Abbrechen ? Studium zu langweilig?!

  • Hallo ich wollte mal hier im Forum nach Rat suchen, weil ich echt nicht weiter weiß, ob ich das Studium abrrechen soll oder einfach noch durchziehen soll.

    Ich bin momentan in der Praxis und habe mir die Tätigkeit anders vorgestellt. Meine Noten sind durchschnittlich bis gut. Mit Formulierungen von Texten und Entscheidungen habe ich keine Probleme und bisher auch nur gutes Feedback von meinen Ausbildern bekommen. Allerdings langweile ich mich sehr. Von den 8:12h sitze ich die meiste Zeit nur ab und habe wenig zu tun. Akten habe ich sehr schnell durchgelesen und habe das Gefühl ich lerne nicht wirklich was. Als Anwärter hat man auch sehr wenig Kontakt zu den Ausbildern, Serviceteam und anderen Kollegen. Ich hatte mir das Studium mit mehr Kontakt vorgestellt. Meine Frage wäre ob sich das mit der Zeit noch ändert ? Hattet ihr Spaß in eurer Praxiszeit und wusstet direkt das ist was für euch ? Oder doch lieber ein anderer Beruf?

  • Gerade, was Du zu Anfang schreibst (durchschnittlich bis gute Noten, Entscheidungsfreude), zeigt doch, dass Dir die Sache eigentlich Spaß macht oder zumindest liegt. Was Du über die Praxisausbildung berichtest, ist allerdings nicht schön. Ich würde Dir raten, mit den Ausbildern zu sprechen und ihnen nahezubringen, dass Du mehr gefordert werden möchtest. Ich bilde selbst aus und fände es sogar gut, wenn meine Anwärter mir offen sagen, wenn sie sich unterfordert oder nicht ausgelastet fühlen. Aber nicht jeder Praxisausbilder hat vielleicht ein Gespür dafür - und ja, leider sind auch nicht alle Ausbilder gleich motiviert und begeistert bei der Sache. Wenn das nichts bringt, suche doch das Gespräch mit der Ausbildungsleitung an Deinem Gericht. Erst wenn das nichts bringt und es sich auch in der nächsten Station nicht bessert, würde ich an Deiner Stelle über einen Abbruch nachdenken.

    Meine Anwärterzeit ist schon lange her (noch ganz ohne PC bis auf vereinzelte Abteilungen...), aber ich hatte zum Glück meistens motivierte Ausbilder und da ich alleine an meinem Gericht war, durfte ich auch immer bei den Ausbildern mit im Büro sitzen. Da bekommt man natürtlich viel mehr mit, was auch Telefon und den Umgang mit Publikum betrifft. Ich machen meinen Job bis heute sehr gerne (naja, an machen Tagen lieber als an anderen...) Heute sitzen meine Anwärter auch die meiste Zeit in ihrem eigenen Anwärterzimmer, aber mindestens einmal am Tag treffen wir uns zum Besprechen. Und wenn sie mit den Akten vorher fertig sind, kommen sie zu mir und ich besorge "Nachschub".

    quidquid agis prudenter agas et respice finem. (Was immer Du tust, tue klug und bedenke das Ende.) :akten

  • Liebe angehende Kollegin "ratlos", die Probleme, von denen Du hier berichtest, haben nichts mit dem Rechtspflegerberuf zu tun, sie sind reine Ausbildungsprobleme. Und das Studium ist nach drei Jahren geschafft. Also solltest Du bei Deiner Entscheidung nicht auf die Ausbildungsbedingungen schauen, sondern auf das Berufsfeld, das Dich künftig (im besten Fall Dein Berufsleben lang) erwartet.

    Vom Aktenlesen wird Dein Verstand offenbar nicht genug gefordert, entnehme ich Deinen Worten. Hat man Dir denn auch schon knifflige Fälle gegeben? Wie war das für Dich? Ich habe meinen Anwärter mal recherchieren lassen, wie die Photovoltaikanlage in meinem Zwangsversteigerungsverfahren zu behandeln sei. Er hat, wie von mir erbeten, mehrere Fundstellen in Kommentaren und Rechtsprechung zusammengetragen, die maßgeblichen tatsächlichen Umstände aus dem Wertgutachten dargelegt und dann die Einordnung als Zubehör des Nachbargrundstücks (!) vorgenommen. Und er hatte recht.

