche Fragen geht, sondern eher um kollegiales Miteinander, was ja auch richtig und wichtig ist.
    Hinzu kommt, dass es in der Justiz oft an kollegialer Streitkultur fehlt. Da wird dann schnell der Personalrat angefleht, bei der Verwaltung auf den Tisch gehauen und an den Corpsgeist appelliert.
    Manche Kollegen werden im Zuge solcher Prozesse auch krank.
    Man hat also zwar schnell die Situation, dass man dazu gedrängt werden soll, seine als unmenschelnd mißverstandenen Ansichten rechtfertigen zu müssen. Das ist hier in der Diskussion also nicht weiter schlimm, denn genau dass passiert bei solchen Problemen "in echt" ja auch. Man ahnt deswegen sofort, worauf man sich einläßt.
    Und weil wir ja möchten, dass alle gesund bleiben, um in kollegialem Klima freudig ihr Tagewerk zu verrichten, ist ein spezielles Augenmerk darauf, dass es gerade bei Umverteilungen möglichst unaufgeregt zugeht, besonders wichtig.
    Herzlichst
    Euer Pastor Fliege

    Einmal editiert, zuletzt von SanchoB (21. Dezember 2009 um 15:01)

  • Hi, ich kenne es auch so, dass grundsätzlich keine Verfügung gefertigt werden muss.
    Allerdings ist eine Verfügung z.B. dann zu fertigen, wenn ich eine bestimme Wiedervorlagefrist wünsche (z.B. in Zivilsachen nach § 120 IV ZPO). Verfüge ich nichts, weiß die Geschäftsstelle wem was wie zuzustellen ist und kann dann davon ausgehen, dass nichts Weiteres zu erledigen ist und kann die Akte weglegen. Insoweit wie #21.

  • Es entspricht guter Tradition, dass der Entscheider auch verfügt, was mit der Entscheidung zu passieren hat. Ich halte dies für selbstverständlich und ich kenne es auch nicht anders, ganz gleich, ob es um Richter- oder um Rechtspflegerentscheidungen geht. Die Diskussion darüber, ob man zu einer Verfügung "verpflichtet" ist, halte ich für völlig verfehlt.

  • Für verfehlt halte ich die Diskussion in keinem Fall.

    M. E. gilt immer noch der Grundsatz: "Jeder macht seins" Und wenn nunmal nirgends steht, dass ein Rechtspfleger/Richter eine Verfügung machen muss, dann ist halt nicht "seins" oder das "seins" der Geschäftsstelle/Serviceeinheit. Schöner Nebeneffekt: Auf der Geschäftsstelle muss/darf dann auch mal gedacht werden und die Geschäftsstelle verkommt nicht zu einem Büro an deren Eingangstür das Denken einzustellen wäre und nur noch Fristen gezogen und Vfg`en stupide abgearbeitet werden.

    Nicht das wir uns falsch verstehen: Ich mache auch regelmäßig Verfügungen und ich würde behaupten, dass man kaum geschäftsstellenfreundlicher als ich arbeiten kann, aber die Geschäftsstellen wissen hier ganz genau was die daran haben und dass das nicht als Selbstverständlichkeit hinzunehmen ist was eigentlich eine freiwillige Zusatzarbeit darstellt.

    "Der Staat ist vom kühlen, aber zuverlässigen Wächter zur Amme geworden. Dafür erdrückt er die Gesellschaft mit seiner zärtlichen Zuwendung."

  • Darüber kann man mit guten Gründen (Betriebsklima/Krankenstand/unnötige Aufsplitterung zusammengehörender Arbeitsabläufe) geteilter Meinung sein, zmal es in den Ländern offenbar unterschiedliche rechtliche Rahmen gibt.
    Rechtlich ist die Diskussion ohnehin schnell beendet und es stellt sich dann individuell eigentlich nur die Frage, ob man alte Zöpfe mag oder lieber abschneidet. Über Geschmack läßt sich ja bekanntlich nicht streiten, zumal wenn die Geschmacksträger unabhängige Organe der Rechtspflege sind.

    Der Geschmack vernünftiger, nicht nur, aber auch in betriebswirtschaftlichen Maßstäben denkender Verwaltungen kann m. E. aber nur der sein, nach und nach dafür zu sorgen, dass teure und überlastete Entscheider sich auf ihre Kernaufgaben konzentrieren.
    Man setzt sich ja auch nicht dafür ein, dass Richter und Rechtspfleger weiterhin das Vorhandensein des digitalen Zeitalters leugnen und Urteile oder Eintragungsverfügungen in Deutscher Schrift pinseln.

