Eilbedürftigkeit bei seit mehreren Jahren defekten Heizungsanlage

  • Hallo zusammen,

    bei mir hat sich für morgen eine Familie mit Migrationshintergrund nebst ehrenamtlicher Flüchtlingshilfe zur Protokollierung einer EA angemeldet.

    Die Flüchtlingshelferin trug am Telefon vor:

    Die Familie wohnt seit 3 Jahren in Deutschland und angeblich ist genauso lange die Heizungsanlage des Mietshauses defekt. Angeblich geht sie mal und dann mal wieder nicht…

    Die Familie hat bisher wohl nichts unternommen und sitzt in dicken Jacken in der Wohnung. Warmes Wasser gibt es angeblich auch nicht.

    Nun engagiert sich seit Kurzem diese Flüchtlingshelferin und will diese Missstände angehen.

    Habe ich hier nach 3 Jahren hingenommener Beeinträchtigung der Mietsache noch eine Eilbedürftigkeit?

    Dass es ab Mitte/Ende November hier in Deutschland kalt wird, sollte sich herumgesprochen haben.

    Liebe Grüße

    Nefili

  • Mal ganz zurück zum Start: Ob da noch Eilbedürftigkeit ist, ist eine Frage für den Sachrichter, nicht für die Protokollierung.

    Und bei den Mängeln muss man im Grundsatz unterscheiden: Einmaliger Eintritt, einmalige Wirkung - einmaliger Eintritt, dauerhafte Wirkung.

    Geht der Spiegel über dem Waschbecken kaputt und ich lasse Jahre vergehen, bevor ich es dem Vermieter melde, dann ist es keine Eilsache mehr (ist es mangels Bedeutung wohl tatsächlich nie, aber das ist eine andere Frage). Geht die Heizung kaputt und liefert deswegen jeden Tag keine Wärme mehr, dann geht da schon noch was. Die Rechte, die dem Mieter bei später Anzeige genommen werden, sind im Kern die in die in die Vergangenheit gerichteten Rechte der Mietminderung, des Schadensersatzes und eben die Selbsthilfe. Aber das Recht auf eine warme Wohnung morgen ist davon nicht betroffen.

    Mit freundlichen Grüßen

    AndreasH

  • Hallo Andreas,

    ganz herzlichen Dank für Deine Einschätzung!

    Bei uns im Amtsgericht wird tatsächlich von der Rast erwartet, die Eilbedürftigkeit einzuschätzen.

    Wenn die Rechtspfleger eine EA protokollieren und der Richter sieht das dann anders, gibt es einen „Rüffel“ und eine Ansage von der Verwaltung, weil ja dann eventuell ein Richter länger bleiben oder reinkommen muss sowie Personal vorgehalten wird, das nicht gebraucht wird.

    Liebe Grüße

    Nefili

  • Damit werden eindeutig Kompetenzen überschritten. Welcher Antrag gestellt wird entscheidet immer noch alleine der Antragsteller bzw. Kläger. Die Aufgabe der Person, die diese Erklärung zur Niederschrift aufnimmt (egal, ob Geschäftsstelle oder Rpfl) besteht lediglich darin auf sachdienliche Anträge hinzuwirken, indem Hinweise erteilt werden. Wenn der zunächst erfolgte Vortrag "etwas dünn" ist, muss man versuchen durch Nachfragen einen detaillierteren Vortrag zu erwirken.

    Wenn ein Antragsteller bzw. Kläger darauf besteht Schwachsinn zu beantragen, dann muss man das auch zur Niederschrift aufnehmen. Ich würde dann aber auch immer die erteilten Hinweise zum Inhalt der Niederschrift machen.

    Im Übrigen sollte man eure Verwaltung mal auf den § 9 RpflG hinweisen. Nachdem die Aufnahme von Eklärungen zur Niederschrift teilweise in die Zuständigkeit des Rechtspflegers fällt (§ 24 RpflG), ist der Rechtspfleger dabei auch sachlich unabhängig.

    "Auf hoher See und vor Gericht UND IN DER KLAUSUR ist man in Gottes Hand."
    Zitat Josef Dörndorfer

  • ... und der Richter sieht das dann anders, gibt es einen „Rüffel“ und eine Ansage von der Verwaltung...

    Da hätten Verwaltung und Richter aber ihren Spaß mit mir... 8)

    Seine Entscheidung soll ich aber nicht unterschriftsreif vorfertigen?

