Notariatsreform in Baden-Württemberg

  • Eben :daumenrau. Danke für die Einschätzung aus der Quelle des Geschehens.
    Nach meinen Info-Quellen fällt im Württembergischen das ZGA Böblingen auf.
    Und was für Mannheim die Eingliederung des GBA Heidelberg bedeuten wird, kann für Villingen-Schwenningen im letzten Eingliederungsjahr 2017 die Eingliederung von Konstanz bedeuten.

    Im übrigen arbeitet man nicht nur an der Grenze , sondern bereits im Feindesland.
    Teilweise haben ZGA-Mitarbeiter Überstunden im dreistelligen Bereich , die flugs Anfang 2017 auf 41 gekappt wurden, da nur soviel ins neue Jahr übertragen werden dürfen.
    Warum außerdem gibt es bei den ( badischen ) ZGÄ eine überdurchschnittliche Personalfluktuation ?
    Ja; ja .......Hauptsache, der Laden läuft irgendwie.
    Tut er eben nicht überall !

  • So so, Überstunden gekappt ...

    Und die Leute lassen sich das ernsthaft gefallen?

    Die Konsequenzen sind aus meiner Sicht klar: Es wird keine einzige Überstunde mehr geleistet, egal was daraus resultiert. Es sei denn, die Überstunden würden angeordnet ... und bezahlt!

  • Mehr als 41 Überstunden werden bei allen Justizbehörden im neuen Jahr gekappt; das hat mit Grundbuch nichts zu tun.
    Die Wahrscheinlichkeit einer dreistelliger Überstundenanzahl ist bei den ZGÄ nur höher ; mehr an Unterschied gibt's aber nicht.

  • Und das mit dem "Keine Überstunden machen" ist leichter gesagt als getan... Vielleicht ging es nur mir so, aber wenn man ohnehin nicht hinterher kommt und das ohnehin schon übervolle Eingangspostfach abends noch voller ist, als es morgens war, dann kann man das irgendwann nicht mehr ausblenden. Dann graut es einem vor dem Urlaub, weil man ganz genau weiß, bei der Rückkehr ist alles noch schlimmer, als es schon ist; davor wird die Liste, was vor dem Urlaub unbedingt noch erledigt werden sollte, länger und länger. Gleiches gilt für die Wochenenden, wenn einem am Sonntag schon durch den Kopf schiesst, welche Verfahren man Montagmorgen ganz dringend zuerst anschauen muss und so weiter. Ich kenne einige, die täglich mehr als 10h arbeiten, um überhaupt einigermaßen auf Stand zu bleiben. Da macht das Arbeiten dann einfach wirklich keinen Spaß mehr.

  • Ich erinnere mal an den Leitsatz 1 des Urteils des BGH, 3. Zivilsenat, vom 11.01.2007, III ZR 302/05:

    Der Staat hat seine Gerichte so auszustatten, dass sie die anstehenden Verfahren ohne vermeidbare Verzögerung abschließen können (hier: übermäßige Dauer der Bearbeitung von Anträgen durch das Grundbuchamt wegen Überlastung). Die Erfüllung dieser Verpflichtung kann den Justizbehörden insgesamt als drittgerichtete Amtspflicht obliegen (teilweise Abweichung von BGH, 17. Mai 1990, III ZR 191/88, BGHZ 111, 272)“