    Je nachdem, in welchen Abteilungen Du schon warst, kann es natürlich sein, dass dort derzeit mal nicht so spannende Fälle auftreten. Was langweilig ist und was nicht, liegt freilich im Auge des Betrachters, mich kann eine komplizierte Kostenausgleichung durchaus auch beschäftigen (und letztlich zufrieden machen, wenn ich das Knäuel an Problemen entwirrt habe).

    Letztlich musst Du selbst die Antwort finden: Interessiert Dich die rechtliche Materie? Freust Du Dich, auf ein kniffliges rechtliches Problem zu stoßen und dieses zu lösen? Kannst Du zugleich auch den Regelfall erkennen und "Masse schaffen", also die Routinefälle rechtlich sauber und doch zügig wegarbeiten? Hattest Du schon "Publikumskontakt", sei es in der Rechtsantragstelle oder am Nachlassgericht oder am Familien-/Betreuungsgericht ... ? Dort tobt das pralle wahre Leben. Wenn Dich das dann langweilt, ist der Rechtspflegerberuf wohl nichts für Dich.

    Der Beruf muss zu Dir passen. Die Ausbildung soll Dich nur befähigen, bietet aber unter den von Dir geschilderten Umständen keine Anschauung auf Deinen künftigen beruflichen Alltag.

  • Ich glaube, Du hast einfach Pech mit Deinem Ausbildungsgericht / mit Deinen Ausbildern gehabt.

    Leider ist es im Moment so, dass fast alle Gerichte unter Personalmangel und der damit verbundenen Überbelastung zu leiden haben. Und leider nehmen manche Kolleginnen und Kollegen das zum Anlass, die Ausbildung der Anwärter zu vernachlässigen. Anwärter werden dann halt irgendwo "geparkt", eine wirkliche Praxisausbildung findet kaum statt.

    Es ist leider so, dass Belastungsquoten von 120 - 130 % keine Seltenheit mehr sind und es verdammt anstrengend ist, neben dem "normalen Tagesgeschäft" noch auszubilden.

    Trotzdem finde ich es schade, dass deshalb die Ausbildung vernachlässigt wird. Insbesondere, weil das die Personalsituation ja noch verschärft - wenn nämlich junge Kolleginnen wie Du an dem Beruf zweifeln und das Studium abbrechen. Wenn Du die Materie an sich interessant findest, dann kann ich Dir nur raten, am Ball zu bleiben.

    Wie Ecosse schreibt: Sprich die Ausbilder an oder sprich die Ausbildungsleitung an und fordere mehr ein.

    Der Beruf hat viel zu bieten - und über zu wenig Arbeit wirst Du Dich später sicher nicht beklagen können... :)

  • Ich muss 15.Meridian und HS181073 zu 100% zustimmen hinsichtlich des Grundes für dein Gefühl.

    In meiner Ausbildung habe ich Sachen erlebt, die mich dazu gebracht haben, heute mit Inbrunst auszubilden: Getreu dem Motto: "so nicht!" Das waren Zustände, da hätte jeder mit Verstand die Flinte ins Korn geworfen.

    Gerade auch das "Abgeschobensein" kenne ich nur zu gut. Mit Ausnahme der Kaffeerunde war da nix mit "halbwegs vollwertiger Kollege".

    Das ändert sich aber regelmäßig mit Prüfungsablegung.

    Man muss auch fairerweise dazu sagen, Anwesenheit von 8:12 für Anwärter ist hart. Sowohl für euch, als auch insbesondere die Ausbilder.

    Da wir dein Bundesland ja nicht kennen: welche Abschnitte hast du denn bisher durchlaufen in der Praxis?

    "Jemand hat mir mal gesagt, die Zeit würde uns wie ein Raubtier ein Leben lang verfolgen. Ich möchte viel lieber glauben, dass die Zeit unser Gefährte ist, der uns auf unserer Reise begleitet und uns daran erinnert jeden Moment zu genießen, denn er wird nicht wiederkommen."

    Hier geht Ihre Spende nicht unter. Rette mit, wer kann.

    -Die Seenotretter, DGzRS-

  • Das Problem ist ein reines Ausbildungsproblem, nachher in der Praxis ist der Alltag ganz anders als während der Ausbildung.

    Daher würde ich raten, dabei zu bleiben. Nach dem Examen findet sich sicher eine anspruchsvolle, spannende Aufgabe für Dich.

  • Hast du denn Austausch mit den anderen Anwärtern, also ergeht es denen ähnlich?

