Auslegung Ehegatten Testament

  • Ich bin absoluter Nachlassneuling ud brauche Hilfe...

    Mir liegt folgendes handschriftliches Schriftstück vor:

    "Testament

    Wir setzen unsere Tochter, Frau X geboren am... zur Alleinerbin ein. Ort, Datum Unterschrift beider Ehegatten"

    Die Ehefrau ist verstorben, Ehemann und Tochter stellen nun einen Erbscheinsantrag, der den Mann als Alleinerben ausweisen soll. Begründet wird dies wie folgt: "Wir legen übereinstimmend das gemeinschaftliche Testament dahingehend aus, dass wegen der ersten Worte "Wir setzen" eine wechselseitige Erbeinsetzung der Eheleute gemeint ist, mit Einsetzung de gemeinsamen Tochter als Schlusserbin des Längerlebenden. Aufgrund dessen bin ich, Ehemann, unbeschränkter Alleinerbe."

    Wie seht ihr das bezüglich der Andeutungstheorie? Selbst wenn die Tochter nur Schlusserbin des Längerlebenden sein sollte, würde dann nicht gesetzliche Erbfolge greifen?

    Ich bin unschlüssig, ob ich den Erbschein so erteilen kann. Wie seht ihr das?

  • Die Tochter scheint mit dem Erbschein uneingeschränkt einverstanden zu sein.

    Gibt es denn noch weitere gesetzliche Erben (Kinder)?

    Die Formulierung ist natürlich äußerst unglücklich und laienhaft.

    Aber ich finde, die Auslegung kann man noch hören. Und wenn die Tochter (und eventuelle weitere ges. Erben) ausdrücklich einverstanden ist, hätte ich keine Bauchschmerzen, den Erbschein antragsgemäß zu erteilen.

  • Das der Wortlaut "Wir setzen" als eine gegenseitige Erbeinsetzung der Ehegatten zu verstehen ist, halte ich lediglich für einen (erfolglosen) Rettungsversuch. Die Ehegatten sind schlicht, wie so oft, davon ausgegangen, dass der überlebende "automatisch" alles erhält, also gesetzlicher Alleinerbe wäre. Nun beim Sterbefall gab es eine wie auch immer geartete Beratung und die Fehlvorstellung kam ans Licht. Bei Errichtung des Testaments fehlte es daher an jeglichem Testierwillen in der Weise, dass eine gegenseitige Alleinerbeinsetzung zu Papier gebracht werden sollte. Im Wege der Auslegung (Andeutungstheorie, Füllen einer Lücke, was auch immer) sehe ich keine Chance den eigentlichen Wunsch der Beteiligten zu erfüllen. Es fehlt m.E. an allem, an dem Testierwillen, an der Form, an einer Andeutung.

    Zum Zeitpunkt der Errichtung (und nur auf diesen Zeitpunkt kommt es an) wollten die Beteiligten, aufgrund der Fehlvorstellung, zu Papier bringen, wer Erbe werden soll bei gleichzeitigem Versterben, oder wenn der Überlebende stirbt; hierfür steht m.E. das "Wir".

    Vielleicht wollte die Ehefrau sogar auch, dass die Tochter auch Alleinerbin des erststerbenden Elternteils sein soll. Der Wortlaut des Testaments gibt m.E. für diese Auslegung sogar mehr her als für die gegenseitige Alleinerbeinsetzung.

  • :dafuer:Hätte hier auch ein Problem, aus der Formulierung "Wir" die vergessene ggs. Erbeinsetzung herauszulesen.

    Hatte im letzten Jahr ein ähnliches Testament , da war es auch tatsächlich gewollt, dass das Kind Alleinerbe jeweils nach beiden Elternteilen war (machte wg. des Vermögens auch Sinn, dass sich nicht alles zunächst bei dem überlebenden Ehegatten vereinigte). Wäre nach dem Wortlaut hier auch mein erster Gedanke.

  • Zu dieser "Andeutungsfrage" gibt es endlose Rechtsprechung und es hängt sehr viel von den jeweiligen Formulierungen ab.

    Entsprechende Erläuterungen und Rechtsprechungshinweise finden sich z. B. bei Bestelmeyer Rpfleger 2020, 626, 630 (Fn. 56), Rpfleger 2021, 616, 619/620 (Fn. 48) und Rpfleger 2023, 634, 639 (Fn. 60, 61).