    Ich denke, man kann wohl unbestritten davon ausgehen, dass es derzeit bei mindestens vier zentralen GBÄ an der angemessenen Personalausstattung fehlt. Auch scheint mir der von Bukowski vorgenommene Vergleich mit dem GBA Mannheim schon deshalb zu hinken, weil dieses GBA von der Umzugs- und Eingliederungsproblematik nicht bzw. nicht in gleicher Weise betroffen ist, wie andere zentrale GBÄ. Und wenn von den Bearbeitungsvorgaben von mindestens 5 GRG pro Tag und Rechtspfleger ausgegangen wird, dann ergibt sich nach Adam Riese, dass bei durchschnittlich 220 Arbeitstagen ein Rechtspfleger 1100 Fälle im Jahr erledigen kann, zur Abarbeitung von 15000 offenen Vorgängen binnen Jahresfrist also 13,64 zusätzliche Rechtspfleger benötigt würden. Und das je rückstandsbelastetem Amt. Dabei ist die durch die weitere Eingliederung von Gemeinden entstehende Situation und der erforderliche Abbau von Überstunden noch nicht berücksichtigt. Deshalb erscheint mir fraglich, ob mit den 33- k.w.-Rechtspflegerstellen, die erst noch zu besetzen sind, der Staat „der Amtspflicht sämtliche möglichen und zumutbaren Maßnahmen zu ergreifen, damit die Aufgabenerledigung zeitnah erfolgen kann“ (so der BGH, s. dazu Zimmerling im jurisPK-BGB Band 2, 8. Auflage 2017, Stand 05.12.2016, § 839 RN 25) nachkommt.

    Lieber einen Frosch küssen als eine Kröte schlucken :)

  • Da kann ich dir nur uneingeschränkt zustimmen. Bloß: Es gibt schlicht keine verfügbaren Arbeitskräfte, man zieht derzeit ja noch zusätzliches Personal ans GBA ab, und nimmt in diesem Zusammenhang den Kollaps der Notariate bzw. ab Januar dann der Amtsgerichte, die die ganzen Rückstände aus Nachlass und Betreuung bekommen, in Kauf. Das wird dann die nächste Baustelle. Kann man sich aber erst drum kümmern, wenn es soweit ist :mad:.
    Insoweit kann man keine Rechtspfleger herzaubern, sondern hätte wohl schon viel früher mehr ausbilden müssen (wobei zu beachten ist, dass noch vor ein paar Jahren ein großer Teil der Jahrgänge garnicht übernommen wurden....).
    Daher dreht sich die Diskussion in dieser Richtung schlicht im Kreis: Man braucht mehr Leute. Es gibt zu wenig. Die wenigen werden nach und nach "verheizt". Das erzeugt auf längere Sicht wieder Ausfall. Man braucht also wieder mehr Leute .....

    Oder, um aus Goethes "Faust", Teil I, Zeile 2667 zu zitieren: "Nein!"

  • Ich erinnere mal an den Leitsatz 1 des Urteils des BGH, 3. Zivilsenat, vom 11.01.2007, III ZR 302/05:

    Der Staat hat seine Gerichte so auszustatten, dass sie die anstehenden Verfahren ohne vermeidbare Verzögerung abschließen können (hier: übermäßige Dauer der Bearbeitung von Anträgen durch das Grundbuchamt wegen Überlastung). Die Erfüllung dieser Verpflichtung kann den Justizbehörden insgesamt als drittgerichtete Amtspflicht obliegen (teilweise Abweichung von BGH, 17. Mai 1990, III ZR 191/88, BGHZ 111, 272)“

    Interessant , was Du immer aus dem Hut zauberst. Allerdings gings im entschiedenen BGH-Fall um die rechtswidrige Verzögerung der Eintragung einer Auflassungsvormerkung, die einen Entschädigungsanspruch auslösen kann. Und soweit scheinen wir hier noch nicht zu sein , da Vormerkung = Eiltfall.
    20 Monate für eine Vormerkung braucht man hier noch nicht.
    Dass die Kernaussage des BGH über Vormerkungen hinaus gilt , bleibt natürlich unbestritten.

  • Wie hoch ist eigentlich der durchschnittliche Krankenstand in den ZGÄ ?

    Leider kann ich dazu keine Zahlen geben.
    Du musst allerdings bedenken, dass an den ZGAs überdurchschnittlich viele junge Rechtspfleger
    sind, die noch keine Lebzeit haben. Da überlegt man sich jeden Tag, den man sich krankmeldet sehr genau!
    Daher fragt sich, wie aussagekräftig so eine Statistik dann wäre.