    "Just 'cos you got the power, that don't mean you got the right!" ((c) by Mr. Kilmister, passt zum Job)

    "Killed by Death" (ebenfalls (c) by Lemmy, passt eigentlich immer)

  • Das halte (auch) ich für rechtswidrig. Als Richter weiß man im Übrigen meist recht schnell, ob aus einem EV-Antrag bei genauer Lektüre etwas werden kann oder nicht. Natürlich muss man dafür lesen: Einmal überfliegen, einmal gründlich lesen, einmal ausarbeitend lesen. Dass man dafür da oder verfügbar sein muss, stimmt natürlich.

    Mit freundlichen Grüßen

    AndreasH

  • Ich finde das fürchterlich ärgerlich!

    solche Fehlerwartungen, die von einflussreichen und "wichtig(eren)" Akteuren an eine bestimmte Rolle geknüpft werden und deren Nichterfüllung dann von den Akteuren (und ihrer Interessenvertretung) mit Unverständnis, Zorn und auch (mittelbaren) Sanktionen begegnet wird

    (anderes Beispiel sind Insolvenzgerichte in denen Rechtspfleger den Richtern die Eröffnungen unterschriftsreif vorbereiten)

    Es ist schwierig, sich auch von solchen Erwartungen abzugrenzen, sich da entgegen zu stellen und kann leider auch dazu führen, dass man berufliche Nachteilen ausgesetzt wird- das ist leider ein Teil der Lebensrealität

    Was kann man machen?

    Vielleicht der Personalrat?

    Vielleicht mal (über oder mittels des Personalrats?) fragen, ob diese Erwartungen einfach mal verschriftlicht werden können (was sicherlich nicht geschehen wird)

    Letztlich halte ich das schon für einen ziemlichen Missstand an dem man arbeiten sollte

    Was dir vielleicht ein bisschen Rückenwind geben könnte: dein Gericht stellt mit dieser Handhabe längst nicht die "schweigende Mehrheit" dar, sondern geht eher einen anachronistisch anmutenden Sonderweg

    Ich kaufe ein "I" und möchte lösen! -BOCKWURST-


    Wenn ich sterbe, sollen meine Überreste in Disneyland verstreut werden.
    Außerdem möchte ich nicht verbrannt werden.

  • da würd ich schon aus Prinzip alles protokollieren (ausser natürlich Beleidigungen etc. ) Sollen sie doch meckern. RAST ist die Protokollierung und kein Filterung

    So ist das aber auch nicht ganz richtig!

    Natürlich -und das dürfte grundsätzlich unstreitig sein- muss, kann und darf der Rechtspfleger auf der RAST keine Entscheidung über den geltend gemachten Anspruch fällen, indem er sich weigert, eine Klage bzw. einen Antrag zu protokollieren, wenn der Antragsteller darauf besteht. Es ist allerdings m.E. sehr wohl Aufgabe der RAST, den Antragsteller auf eine eventuelle Unzulässigkeit oder auch Unbegründetheit seines Anliegens hinzuweisen. Will er dann jedoch trotz dieses Hinweises seinen Antrag stellen, ist er zu protokollieren (und falls dann der zuständige Richter derselben Meinung ist wie die RAST, durch diesen kostenpflichtig zurückzuweisen)!

  • Zitat

    Als Richter weiß man im Übrigen meist recht schnell, ob aus einem EV-Antrag bei genauer Lektüre etwas werden kann oder nicht. Natürlich muss man dafür lesen: Einmal überfliegen, einmal gründlich lesen, einmal ausarbeitend lesen.

    Oft ergibt sich aber erst bei der Protokollierung wie man die Sache einschätzen muss, weil erst dann die ganzen Details erfragt und ausformuliert werden.

    Aus: "Es ist ganz dringend die Heizung funktioniert nicht und es ist kalt.", wird dann durchaus ein: "Die Heizung funktioniert schon seit Monaten nicht, aber es stört mich eigentlich erst jetzt, wo es Herbst wird.". Oder aus: "Mein ehemaliger Mitarbeiter droht mir." wird, "Er hat zu mir gesagt, dass er mich mit einem Messer abstechen wird.".

    "Auf hoher See und vor Gericht UND IN DER KLAUSUR ist man in Gottes Hand."
    Zitat Josef Dörndorfer

  • Aufgabe der RAST, den Antragsteller auf eine eventuelle Unzulässigkeit oder auch Unbegründetheit seines Anliegens hinzuweisen

    soweit es nicht in die Rechtsberatung abdriftet und der AS kein Totschlagargument ( Hat mein Anwalt gesagt, steht so im Internet, hab ich in der Zeitung gelesen / im Fernsehen gesehen ) bringt. Bei einem Totschlagargument nehme ich auf und diskutier nicht mehr

  • Das ist eine ganz leidige Diskussion. Wo fängt "auf sachdienliche Anträge hinwirken" an und wo hört Rechtsberatung auf?