  • Wir haben drei Fragen:

    1. eine Formfrage: Es soll jede noch so kleine Andeutung genügen, also wäre die Auslegung der gegenseitigen Erbeinsetzung wohl noch angedeutet.

    2. eine Auslegungsfrage: Ist die Auslegung der gegenseitigen Erbeinsetzung möglich? Wir gehen vom Wortlaut aus. Die Auslegung ist aus meiner Sicht fernliegender als eine Einsetzung der Tochter, aber doch noch möglich.

    3. eine ungeklärte Rechtsfrage über den Testamentsauslegungsvertrag: Ist ein Testamentsauslegungsvertrag für das Gericht bindend? Dafür spricht BGH vom 22.01.1986 - IVa ZR 90/84. Von interessierten Kreisen wird immer wieder behauptet, dass dafür eine notarielle Beurkundung erforderlich sei. Eine Stütze im Gesetz findet diese Ansicht nicht. Notfalls kann die Einigung aber auch beurkundet werden, wenn es darauf ankäme. Gerichte weigern sich auf der anderen Seite immer wieder, an etwas gebunden zu sein. Das Argument lautet, dass die Erben natürlich nicht selbst über die Erbfolge bestimmen können (sondern lieber das Gericht ...). Die Einigkeit der Beteiligten dürfte bindend sein, wenn das Auslegungsergebnis möglich ist.

  • Ein Testamentsauslegungsvertrag bedarf nach § 2385 Abs. 1 BGB i.V.m. § 2371 BGB der notariellen Beurkundung. Ein solcher Vertrag ist wegen der fehlenden Dispositionsmöglichkeit der Beteiligten im Hinblick auf die eingetretene Erbfolge für das NachlG nicht bindend, sondern er verpflichtet die Beteiligten - falls das NachlG der besagten Auslegung nicht folgt - lediglich schuldrechtlich, sich so zu stellen, als sei das "vereinbarte" Auslegungsergebnis zutreffend. Alleine in einem gemeinsam gestellten notariellen Erbscheinsantrag kann noch kein Auslegungsvertrag erblickt werden (und erst recht nicht, wenn - wie vorliegend - nur eine Partei den Erbscheinsantrag stellt und die "nichterbende" Partei hiergegen lediglich keine Einwendungen erhebt).

    Zu allem vgl. Grüneberg/Weidlich § 2353 Rn. 57 und § 2385 Rn. 2 jeweils m. w. N.

  • 1. eine Formfrage: Es soll jede noch so kleine Andeutung genügen, also wäre die Auslegung der gegenseitigen Erbeinsetzung wohl noch angedeutet.

    Worin soll hier deiner Meinung nach die Andeutung liegen? Sehe ich in dem fraglichen Einzeiler persönlich überhaupt nicht, vgl. #3.

    In den Worten "Wir setzen unsere Tochter zur Alleinerbin ein" (darin enthalten sei die Vorstellung, das Kind solle nur einmal - und nicht nach jedem Elternteil einmal = insgesamt zweimal - erben, weil nach der Vorstellung der Testatoren die Erbeinsetzung des Überlebenden durch den Erstversterbenden quasi vorausgesetzt wird).

    Die Ehefrau ist verstorben, Ehemann und Tochter stellen nun einen Erbscheinsantrag, der den Mann als Alleinerben ausweisen soll.

    (und erst recht nicht, wenn - wie vorliegend - nur eine Partei den Erbscheinsantrag stellt und die "nichterbende" Partei hiergegen lediglich keine Einwendungen erhebt).

    Beide haben den Antrag gestellt, offenbar auch in Urkundsform.

    "Allen ist alles egal, außer der Handyvertrag" - Kraftklub

  • Man kann schlecht einen Erbscheinsantrag stellen, wenn man sich überhaupt nicht als Erbe betrachtet. Auch wissen wir nicht, ob der Erbscheinsantrag vom Notar stammt oder ob er beim NachlG protokolliert wurde.

    Die Problematik des Auslegungsvertrags spielt aber hier so oder so keine Rolle, weil ein solcher nicht ersichtlich ist. Es wird eben ein Erbscheinsantrag gestellt, gegen welchen derjenige, der erbrechtlich übergangen werden könnte, keine Einwendungen erhebt. Das Übliche eben.

  • Ein Testamentsauslegungsvertrag ist kein Erbschaftskauf und daher sind die von Cromwell genannten Vorschriften nicht anwendbar, auch wenn die Notare das gern so hätten.

    Wenn die Einigung zwischen Vater und Tochter nicht genügen sollte - was ich bezweifle - können sie das nachholen, da sie sich einig sind.