  • Um vorsorglich darauf hinzuweisen: Es wäre (je nach Detailreichtum) die Frage, ob eine solche Krankenstatistik hier ins Forum gehört (sofern sie nicht ohnehin schon veröffentlicht wurde). Ich bitte zu bedenken, dass dieser Thread öffentlich einsehbar ist.

  • Probleme hin oder her, immerhin verfassungskonform ist die Notariatsreform
    http://www.bundesverfassungsgericht.de/SharedDocs/Pre…/bvg17-015.html *
    ;)

    Warum außerdem gibt es bei den ( badischen ) ZGÄ eine überdurchschnittliche Personalfluktuation?


    Das ist ausnahmsweise eine leicht zu beantwortende Frage:
    a) die Standorte Emmendingen und insbesondere Villingen-Schwenningen sind unattraktiv und die meisten, die frisch von der Prüfung dorthin gesetzt werden, wollen so schnell wie möglich wieder weg. Hat nix mit Grundbuchrecht zu tun, sondern einzig und alleine mit dem Standort.
    Auch Maulbronn ist mit öffentlichen Verkehrsmitteln nicht bzw. nur unter sehr erschwerten Bedingungen zu erreichen. Ich hätte auch keine Lust, jeden Tag 50 km einfach mit dem Auto zu fahren, egal welches Sachgebiet ich bearbeite und wie hoch der Arbeitsanfall ist.
    b) wie schon erwähnt sind überwiegend junge Kolleginnen bei den Grundbuchämtern tätig. Da ist es nur logisch, dass man dort im Verhältnis mehr Abgänge in Erziehungsurlaub/Elternzeit hat als in Behörden mit einer gemischteren Alters- und Geschlechterstruktur.

    *Bitte Link kopieren und manuell im Browser einfügen. Warum auch immer, aber direkt verlinkt kommt man nur zu einer Fehlermeldung. Genau den selben Link im Browser eingegeben klappt es.

    Es stand alles in Büchern, die Alten lebten noch
    Wir haben nicht gelesen, nicht gesprochen, weggeschaut, uns verkrochen ...
    No!

  • zu a) Emmendingen ist selbst größere Kleinstadt und liegt nicht weit von Freiburg entfernt sowie Schwarzwald. Gibt sicher unattraktivere Gegenden.
    Und Kollegen frisch von der Prüfung ziehen doch noch eher um.


    Kommt auf die Bindungen am Heimatort an. Wenn man aus der Rhein-Neckar-Region kommt und dort Freund/Freundin, Familie und Freundeskreis wohnt, hat man sicherlich keine Lust, nach Emmendingen zu ziehen bzw. dort länger als zwingend nötig zu bleiben - da können Breisgau und Schwarzwald noch so schön sein.

    Es stand alles in Büchern, die Alten lebten noch
    Wir haben nicht gelesen, nicht gesprochen, weggeschaut, uns verkrochen ...
    No!

  • Da kann ich dir nur uneingeschränkt zustimmen. Bloß: Es gibt schlicht keine verfügbaren Arbeitskräfte, man zieht derzeit ja noch zusätzliches Personal ans GBA ab, und nimmt in diesem Zusammenhang den Kollaps der Notariate bzw. ab Januar dann der Amtsgerichte, die die ganzen Rückstände aus Nachlass und Betreuung bekommen, in Kauf. Das wird dann die nächste Baustelle. Kann man sich aber erst drum kümmern, wenn es soweit ist :mad:.
    Insoweit kann man keine Rechtspfleger herzaubern, sondern hätte wohl schon viel früher mehr ausbilden müssen (wobei zu beachten ist, dass noch vor ein paar Jahren ein großer Teil der Jahrgänge garnicht übernommen wurden....).
    Daher dreht sich die Diskussion in dieser Richtung schlicht im Kreis: Man braucht mehr Leute. Es gibt zu wenig. Die wenigen werden nach und nach "verheizt". Das erzeugt auf längere Sicht wieder Ausfall. Man braucht also wieder mehr Leute .....

