• Huhu!

    Das Cannabisgesetz soll ja wahrscheinlich ab 01.04.2024 entsprechend des veröffentlichen Entwurfs in Kraft treten.
    Durch die von Artikel 13 CanG-E vorgesehene entsprechende Anwendbarkeit von Art. 313 EGStGB wird ein rückwirkender Straferlass bzw. eine Neufestsetzung oder Ermäßigung von Strafen vorgesehen, soweit rechtskräftige noch nicht vollständig vollstreckte Urteile nach der Neuregelung (auch) nicht mehr strafbares Verhalten betreffen.

    Wie werdet ihr das denn an den Vollstreckungsbehörden handhaben? Also die Staatsanwaltschaften und die Amtsgerichte die mit der Jugendvollstreckung befasst sind?

    Wie soll man Abs. 1 S. 2 dieses Artikels verstehen? ("Der Straferlaß erstreckt sich auf Nebenstrafen und Nebenfolgen mit Ausnahme der Einziehung und Unbrauchbarmachung, Maßregeln der Besserung und Sicherung, Erziehungsmaßregeln und Zuchtmittel nach dem Jugendgerichtsgesetz sowie auf rückständige Bußen und Kosten, auch wenn die Strafe bei Inkrafttreten des neuen Rechts bereits vollstreckt war.")

    Bei uns am Amtsgericht haben wir ja nur einen kleinen Teil Jugendvollstreckungen. Da könnte man theoretisch schon alle laufenden Jugendvollstreckungen nochmal anschauen, ob BtMG einschlägig war und ggfs. die Vollstreckung beenden. D.h. die ganzen betroffenen Urteile müssten nochmals den Richter zur neuen Entscheidung (bei Gesamtstrafen bzw. Tatmehrheit) oder zum Erlass vorgelegt werden?

    Liebe Grüße

  • Ein interessanter Beitrag findet sich auf lto.de:

    Aktenberge: Justiz graut es vor der Cannabis-Freigabe (lto.de)

    Ich finde es schwer erträglich, dass sechs Wochen vor dem angestrebten Inkrafttreten der Gesetzentwurf noch nicht einmal den Bundestag passiert hat, geschweige denn den Bundesrat (und ggf. den Vermittlungsausschuss). Angesichts von mehreren 10.000 betroffenen Verfahren und hunderttausenden zu sichtenden Akten ist die Zeitspanne zwischen Verkündung des Gesetzes und Inkrafttreten zumindest dieser Straferlass- oder - minderungsregeln mit weit weniger als sechs Wochen unvertretbar zu kurz.

  • Hier werden derzeit die einschlägigen Verfahren durchgesehen, um für den Fall gewappnet zu sein, dass das Gesetz tatsächlich am 1. April im Kraft tritt und die große Rückzahlaktion erfolgen muss.

    Das dürfte wohl bei jeder Staatsanwaltschaft derzeit so sein.

  • Ja, und auch an allen Amtsgerichten in Sachen Jugendstrafvollstreckung. Das Gesetz tritt - sofern der Bundesrat nicht interveniert - zum 1. April in Kraft, und wegen der Verweisung in Art 318 o EGStGB nF (wenn ich mir die Norm richtig gemerkt habe wäre Art. 313 EGStGB entsprechend anzuwenden, sodass für den am 1.4. nicht vollstreckten Teil Straferlass auszusprechen ist, soweit die verurteilte Tat nach neuem Recht nicht strafbar ist.

    Die Lage ist geradezu bizarr: Der Bundesrat kommt das nächste Mal am 22. März zusammen und wird das vom Bundestag verabschiedete Gesetz wohl auf der Tagesordnung haben. Lässt er es passieren - und das Gesetz ist bekanntlich nicht zustimmungspflichtig - so muss es trotzdem der Bundespräsident noch unterzeichnen, und es muss im Bundesgesetzblatt veröffentlicht werden. Ich glaube, es ist nicht zu zögerlich geschätzt, wenn ich annehme, dass die Veröffentlichung am 28. März erfolgen würde. Wenn ein einziger Verurteilter am 1. April 2024 noch in Haft sitzt wegen einer Tat, die nach neuem Recht nicht strafbar ist, macht sich der zuständige Richter der Freiheitsberaubung im Amt schuldig. Dumm nur: der 28. März ist Gründonnerstag, gewiss nicht nur in Sachsen schon der erste Osterferientag, da arbeiten wir mit halber Besetzung. Die Richter hätten, wenn es so kommt, aber nur diesen Tag der Gesetzesverkündung, um das Gesetz umzusetzen, ohne sich strafbar zu machen.

    Ergo: Der Gesetzgeber arbeitet 2 Jahre an dem Entwurf, und die Praxis bekommt für die Umsetzung vermutlich einen, bestenfalls vier Arbeitstage? Das muss doch jedem Beteiligten die Schamesröte ins Gesicht treiben!

    Curiosity is not a sin.