  • Die Formbedürftigkeit des Auslegungsvertrags entspricht einhelliger Rechtsprechung (vgl. die Nachweise bei Grüneberg/Weidlich § 2385 Rn. 2). Es ist also ohne Belang, ob dies die Notare gerne so hätten, ganz abgesehen, dass sie davon gar nichts haben, denn dazu sind diese Fälle viel zu selten.

  • Bei:

    "Testament

    Wir setzen unsere Tochter, Frau X geboren am... zur Alleinerbin ein. Ort, Datum Unterschrift beider Ehegatten"

    Entschuldigt, da kann ich beim besten Willen keine Erbeinsetzung des Ehemannes als Alleinerben sehen.

    Es ist hier genau so umsetzbar wie geschrieben: Tochter wird Alleinerbin nach der Ehefrau und Tochter wird auch Alleinerbin nach dem Ehemann.

    Eine Lücke, um auszulegen, sehe ich nicht.

    Wer kein Testament schreiben kann, möge zu einem Notar gehen oder sich schlau machen wie es zu formulieren wäre- ist ja nicht so, dass dieses Wissen geheim ist...

    Hier ist meines Erachtens nichts auszulegen, eher könnte man hier auf die Idee kommen das wäre genau so gewollt gewesen und nun kommt der Tod ggf. viel früher als erwartet oder der Tochter ist das nun doch zu früh (mit z.B einem Haus, falls ein solches zum Erbe gehört) und daher hätte man es jetzt halt gern anders...

    Natürlich kann es auch wirklich der Wille der Eltern gewesen sein, sich gegenseitig einzusetzen. Aber wer sich unbedingt das Geld für den Notar sparen möchte und nicht mal im Internet recherchiert - der muss halt dann mit seinem verfassten Testament leben. Der Schaden wird so groß nicht sein: Nichts hindert die Tochter das Erbe anschließend dem Vater zu schenken oder ihn das Erbe nutzen zu lassen...

  • 1. eine Formfrage: Es soll jede noch so kleine Andeutung genügen, also wäre die Auslegung der gegenseitigen Erbeinsetzung wohl noch angedeutet.

    Worin soll hier deiner Meinung nach die Andeutung liegen? Sehe ich in dem fraglichen Einzeiler persönlich überhaupt nicht, vgl. #3.

    In den Worten "Wir setzen unsere Tochter zur Alleinerbin ein" (darin enthalten sei die Vorstellung, das Kind solle nur einmal - und nicht nach jedem Elternteil einmal = insgesamt zweimal - erben, weil nach der Vorstellung der Testatoren die Erbeinsetzung des Überlebenden durch den Erstversterbenden quasi vorausgesetzt wird).

    Halte ich ehrlich gesagt für eine Überinterpretation. Woraus entnimmt man da so sicher, dass nicht gewollt war, dass die Tochter nach jedem Erbfall Alleinerbin ist oder nur der Erbfall nach dem Längstlebenden geregelt werden sollte und für den ersten Erbfall nichts weiter bestimmt wird, sodass gesetzliche Erbfolge eintritt etc.

    Die Tatsache, dass sich Ehegatten in einer gemeinschaftlichen Verfügung von Todes wegen üblicherweise gegenseitig als Alleinerben des Erstversterbenden bedenken, stellt keinen ausreichenden Anhaltspunkt für eine gegenseitige Erbeinsetzung der Ehegatten dar (BGH NJW 1981, 1737 (1738), beck-online).

  • so auch MüKo Musielak § 2385 Rn. 2. Habe ich aber noch nie auf dem Tisch gehabt und beurkundet (und bin schon einige Zeit dabei).

    Ich hatte es beim NachlG ein einziges Mal und weiteres Mal hatte ich es während meiner jetzigen Tätigkeit. Im letztgenannten Fall ist das NachlG der Auslegung der Beteiligten nicht gefolgt und man hat das Ergebnis der "vereinbarten" Auslegung dann rechtsgeschäftlich vollzogen (Auflassung etc.). Der springende Punkt dabei ist, dass der Auslegungsvertrag in erbschaftsteuerlicher Sicht anerkannt wird und der jeweilige Erwerb besteuert wird, als wäre die vereinbarte Auslegung die tatsächlich zutreffende. Das gilt natürlich auch für Vermächntis- und Pflichtteilsansprüche, die als Folge einer solchen "vereinbarten" Auslegung entstehen.

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