    Genauso sehe ich das auch. Und da ist es für mich sehr verwunderlich, dass dennoch so viele Kollegen am Staatsdienst festhalten. Ich für meinen Teil überlege mir, auch angesichts der geringen Wertschätzung, zu quittieren. Wer bleibt und die Überstunden und insbesondere die Jahreskappung hinnimmt, braucht m. E. sich nicht zu beschweren. Dann muss man eben für sich selbst entscheiden und seine Zukunft gestalten. Würde mich interessieren, was der Dienstherr sagt, wenn wirklich ein nennenswerter Anteil an Kollegen diesen Schritt mitgehen würde. Es ist auch Sache des Dienstherrn für eine ordentliche Struktur zu sorgen.

  • Da kann ich dir nur uneingeschränkt zustimmen. Bloß: Es gibt schlicht keine verfügbaren Arbeitskräfte, man zieht derzeit ja noch zusätzliches Personal ans GBA ab, und nimmt in diesem Zusammenhang den Kollaps der Notariate bzw. ab Januar dann der Amtsgerichte, die die ganzen Rückstände aus Nachlass und Betreuung bekommen, in Kauf. Das wird dann die nächste Baustelle. Kann man sich aber erst drum kümmern, wenn es soweit ist :mad:.
    Insoweit kann man keine Rechtspfleger herzaubern, sondern hätte wohl schon viel früher mehr ausbilden müssen (wobei zu beachten ist, dass noch vor ein paar Jahren ein großer Teil der Jahrgänge garnicht übernommen wurden....).
    Daher dreht sich die Diskussion in dieser Richtung schlicht im Kreis: Man braucht mehr Leute. Es gibt zu wenig. Die wenigen werden nach und nach "verheizt". Das erzeugt auf längere Sicht wieder Ausfall. Man braucht also wieder mehr Leute .....

    Genauso sehe ich das auch. Und da ist es für mich sehr verwunderlich, dass dennoch so viele Kollegen am Staatsdienst festhalten. Ich für meinen Teil überlege mir, auch angesichts der geringen Wertschätzung, zu quittieren. Wer bleibt und die Überstunden und insbesondere die Jahreskappung hinnimmt, braucht m. E. sich nicht zu beschweren. Dann muss man eben für sich selbst entscheiden und seine Zukunft gestalten. Würde mich interessieren, was der Dienstherr sagt, wenn wirklich ein nennenswerter Anteil an Kollegen diesen Schritt mitgehen würde. Es ist auch Sache des Dienstherrn für eine ordentliche Struktur zu sorgen.

    :daumenrau

    -Vanitas vanitatum et omnia vanitas -



  • Wer einen Plan B hat , kann in der Tat den Staatsdienst quittieren.
    Vielleicht kommt man z.B. bei den ab 2018 freien Notaren als "Büroleiter" unter.
    Dort geht's aber auch nur um Kohle; mit einem 8,2-Stundentag wird's auch dort nichts werden.
    Ich behaupte einfach mal, dass der hohe Frauenanteil in der Justiz - und auch bei den ZGÄ - nicht zu einer großen Abwanderungswelle führt.
    Klarstellend : Behauptung ohne Wertung !

  • Ein Bekannter von mir arbeitet als Industriekaufmann in einer größeren Firma, die vor 2 Jahren aufgekauft wurde. Dort finden laufend Leistungsüberprüfungen statt. Wird die erwartete Leistung nicht erbracht, droht Entlassung. Viele Angestellte würden freiwillig und unbezahlt Überstunden ableisten, um die Leistung zu erbringen. Eine 57-jährlige bewährte Angestellte wurde entlassen und durch eine junge Angestellte ersetzt.
    In der freien Wirtschaft geht es noch um einiges härter zu wie beim Staat.

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