  • Da stellt sich mir die Frage, was betriebswirtschaftlich sinnvoller ist:

    1. Der mit der Sache durch und durch vertraute Entscheider verfügt binnen Minutenfrist, was von der Geschäftsstelle etc. noch zu tun ist, oder
    2. letztere liest sich mehr oder weniger intensiv und mühsam in den Vorgang ein, um auch ja nichts zu übersehen...

  • Ich glaube, dass ist von Bundesland zu Bundesland unterschiedlich. Ich kenne das hier gar nicht anders, dass verfügt wird. Ich habe auch in unseren Verwaltungsvorschriften nachgelesen, da steht darüber nichts. In der GOV sind hier die Tätigkeitsbereiche der Serviceeinheiten genau nomiert und da steht nichts von verfügen.

    Und zum Thema: Über die ZU entscheidet die Geschäftsstelle selbstständig. Das ist richtig. Aber meiner Ansicht muss der Richter erst mal vfg., dass überhaupt zugestellt werden muss. Bei mir sieht das dann so aus: Beschlussausfertigung an a) Bet. zu 1, zustellen, Bet. zu 2, formlos. Die Geschäftsstelle entscheidet dann, wie sie zustelle (EB, ZU ...)

    Lasst ja die Kinder viel lachen, sonst werden sie böse im Alter. Kinder, die viel lachen, kämpfen auf der Seite der Engel.
    Hrabanus Maurus


    Nach manchen Gesprächen mit einem Menschen hat man das Verlangen, eine Katze zu streicheln, einem Affen zuzunicken oder vor einem Elefanten den Hut zu ziehen.
    Maxim Gorki



  • Ich möchte meinen Geschäftsstellen das Denken nicht absprechen, nur weil ich beispielsweise alles verfüge. Wie oft kam schon jemand zu mir und meinte, ob es nicht besser so oder so wäre. Und recht hatten sie. Insofern finde ich die Annahme, dass die Geschäftsstelle das Denken einstellen kann, wenn alles verfügt wird, etwas gewagt ;)

    "Es ist nicht möglich, den Tod eines Steuerpflichtigen als dauernde Berufsunfähigkeit im Sinne von § 16 Abs. 1 Satz 3 EStG zu werten und demgemäß den erhöhten Freibetrag abzuziehen." (Bundessteuerblatt) :D

  • Mich interessiert da nur folgendes:
    Wird die Maxime "Verfügungen sind Sache der Geschäftsstelle" in allen Abteilungen durchgezogen ?
    Oder ist es nicht auch eher die Frage:


    Un d schließlich gibt es Verfügungen, die geeignet sind, auf die Geschäftstelle übertragen zu werden (z.b. Bearbeitung einer M-Sache nach Erlass des PfÜB) und solche, die es nicht sind (Barbeitung einer K-Akte nach Anordnung des Verfahrens).



    Möcht ich sehen, wie unsere GS von vorn bis hinten alle Verfügungen ihres Sachgebiets drauf haben.
    Das hat nicht mal jeder (neue) Rpfl.

  • Es entspricht guter Tradition, dass der Entscheider auch verfügt, was mit der Entscheidung zu passieren hat. Ich halte dies für selbstverständlich und ich kenne es auch nicht anders, ganz gleich, ob es um Richter- oder um Rechtspflegerentscheidungen geht. Die Diskussion darüber, ob man zu einer Verfügung "verpflichtet" ist, halte ich für völlig verfehlt.



    :daumenrau Ganz meine Meinung.

    Mich würde aber noch interessieren, woraus sich die angebliche rechtliche Klarheit ergibt, dass die Geschäftsstelle die Verfügung selbständig fertigen und ausführen muss? Ich finde, außer der substanzlosen Behauptung, nichts von dem Befürwortern.

    Wir halten fest: Im Prozessrecht ist der Begriff mehrdeutig bestimmt. Im Allgemeinen bezeichnet eine Verfügung die Arbeitsanweisung des Richters, Rechtspflegers oder eines Sachbearbeiters des Gerichts (beispielsweise eines Kostenbeamten) an den nachgeordneten Bereich. Mit der Verfügung werden unter anderem Anordnungen zur Prozess- oder Verfahrensleitung getroffen.

    Es ist immer besser, die Figuren des Gegners zu opfern.

    Savielly Tartakover

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