    Ich bin auch in der Praxis (RLP) und bei uns war es schwankend von "heute hab ich keine Akte für euch" (wir sind zu 2 auf der Geschäftsstelle) bis hin zu Aktenbergen in denen wir uns gerade noch so wiedergefunden haben ^^

    Alle Ausbilder sind ja unterschiedlich, kann mal gut oder mal doof sein :S

    Kannst du evtl zu einem Kostenbeamten oder Servicestelle mal über die Schulter schauen (wurde uns empfohlen)? Oder Sitzungen mal besuchen?

    Ich erstelle Zusammenfassungen o.ä wenn mir langweilig ist. Da habe ich noch genug zu tun ^^

    Darfst du Termine vorbereiten oder selbst halten? Das wäre für mich mal eine Herausforderung, die bald auf uns zu kommt.

    Grüße 👋

  • Danke für die Antwort :)

    Mein Bundesland ist BW

    Bisher war ich auf Zivil, ZVG und Inso

    Bekommt ihr einfach zu wenig Akten? Hältst du Sachen für einfach, die es eigentlich gar nicht sind?

    Kontakt zu Kollegen kann man auch aktiv suchen. Aufgrund der Belastung kommen die Kollegen nicht zu dir, du musst los.

    "Just 'cos you got the power, that don't mean you got the right!" ((c) by Mr. Kilmister, passt zum Job)

    "Killed by Death" (ebenfalls (c) by Lemmy, passt eigentlich immer)

  • Ich würde auch erstmal das Studium beenden und dir das Arbeitsleben zu Gemüte führen.

    Ich bin am Ende meiner Praxisausbildung und man merkt einfach, dass die Ausbilder oftmals nicht genug Zeit für einen haben. Oft wurde dann in Gruppen ausgebildet und jeder durfte mal die Akten lesen und bearbeiten, Aber das war oft nicht so viel.

    Es kommen ja noch einige, mMn echt interessante Abteilungen (Nachlass, Betreuung, StA), ich würde jetzt noch nicht die Flinte ins Korn werfen, vor allem weil dich die Marterie zu interessieren scheint ☺️

  • Ich habe meine Wahlstation vor vielen Jahren bei der Staatsanwaltschaft gemacht. Da durfte mir jeder Staatsanwalt der Zweigstelle als erstes seine hässlichste Akte geben. Vielleicht wäre es eine Möglichkeit, dies mal mit Deinen Ausbildern zu besprechen.

    "Für das Universum ist die Menschheit nur ein durchlaufender Posten."

  • Also bei war das vor ein paar Jahren so, dass der/ die jeweilieg Praxisausbilder mit mir erst ein bestimmtes Thema besprochen hat und gezeigt hat, wie man das praktisch mit dem Computerprogramm bearbeitet, ich dann ein paar Akten zur eigenständigen Bearbeitung bekommen habe und sobald ich fertig war wieder gekommen bin und das dann besprochen wurde. Gegen Ende der jeweiligen Stationen habe ich dann auch Aktenstapel mit gemischtem Inhalt oder auch mal einzelne Akten mit richtigen Problemen bekommen. Aber der Ablauf war eigentlich derselbe.

    "Auf hoher See und vor Gericht UND IN DER KLAUSUR ist man in Gottes Hand."
    Zitat Josef Dörndorfer

  • Bei mir ist es so lange her, dass es keine Computer gab.

    Schon damals war die Qualität der Ausbilder sehr durchwachsen. Von denen, die mich abgeschoben haben bis zu welchen, die mich wirklich haben mitlaufen lassen. Wenig erstaunlich war ich dann auch von den Sachgebieten eher angetan oder abgestoßen. Es steht und fällt mit den Kollegen, die Ausbidlung machen müssen und da bist du bei der Arbeitsbelastung eher noch ein zusätzliches Übel.

    Es gab auch Ausbilder, da war ich Kaffeetrinken und dann wieder weg. Gelernt habe ich da nix.

    Viel gelernt habe ich in der Praxis nicht, das ging erst los, als ich dann gearbeitet habe.

    Ok, ich war bei einem Fachgericht, aber auch so das kleine Einmaleins, was ich hätte lernen sollen, habe ich nicht gelernt.

    Und nein, ich fange jetzt nicht wieder damit an, dass die Ausbildung geändert werden muss.