    Das geht bei uns von: "Ich nehme nur das auf was sie mir sagen!" bis eben sachdienliche Anträge mit Grenzüberschreitung zur Rechtsberatung, vom Wegschicken in der RAST, kostenpflichtiger Abweisung sinnloser Anträge bis zur Aufnahme von EVs/Anträgen die dann auch durchgehen. Je nachdem an wen der Antragsteller gerät hat er entweder Pech oder manchmal Glück.

    Schon bei der Prüfung der Zuständigkeit des anzurufenden Gerichts ist der normale Antragsteller doch oft überfordert. Ich würde mir so wünschen dass man das mal sauber irgendwie diskutieren könnte, aber es hängt wie überall von den handelnden Akteuren ab. Die RAST ist ja sowieso meist das unbeliebteste und am wenigsten geschätzte Gebiet im Gericht.

    Das mit dem "Rüffel" von allmächtigen, mit Herrn Direktor gut stehenden Richtern kenne ich aus meiner Rechtspflegerjugend (lange her) auch, heute würde das niemand mehr mit mir machen. ;)

  • Zitat

    Als Richter weiß man im Übrigen meist recht schnell, ob aus einem EV-Antrag bei genauer Lektüre etwas werden kann oder nicht. Natürlich muss man dafür lesen: Einmal überfliegen, einmal gründlich lesen, einmal ausarbeitend lesen.

    Oft ergibt sich aber erst bei der Protokollierung wie man die Sache einschätzen muss, weil erst dann die ganzen Details erfragt und ausformuliert werden.

    :/ AndreasH hat doch aus seiner Sicht als Richter geschrieben, dem der protokollierte Antrag zur Entscheidung vorliegt.

  • Zitat

    Als Richter weiß man im Übrigen meist recht schnell, ob aus einem EV-Antrag bei genauer Lektüre etwas werden kann oder nicht. Natürlich muss man dafür lesen: Einmal überfliegen, einmal gründlich lesen, einmal ausarbeitend lesen.

    Oft ergibt sich aber erst bei der Protokollierung wie man die Sache einschätzen muss, weil erst dann die ganzen Details erfragt und ausformuliert werden.

    :/ AndreasH hat doch aus seiner Sicht als Richter geschrieben, dem der protokollierte Antrag zur Entscheidung vorliegt.

    Ich wollte nur darauf hinweisen, dass das das Ergebnis unserer Arbeit bei der Aufnahme der Niederschrift ist und wir das nicht schon vor der Niederschrift hätten ahnen können, wie es wohl von dem Threadstarter erwartet wird.

    "Auf hoher See und vor Gericht UND IN DER KLAUSUR ist man in Gottes Hand."
    Zitat Josef Dörndorfer

  • Bei uns geht es leider so weit, dass Richter die Termine kritisieren („Ging das nicht früher, ich muss meine Tochter 15 Uhr zum Klavierunterricht bringen?!“ - „Nein, ich hatte einen Zwangsversteigerungstermin.“) oder in die Antragsaufnahme platzen und fragen, wie lange es noch dauert.

    Meine bisherige selbstbewusste Abgrenzung brachte mir ein noch nicht entschiedenes Verwaltungsstreitverfahren bzgl. meiner letzten Beurteilung ein. :mad:

  • oder in die Antragsaufnahme platzen und fragen, wie lange es noch dauert.

    Also unsere Richter wollen logischerweise bei Anträgen auf einstweilige Anordnugen oder einstweilige Verfügungen immer gleich in der Niederschrift alle für die Entscheidung maßgeblichen Informationen haben.

    Wenn es mal tatsächlich wegen irgendwelcher Termine seitens der Richter knapp wurde, haben die bei uns kurz angerufen und gefragt, ob sich schon absehen lässt, wann die Niederschrift fertig wird. Wenn es noch länger gedauert hat, musste dann halt der Vertreter des jeweiligen Richters ran. Der hat dann anhand der Niederschrift entschieden, ob es so eilbedürftig ist, dass er sofort entscheidet oder, ob er die Akte dem eigentlich zuständigen Richter bis zum nächsten Tag liegen lässt.

    "Auf hoher See und vor Gericht UND IN DER KLAUSUR ist man in Gottes Hand."
    Zitat Josef Dörndorfer

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