    Einmal editiert, zuletzt von 15.Meridian (27. Februar 2024 um 12:52) aus folgendem Grund: Rechtschreibung ist Glückssache, und ich bin ein Pechvogel.

  • Woher wisst ihr denn, welches die "einschlägigen" Verfahren sind? Nur weil ein Verfahren statistisch unter "Diebstahl" läuft, heißt das ja nicht zwingend, dass unter den abgeurteilten Taten kein Besitz einer Kleinmenge Cannabis ist.

    Der ZIB hat bei uns einen Filter durchlaufen lassen, durch den alle Verfahren erkannt wurden, die in der Paragraphenkette ,,29" stehen haben. Dann wurden die Verfahren aus der Liste aufgeteilt und es wurde geprüft.

  • Wie läuft das denn praktisch ab? Legen die Staatsanwaltschaften die Akten dann den zuständigen Gerichten schon rein vorsorglich vor, damit die Richter die Verfahren Ende März in den Händen halten, falls tatsächlich kurzfristige Erlasse auszusprechen sind? Welches Gericht ist bei Jugendsachen zuständig? Das Vollstreckungsleitergericht oder das Gericht, das die Strafe ursprünglich ausgeurteilt hat?

  • ...

    Ergo: Der Gesetzgeber arbeitet 2 Jahre an dem Entwurf, und die Praxis bekommt für die Umsetzung vermutlich einen, bestenfalls vier Arbeitstage? Das muss doch jedem Beteiligten die Schamesröte ins Gesicht treiben!

    Wie aktuell zu lesen ist, u.a. ntv soll es 6 Monate verschoben werden. Deine Bewertung und Schlussfolgerung, die ich inhaltlich teile, würde im Wortlaut von mir im TV wohl nur mit vielen "Piep" ausgestrahlt.

    Es ist immer besser, die Figuren des Gegners zu opfern.

    Savielly Tartakover

  • Wie aktuell zu lesen ist, u.a. ntv soll es 6 Monate verschoben werden.

    Die Verschiebung um 6 Monate ist derzeit lediglich eine Überlegung unseres Justizministers. Es ist zwar zu hoffen, aber noch unklar, ob der Bundesrat den Gesetzesentwurf in den Vermittlungsausschuss bringen wird, um Änderungen durchzusetzen.

  • Hier wurden/werden alle laufenden Jugendstrafvollstreckungen durchgesehen.

    Auch hier wurden alle Verfahren, in denen ein VU derzeit in Haft ist mittels Select gesucht, geprüft und in einer Ecxel-Tabelle erfasst mit dem Vermerk "relevant oder nicht relevant". Diese Tabelle wird jetzt durch alle "Vollstrecker" weitergeführt dahin, dass alle BtM-Verfahren, sobald sie auf dem Tisch landen, geprüft und in der Liste erfasst werden (Stand jetzt ca. 450 Verfahren die erfasst wurden - die Liste wächst arbeitstäglich). Die sodann relevante Quote, die nach neuen gesetzlichen Kriterien zu beurteilen ist, dürfte so bei 40 % = ca. 180 Verfahren derzeit liegen. Mit Prüfung durch Vollstreckungsstaatsanwalt, Vorlage an Gericht, neue Entscheidung, Rückabwicklung alte Entscheidung.....

  • Woher wisst ihr denn, welches die "einschlägigen" Verfahren sind? Nur weil ein Verfahren statistisch unter "Diebstahl" läuft, heißt das ja nicht zwingend, dass unter den abgeurteilten Taten kein Besitz einer Kleinmenge Cannabis ist.

    Der ZIB hat bei uns einen Filter durchlaufen lassen, durch den alle Verfahren erkannt wurden, die in der Paragraphenkette ,,29" stehen haben. Dann wurden die Verfahren aus der Liste aufgeteilt und es wurde geprüft.

    Aber mWn (habe nur den Erlass von 26.02.2024) nur für die Staatsanwaltschaften. Teilen die das dann den Amtsgerichten für die Jugendstrafvollstreckung mit oder wie ist das gedacht?

  • Aber mWn (habe nur den Erlass von 26.02.2024) nur für die Staatsanwaltschaften. Teilen die das dann den Amtsgerichten für die Jugendstrafvollstreckung mit oder wie ist das gedacht?

    Da die Akten der Jugendvollstreckung beim AG geführt werden, können diese nicht auch noch von der Staatsanwaltschaft entsprechend durchforstet werden. Wir prüfen "nur" unsere Erwachsenenvollstreckungen.

  • Die Frage richtete sich an bras bzw. niedersächsische Kollegen für die Abfrage des ZIB. Die betreffenden Urteile dürften den STAen ja auch vorliegen. Dass die ermittelten Verfahren dann beim AG geprüft werden müssen, ist klar.

    Einmal editiert, zuletzt von lazuli (5. März 2024 um 09:57) aus folgendem Grund: Name verwechselt

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