  • Jeder, der mit dem Gedanken zum abbrechen spielt, sollte VG Bremen, 07.11.2023, 6 K 125/21 zumindest mal lesen. Pro Monat über 500,- EUR Rückzahlung. Bemerkenswert: Der Antrag auf Entlassung datiert vom 08.12.2019, die Rückforderung wurde bereits mit Schr. v. 16.01.2020 angekündigt, das war schnell.

    Es ist immer besser, die Figuren des Gegners zu opfern.

    Savielly Tartakover

  • Jeder, der mit dem Gedanken zum abbrechen spielt, sollte VG Bremen, 07.11.2023, 6 K 125/21 zumindest mal lesen. Pro Monat über 500,- EUR Rückzahlung. Bemerkenswert: Der Antrag auf Entlassung datiert vom 08.12.2019, die Rückforderung wurde bereits mit Schr. v. 16.01.2020 angekündigt, das war schnell.

    Merke: niemals wegen gesundheitlicher Probleme abbrechen. Krankschreiben lassen, zur Not auch langfristig, und auf die Entlassung warten.

    "Allen ist alles egal, außer der Handyvertrag" - Kraftklub

  • Merke: Amtsärzte, auf die kommt es an, sind üblicherweise keine Leute die mit "gelben Zetteln" wedeln und "Langeweile" findet sich im ICD - Code gar nicht.

    Es ist immer besser, die Figuren des Gegners zu opfern.

    Savielly Tartakover

    Einmal editiert, zuletzt von Wobder (7. Dezember 2023 um 14:06)

  • Merke: niemals wegen gesundheitlicher Probleme abbrechen. Krankschreiben lassen, zur Not auch langfristig, und auf die Entlassung warten.

    Ein Abbruch aus gesundheitlichen Gründen ist schon möglich, wenn keine Heilung / Behandlung möglich ist.

    Im vorliegenden Fall hat das VG Bremen festgestellt: "Die amtsärztliche Stellungnahme zeigt damit eine klare Therapiemöglichkeit auf und stellt keine dauerhafte Dienstunfähigkeit bzw. Nichteignung bezogen auf die Laufbahn als Rechtspflegerin fest."

    Nachdem die Klägerin, trotz Therapiemöglichkeit, das Studium abgebrochen hat, hat Sie den Abbruch der Ausbildung zu vertreten. Nur deshalb ist der Rückzahlungsanspruch entstanden.

  • Ich kann natürlich nur für mich sprechen, aber meiner Meinung nach findet jeder der möchte seinen Platz in der Justiz.

    Ich bin seit 3 Jahren fertig und war nach dem Studium erstmal im ZenVG abgestellt. Das war so maßlos öde und unterfordernd, dass ich schon angefangen hatte mich außerhalb der Justiz umzusehen und nach einem 3/4 Jahr kurz davor war zu gehen.

    Für mich hat sich einiges verändert, als mir meine stellvertretene Geschäftsleiterin erzählt hat, dass ich ruhig mal über den Tellerrand meines AG hinaus schauen und mich für andere Fachbereiche außerhalb unseres Hauses interessieren soll. Viele Wege führen nach Rom.

    Ich habe daraufhin die Ausbildung zur internen Organisationsberaterin gemacht, bin mittlerweile mitten drin in der Ausbildung zur Resilienztrainerin und nebenher habe ich mich zur e2A Multi ausbilden lassen und bin regelmäßig im Bezirk unterwegs, eben weil Akten alleine mich nicht genug fordern.

    Seit letztem Monat dann auch Gruppenleitung von 14 Geschäftsstellen die mich ordentlich auf Trab halten.

    Du kannst dir immer andere Wege suchen. Die Akten reichen dir nicht? Dann geh in die menschlichen Prozesse, werd Gruppenleitung, geh in die Verwaltung, lass dich weiterbilden und such dir einen Weg der dir entspricht. Die Justiz hat so so viel zu bieten, von dem man oft erst etwas mitbekommt, wenn man aktiv danach sucht. Aber einmal drin in dem Pool der Wissbegierigen findest du definitiv neue und spannende Herausforderungen auf allen möglichen Ebenen!

    Mein Rat daher: lass dich von Langeweile in der der Anwärterzeit nicht abschrecken :)

    Vieles können Anwärter einfach auch noch nicht machen, ihr bekommt also nie den gesamten Umfang eines Pensums mit. Mit einem eigenen Pensum später ist es deutlich vielseitige als mit den ausgewählten Akten die man als Anwärter bekommt.

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